Urs Tillmanns, 19. Februar 2022, 09:00 Uhr

Buchtipp: «The adidas Archive. The Footwear Collection»

Interessieren Sie sich für Sportschuhe? Für adidas? Kennen Sie das breite Spektrum an Schuhkreationen, die aus der einstigen Waschküche von Adi und Rudolf Dassler kamen? Und wissen Sie, wie daraus eine Weltfirma wurde? Diese schuf sich bei allen Sportarten einen Namen und rüstete die Spitzensportler aller Disziplinen und olympischen Wettkämpfe mit passenden, oft speziell angefertigten Sportschuhen aus. Wenn Sie sich für diese Geschichte interessieren, und wenn Sie die Highlights aus dieser besonderen Schuhkultur durchblättern möchten, dann kommen Sie an diesem 644-seitigen Bilderwerk wohl kaum vorbei.

adidas unterhält ein Archiv, in welchem nicht nur die Sportschuhmuster, die Prototypen und Unikate aufbewahrt werden, sondern auch die persönlichen Schuhe der Sportkoryphäen und Weltmeister. Oft wurden die von den Sportlern nach ihren Wettkämpfen nicht mehr benötigten Schuhe von diesen signiert oder nach einem legendären Lauf mit einer Widmung an adidas zurückgegeben. Sie landeten dann zwar als Ikonen im Archiv, doch dienten sie auch der Weiterentwicklung, um die Besonderheiten und Schwächen der getragenen Schuhe zu studieren. So hat sich, zunächst auf dem Dachboden der Dasslers, nicht nur die ganze Sortimentsbreite der adidas-Produkte angesammelt, sondern es wurde ein wichtiges und einzigartiges Stück Sportgeschichte zusammengetragen.

Dass Christian Habermeier und Sebastian Jäger dieses Buch realisieren konnten, hing damit zusammen, dass Barbara Hölschen den Auftrag erhielt, den Bestand der adidas-Collection historisch aufzuarbeiten und zu digitalisieren – und so kamen die beiden Fotografen ins Spiel. Um dies perfekt und professionell bewerkstelligen zu können, kamen die Schuhe paketweise zu ihnen ins «studio waldeck photography» in Scheinfeld und wurden sorgsam und individuell abgelichtet. «Jedes Objekt verlangt trotz aller Stringenz eine eigene Behandlung. Es verlangt Behutsamkeit, technische Präzision und höchste Aufmerksamkeit, sowohl beim Shooting als auch bei der Postproduktion» erinnert sich Sebastian Jäger. Obwohl das Sechskilobuch mit den 350 auserwählten Raritäten im März 2020 fertiggestellt war, ist ein eingeschworenes Team im Waldeck-Studio noch immer bei der Arbeit, denn die adidas-Kollektion umfasst Tausende von Objekten. Jedes ist anders und will seine ganz besondere Hingabe. «Sachliche Schönheit ist das Ziel, Reduktion auf das Wesentliche» ergänzt Christian Habermeier. «Alles ist ‘echt’, die Rasenreste und Flecken auf dem Leder, aber auch Risse und Reparaturbänder, die Unterschriften – bis zum originalen Schattenwurf der Schuhe. Nichts ist manipuliert, das pure Objekt. Fotografisch eine sehr reizvolle und anspruchsvolle Aufgabe, gerade in der Objektfotografie wird sonst in der Postproduktion sehr viel manipuliert. Hier musste jede Aufnahme schon von Anfang an stimmen, puristisch, echt …»

Die Vielfalt dieser Kollektion wird einem bewusst, wenn man die 644 Seiten durchblättert. Zunächst realisiert man, dass der Name adidas nicht nur eine Sportschuhmarke ist, sondern dass sich dahinter eine ganz bestimmte Philosophie und viel persönliches Engagement der Entwickler verbirgt. Jeder Schuh hat seine Geschichte, die in den Bildlegenden erzählt wird, die Sprintschuhe, mit denen Line Radke 1928 die Goldmedaille in Amsterdam gewann, das «Wunder von Bern», mit welchem dem Nürnberger Stürmer Max Morlock 1954 im Wankdorf-Stadion der wichtige Anschlusstreffer in der 10. Spielminute gelang, die Boxstiefel von Muhammad Ali, mit denen er 1971 im Madison Square Garden Joe Frazier besiegte, die Flügelschuhe von Jeremy Scott oder die hochabsätzigen Stiefel von Madonna. Hinzu kommen Prototypen, Testschuhe, Designmuster und Vintage-Modelle, die man noch nie zuvor gesehen hatte und kaum auch je – ausser in diesem Buch – sehen wird.

Das Buch erzählt nicht nur eine Sportgeschichte, sondern es ist auch ein Leistungsausweis für das Fotografenteam. Jeder Schuh ist ungefähr in Originalgrösse in der Regel in zwei Ansichten auf seiner Doppelseite abgebildet, mit einer ausgeklügelten Beleuchtung, die einerseits schattenlos wirkt, anderseits alle Feinheiten der Lederoberfläche, der Materialbeschaffenheit, der Farbe und, sofern vorhanden, der Signatur des Sportlers zur Geltung bringt. Ein einheitliches Licht, wie es die Dokumentation verlangt, und doch kommen die Besonderheiten jedes Schuhs unverwechselbar zum Ausdruck. Auch wenn man (bislang) keine besondere Begeisterung für Sportschuhe hatte, so springt bei der Durchsicht dieses Buches der Schuhbazillus mit den drei Streifen irgendwie rüber …

Für wen ist dieses Buch? In erster Linie werden natürlich jene Sportler und Sportfans darauf ansprechen, die selbst auf diese Marke stolz sind und mehr über deren spannende Geschichte und die extravaganten Schuhmodelle wissen möchten. Dann ist es für diese Zielgruppe ein besonders Geschenkobjekt, denn ein schwergewichtiges Sachbuch in dieser Preisklasse, lässt man sich lieber schenken als dass man es selbst kauft. Und letztlich ist es ein Musterbeispiel für eine hervorragende Realisierung, sowohl in grafischer, textlicher aber vor allem aus fotografischer Hinsicht.

Urs Tillmanns

 

Buchbeschreibung des Verlags

Vor 100 Jahren stellten die Gebrüder Adolf („Adi“) und Rudolf Dassler ihre ersten paar Sportschuhe her. TASCHEN präsentiert jetzt die erste visuelle Aufarbeitung der Geschichte des adidas-Schuhs mit über 350 Modellen inkl. nie gezeigter Prototypen und einzigartiger Raritäten. Wir begegnen Helmut Rahns Endspielschuhen des „Wunders von Bern“, Sondermodellen für Run DMC oder Lionel Messi, Collabs mit wichtigen Designern, Musikern und Organisationen wie Kanye West, Pharrell Williams, Raf Simons, Stella McCartney, Yohji Yamamoto, Parley for the Oceans sowie wegweisenden Techniken und Materialien wie der Verwendung von recyceltem Plastik aus dem Meer, für die adidas schon heute als Vorreiter gilt.

Um seine Produkte weiter zu entwickeln und auf ihre spezifischen Bedürfnisse zuzuschneiden, bat Dassler die Athleten, ihre getragenen Schuhe nach Gebrauch zurückzugeben (bis heute geben viele Sportler ihre Schuhe an adidas zurück, oft als Dankeschön nach einem Titelgewinn oder Weltrekordversuch). Daraus entwickelte sich das „adidas archive“, eines der weltweit größten historischen Archive eines Sportartikelherstellers, das die Fotografen Christian Habermeier und Sebastian Jäger seit Jahren umfassend und detailliert dokumentieren.

Mittels hochauflösender Reproduktionstechniken wurden den Schuhen möglichst viele Details entlockt. Alles, was man sieht, Risse, Flecken, Grasreste, verblasste Signaturen, ist echt und bringt die persönlichen Geschichten jedes einzelnen Trägers ans Licht. Der Betrachter wird in die Lage versetzt, feinste Materialdetails wie Nähte und Webstrukturen zu entdecken und die Entwicklung des adidas-Schuhs en détail nachzuvollziehen. Mit einem Vorwort vom langjährigen Designer Jacques Chassaing und fünf Expertenessays dokumentiert der Band nicht zuletzt Deutsche Sport-, Design- und Wirtschaftsgeschichte von den Anfängen der Gebrüder Dassler über die Gründung von adidas bis heute.

Sepp Herbergers Anweisung „Adi, stoll auf“ ist fast so legendär wie der Radiokommentar von Herbert Zimmermann. Der Ausgang ist bekannt: Deutschland wird Fußballweltmeister und Dassler zum „Schuster der Nation“. Oder der Ausspruch von Tennislegende Stan Smith: „Some people think I’m a shoe.“ Oder die Geschichte des Superstars, der in den 80ern durch den Song „My adidas“ der New Yorker HipHop-Gruppe Run DMC zum Lifestyle-Sneaker wurde. Dies sind einige von vielen Geschichten, die Marken und Helden zusammenbringen. Man darf gespannt sein, welches sportliche Highlight als nächstes kommt.

 

Der Inhalt

Vorwort (Jacques Chassaing)

Die Marke mit den drei Streifen (Marcus Wessel)
Die Zeit vor adidas / In der Waschküche fing alles an / Früher Erfolg / Gründung und Aufstieg / «Das Wunder von Bern» – adidas wird Zeitgeschichte / Die Geburt der Klassiker / Der Chef tritt ab / Neue Konkurrenten und Krisen / Zurück in die Zukunft /

Im Dienst des Objekts (Christian Habermeier)

Geschichte fotografieren (Sebastian Jäger)

Eine Begegnung für die Ewigkeit (Barbara Hölschen)

Eine Sammlung von Turnschuhen (Martin Herde)

Gebrüder Dassler – Sportschuhe aus der Waschküche

1950s – Drei Streifen im «Wirtschaftswunder»

1960s – Erfolge in Serie

1970s – Schuhe werden zu Ikonen

1980s – Neue deutsche Welle

1990s – Eine Marke erfindet sich neu

2000s – Mehr als ein Sommermärchen

2010s – Sportschuh 2.0

Classics – Trefoil-Ikonen

Music and Culture – Im Rampenlicht

Strickly Limited – Get Hyped

Rarities – Auf Schatzsuche

Fashion – Très chic

Testing – Trial and Error

Concepts – Outside the Box

Index

Danksagungen

 

Die Fotografen

Christian Habermeier arbeitet seit 1989 als Fotograf und Designer. Er studierte Kommunikationsdesign und lehrte in den Jahren 2000 bis 2006 Fotografie und Digitale Illustration. Ausserdem verfolgt er eigene Projekte in Kuba, Kenia, Nepal, Indien, der Schweiz und Hong Kong. Im Jahr 2000 gründete er das «studio waldeck photographers» und konnte 2013 seine lang gehegte Vision eines CO2-neutralen Studios umsetzen.

Sebastian Jäger studierte Design an der Georg-Simon-Ohm-Fachhochschule Nürnberg mit den Schwerpunkten Bewegtbild und Fotografie. Dort lernte er 2005 den damaligen Dozenten Christian Habermeier kennen. Ihre gemeinsame Firma «studio waldeck photographers» betreut Kunden aus Industrie und Kulturbetrieb. Seit 2011 visualisieren sie die Bestände des historischen Archivs von adidas.

 

Bibliografie

Christian Habermeier | Sebastian Jäger
«The adidas Archive. The Footwear Collection»

644 Seiten mit mehr als 700 Fotos, Hardcover,
Format 31,8 x 29,6 x 5,3 cm, 5,63 kg
in passendem Pappkarton 38 x 33 x 7 cm mit Tragegriff
März 2020
Taschen-Verlag, Köln
Preis: CHF 140.00 / EUR 100.00
ISBN 978-3-8365-7195-1
Mehrsprachige Ausgabe: Deutsch, Englisch, Französisch
ISBN 978-3-8365-7196-8
Mehrsprachige Ausgabe: Englisch, Italienisch, Spanisch

Das Buch ist im Buchhandel beim Taschen-Verlag direkt oder hier im Versandhandel zu beziehen.

 

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