Fotozeitschriften haben heute einen schweren Stand. Immer weniger Inserate, eine rückläufige Abonnentenzahl sowie steigende Produktions- und Vertriebskosten nagen an der Rentabilität, und viele haben diesen Überlebenskampf nicht mehr geschafft. Eine Nische mit einem andersartigen Produkt zu finden, ist da nicht einfach. Das in Wien erscheinende Indie-Magazin – «Indie» steht für «Independent» (unabhängig) – scheint mit «Auslöser» eine solche Nische gefunden zu haben.
«Auslöser» ist kein grossformatiges Hochglanzmagazin, sondern es macht im A5+ Format und relativ viel Text einen schlichten, Leser-orientierten Eindruck. Auch sucht man Produktenews und Aktualitäten darin vergebens, was bei einer halbjährlichen Erscheinungsweise auch kaum Sinn machen würde. Redaktioneller Schwerpunkt von «Auslöser» sind vor allem «Geschichten hinter der Kamera», die in Interviewform präsentiert werden. Das Magazin stellt in jeder Ausgabe – bisher gibt es vier davon – vier Fotografen vor, erklärt deren Philosophien und Arbeitsweisen und geht mit ausgewählten Bildbeispielen auf deren Arbeiten ein. Ergänzend wird in jeder Ausgabe eine historische Kamera beschrieben, die an «die gute alte analoge Zeit» erinnert. Hinter «Auslöser» steckt kein grosses Verlagshaus, sondern die Macher sind eine kleine Gruppe von fünf Enthusiasten und Enthusiastinnen, die aus dem fotografischen und grafischen Bereich kommen.
Der Name «Auslöser» ist mit seiner dreifachen Bedeutung sehr sinnig gewählt. «Auslöser» kennen wir natürlich als Mechanismus, mit dem der Verschluss der Kamera ausgelöst wird, doch steht das Wort auch um ein Ereignis in Ganz zu setzen oder der das Verhalten eines Systems beeinflusst. Das Magazin will auch in der Fotografie etwas auslösen, nämlich, dass wir bewusster fotografieren und die Beweggründe der interviewten Personen als Denkanstösse verstehen.
Das Rezept scheint aufzugehen. Bereits sind vier Ausgaben erschienen, und der junge Eigenverlag kann mit Stolz rund 50 Verkaufsstellen in 12 Ländern vorweisen, wo das Magazin zu einem erschwinglichen Preis von 20 Euro – in der Schweiz je nach Anbieter 22 bis 25 Franken – gekauft oder bestellt werden kann. Um diesen breiten Markt zu erreichen, haben sich die Macher von Anfang an für die Zweisprachigkeit Deutsch und Englisch entschieden, was gerade bei den Interviews als interessanter Vergleich sprachlicher Details genutzt werden kann.
Die aktuelle Ausgabe Nummer 4 hat übrigens einen starken Bezug zur Schweiz. Der inzwischen weltweit bekannte Nidwaldner Polizeifotograf Arnold Odermatt wird darin sehr ausführlich auf 28 Seiten interviewt, die mit bisher wenig bekannten Bildern illustriert sind. Dann findet Allan Porter seine Hommage, der von 1966 bis 1981 im Verlag Bucher Luzern die wohl bedeutendste Fotokultur-Zeitschrift «camera» herausgab. Weiter gibt es – diesmal anstatt einer Kamera – einen sehr lesenswerten Artikel über den legendären Kodachrome-Film, der bei Kodak Lausanne als letztes Labor ausserhalb Amerikas noch entwickelt wurde. Kodachrome war über ein halbes Jahrhundert einer der beliebtesten Diafilme, der von vielen Fotografen wegen seiner charakteristischen Körnigkeit und der hervorragenden Schärfeleistung bevorzugt wurde. Weiter findet sich in der aktuellen Ausgabe ein Interview mit Hanna Mattes über übernatürliche Phänomene und ihre Technik im Bemalen von Farbnegativen, ein weiteres Gespräch mit Fatermeh Behboudi über ihre Kriegsfotografie und eine Begegnung mit Myoung Ho Lee, die in ihren Arbeiten Bäume von ihrer natürlichen Umgebung trennt. Eine sehr vielfältige Ausgabe, die zum Lesen und Sichvertiefen anreizt.
«Mit dem Auslöser möchten wir die Fotografie entschleunigen und in reduzierter, unaufdringlicher Form unterschiedlichsten FotografInnen eine frische Präsentationsfläche bieten» sagt Herausgeber Sebastian Gansrigler. «Wir zeigen die Menschen hinter der Kamera.»
Urs Tillmanns
Objektbeschreibung des Verlages
Das Auslöser Magazine ist ein halbjährlich erscheinendes, zweisprachiges (Deutsch & Englisch) Indie-Printmagazin aus Wien (Österreich), das sich auf die menschlichen Geschichten hinter der Kamera konzentriert. In jeder Ausgabe gibt es vier ausführliche Fotografen-Interviews, ein Firmenporträt hinter den Kulissen und eine Kamera im Detail. Die erste Ausgabe ist seit März 2019 im weltweiten Versand und in ausgewählten Museumsshops, Galerien, Zeitschriften- und Buchläden erhältlich. Das Auslöser Magazin ist in drei Abschnitte unterteilt. Der erste Teil enthält vier lange Interviews mit ausgewählten Fotografen. Stilistisch, kategorisch, in Bezug auf Herkunft und Alter, werden vier Persönlichkeiten in sehr hohem Kontrast zu starken, spannenden Ansichten zusammengeführt. Trotz eines eher bescheidenen Budgets will Auslöser gegen die gerade im Internet allgegenwärtigen unbezahlten Beiträge ankämpfen, indem jeder Fotograf für die Präsentation seiner Bilder und seiner Zeit entlohnt wird. Der zweite Teil zeigt eine Firma, eine Werkstatt, eine Druckerei, ein Fotostudio, eine Dunkelkammer und vieles mehr hinter den Kulissen und bietet Einblicke in sonst unsichtbare Bereiche. Der dritte Teil porträtiert jeweils eine Kamera pro Ausgabe, wobei der Schwerpunkt auf der Ästhetik und weniger auf dem technischen Aspekt liegt. Hier wird vor allem die künstlerische Umsetzung betrachtet.
Der Inhalt
Vorwort
Im Gespräch mit Hanna Mattes
Im Detail: Kodachrome
Im Gespräch: Arnold Odermatt
Im Gespräch: Fatemeh Behoudi
Hinter den Kulissen: Allan Porter camera
Im Gespräch: Myoung Ho Lee
Impressum
Die Inhalte früherer Ausgaben:
Ausgabe 1 (März 2019)
Interview mit Friedl Kubelka, Brian Finke, Yanina Boldyreva, Wolfgang Zurborn,
Hinter den Kulissen: Steidl
Im Detail: Susse Frères Daguerréotype
Ausgabe 2 (September 2019)
Interview mit James Barnor, Pixy Liao, Alex Dietrich, Leah Edelman-Brier
Hinter den Kulissen: Breitenseer Lichtspiele
Im Detail: Neubronners Taubenkamera
Ausgabe 3 (März 2020)
Interview mit Paul Albert Leitner, Nadia Morozewicz, Daniel Chatard, Katrin Koenning
Hinter den Kulissen: Wiener Secession
Im Detail: Apple QuickTake
Das «Auslöser»-Team
Das «Auslöser»-Team, von links nach rechts: Martina Schreiner, Kay von Aspern, Veronika Gansrigler, Sebastian Gansrigler, Niko Havranek (Foto: © Michael Seidler)
Sebastian Gansrigler (geb. 1994) ist Herausgeber und Chefredakteur. Er arbeitet als selbstständiger Fotograf und Grafiker in Wien und befasst sich neben dem «Auslöser» mit Auftragsarbeiten für verschiedene Museen, Galerien und internationale Magazine. Er lernte Mediendesign und Medientechnik und absolvierte die Ausbildung zum diplomierten Berufsfotografen. gansrigler.com
Kay von Aspern ist Redakteur, kommt aus Norddeutschland, war lange in der IT-Branche tätig und ist selbständig mit Auftragsfotografie, Workshops und Webdesign. Seine Arbeiten wurden mehrfach ausgestellt und in zahlreichen Printmedien veröffentlicht. von-aspern.com
Niko Havranek ist Redakteur und lebt und freischaffender Fotograf in Wien. Als Absolvent in Fotografie und Grafikdesign an der «Graphischen» widmet er sich heute vor allem der Street-Photography, Porträts und Collagen. nikohavranek.com
Martina Schreiner schloss ihr Diplom in Theater-, Film und Medienwissenschaft, Musikwissenschaft und Anglistik & Amerikanistik in Wien ab und ist beim «Auslöser» für’s Marketing verantwortlich.
Veronika Gansrigler schloss ihr Studium der Transkulturellen Kommunikation in den Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch ab und ist für die Übersetzungen und das Lektorat zuständig.
Bibliografie
Indie-Magazin «Auslöser»
Format 16 x 22 cm, 160 Seiten,
Schweizer Broschur mit offener Fadenheftung
Zweisprachig Deutsch und Englisch
Eigenverlag, Sitz in Wien, Österreich
Preis: ca CHF 23 / EUR 20
ISSN 2617-4847
Der «Auslöser» ist an mehr als 50 Verkaufsstellen in 12 Ländern erhältlich (siehe Übersicht), in der Schweiz bei
Lorem (not Ipsum), Zürich
Print Matters, Zürich
Material, Zürich
Hey That’s Nice, Luzern
Zürcher Hochschule der Künste
Der «Auslöser» kommt auf matt gestrichenem Papier, im Format A5 und den 160 Seiten bereits als Buch daher und hebt sich so markant von den klassischen grossformatigeren Fotozeitschriften ab. Vielversprechend, wenngleich sehr unterschiedlich im Gehalt. Die Kodachrome-Story ist hübsch bebildert reichlich dünn. Da fehlt Substanz. Ganz im Gegensatz zu den Interviews, etwa dem Nidwaldner Polizeifotografen Arnold Odermatt oder, sehr berührend und informativ, jenes mit der Iranerin Fatemeh Behboudi. Dann wieder ziemlich fad, leider, der Bericht über Allen Porter’s camera – eine verpasste Chance, diese Monumente der Fotokultur (Porter und camera) adäquat zu präsentieren. Dennoch, das Grundprinzip mit ausführlichen Interviews und gutem Bildmaterial könnte auch in Zukunft funktionieren.