Das ist die Geschichte einer Fotografin, die zuerst gar nicht das werden wollte, was sie heute ist und nun seit einigen Jahren auf beruflichem Erfolgskurs ist. Aber jeder Erfolg kommt nicht von alleine. Er ist gekoppelt mit viel persönlichem Einsatz, mit Einfühlsamkeit in einen klar vorgegebenen Auftrag und verlangt vor Ort eine unmissverständliche Führungsrolle.
Linda Pollari arbeitet heute für bekannte Titel wie die Handelszeitung, Vinum, die Weltwoche, das Touring-Magazin oder den K-Tipp. Wie es dazu gekommen ist, wie die tägliche Arbeit abläuft und wer letzten Endes beurteilt welches Bild publiziert wird, steht in diesem Interview.
Fotointern: Wie bist Du zur Fotografie gekommen?
Linda Pollari: Nicht so, wie das bei den meisten der Fall ist. Zwar habe ich schon immer fotografiert, Freudinnen und Ferienbildli gemacht, aber eine Begeisterung für diesen Beruf ist bei mir erst während der Lehre erwacht. Ich wusste lange nicht, welchen Beruf ich wählen sollte, und eigentlich per Zufall bekam ich eine Lehrstelle in einem Fotofachgeschäft in Bern. Hier sind dann Spass und Berufung gereift.
Cyndie Allemann, Ex-Rennfahrerin, Spirit Karting Betreiberin, Moderatorin beim Motormagazin «Grip», Moderatorin beim Schweizer Mobilitätsmagazin «Go!»
Du hast Dich dann sehr schnell selbständig gemacht, ohne grosse Berufspraxis. War dies der richtige Weg?
Nein, so schnell ging es dann doch nicht. Ich habe nach meiner Lehre in Bern an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) Fotografie studiert, was mir sehr viel gebracht hat. Dann war ich vier Jahre als Fotografin in einer Agentur für Werbeproduktionen angestellt, was zwar interessant und herausfordernd war, aber die Menschen vor der Kamera haben mir gefehlt. Als zweites Standbein habe ich das fotografiert, was mir Freude machte. Und eines Tages habe ich ins Blaue hinaus gekündigt, in der Hoffnung, ich würde dann schon wieder eine gute Stelle bekommen. Und so ist aus der vermeintlichen Zwischenlösung meine Selbständigkeit geworden.
Laura Zimmermann, Politaktivistin und Co-Präsidentin der Operation Libero
Du hast Dich auf redaktionelle Porträts spezialisiert. Wie kam das?
Das Flair für die redaktionelle Fotografie hat sich eigentlich schon im Studium herauskristallisiert. Eine Geschichte fotografisch zu begleiten, ist eine herausfordernde, aber auch sehr dankbare Aufgabe. Kommt hinzu, dass mich der Journalismus immer gelockt hat, und mit Journalisten unterwegs zu sein, um sich immer mit neuen Themen auseinanderzusetzen, ist jedes Mal sehr spannend. Im Laufe der Zeit konnte ich ein interessantes Netzwerk aufbauen mit sehr viel guten und erfreulichen Kontakten.
Dzana Cehic, einflussreichste Influencerin der Schweizer Jugendlichen mit mehr als 650’000 Follower auf Instagram (Weltwoche)
Wer sind heute Deine Auftraggeber?
Verlage, Redaktionen und Firmen, weniger Privatpersonen. Das hat sich so ergeben durch mein Netzwerk mit den Journalisten und Verlagen, und sehr oft gab es Folgeaufträge, nachdem die Besteller mit meinen Arbeiten offensichtlich zufrieden waren. Dann gab es auch immer wieder Zusammenschlüsse der Verlage und Medien, und so wurde das Netzwerk immer engmaschiger. Dann haben sich beispielsweise auch Geschäftsführer von Firmen gemeldet, die ich mal für einen Artikel fotografiert hatte und die nun ein Firmenporträt oder eine Reportage wollten – Material, das sie zum Beispiel für einen Prospekt, einen Jahresbericht oder für die neue Webseite brauchten. Das mache ich dann natürlich auch.
Arno Camenisch, Schweizer Schriftsteller aus Graubünden, schreibt Prosa, Lyrik und Bühnenstücke auf Deutsch und Rätoromanisch
Gibt es auch Privatpersonen, die sich von Dir porträtieren lassen wollen?
Eher selten. Hochzeitsreportagen, Familienfeste, Taufen mache ich eigentlich nicht. Da gibt es genügend Kolleginnen und Kollegen, die damit ihr Brot verdienen sollen. Aber es gibt Ausnahmen, zum Beispiel, wenn mich eine gute Freundin frägt, ob ich für sie ein paar Fotos machen könne, dann ist das für mich kein Auftrag, sondern eine Gefälligkeit. Und meistens kommt dann auch wieder etwas zurück …
Michael Steiner, Schweizer Filmemacher
Wie gehst Du an einen Auftrag heran, wenn Du beispielsweise eine Prominenz fotografieren musst? Bereitest Du Dich eingehend auf die Person und die Session vor oder arbeitest Du völlig spontan?
Es gibt beides, und es kommt sehr auf die Persönlichkeit und die Situation an. In der Regel ist es so, dass ein Journalist dabei ist, der mir den Sachverhalt schildert und wir uns kurz absprechen. Manchmal bekomme ich auch vorab eine Grobfassung des Textes, oder die Bildredaktion brieft mich am Telefon. Manchmal fehlen auch diese Informationen, und ich muss im Internet recherchieren, um wen es sich handelt oder spontan vor Ort entscheiden, wie ich die gegebene Situation anpacke. Das kann sehr herausfordernd sein, und ich muss zielstrebig ganz klare Anweisungen geben können, auch wenn ich vor einem Bundesrat stehe. Aber immer muss der Mensch im Zentrum stehen. Nie darf ich mir, auch unter dem häufigen Zeitdruck, nur eine geringste Unsicherheit anmerken lassen …
Tomas Prenosil, CEO der Zürcher Confiserie Sprüngli
Auffallend bei Deinen Bildern: Neben ernsten Posen gibt es sehr viele humorgezeichnete Shots. Wie kommen diese zustande und wie kommen sie bei den Auftraggebern und den Fotografierten an?
Es ist mehr Situationskomik als Inszenierung. Ich mag keine Inszenierungen. Zu den meisten Leuten finde ich sehr schnell den richtigen Draht und dann führt die Interaktion Regie. Nach einer gewissen Aufwärmphase geben sich die meisten Leute locker und legen ihre Hemmungen ab. Christiane Weber zum Beispiel, hat mir gesagt, sie sei eine passionierte Fasnächtlerin und hielt kurz eine Maske vors Gesicht – das war für mich natürlich der entscheidende Augenblick. Das geht manchmal sehr schnell, und man muss sofort reagieren können. Ein paar Sekunden später war alles vorbei. Die Fotografierten und die Bildredakteure finden solche Bilder meist sehr originell und haben Spass daran.
Christiane Weber, Geschäftsleitung Lucerne Festival, Leitung Künstlerisches Büro und Lucerne Festival Young
Wer lässt sich in der Regel gerne fotografieren und wo braucht es Überredungskünste?
Meistens sind die Leute ja vorbereitet und wissen was auf sie zukommt. Das Fotografieren von Männern ist meist effizienter und problemloser. Frauen sind oft selbstkritischer, etwas gehemmter. Aber nach wenigen Minuten verfliegt meistens diese Skepsis. Die Knöpfe lösen sich und zum Schluss sei ja alles gar nicht so schlimm gewesen und wenn jemand dann spontan sagt, es sei ein super Bild geworden, ist das ein grosses Kompliment für mich.
Milo Gasser, Geschäftsführer von Asic Robotics AG, Burgdorf BE
Du fotografierst viel Prominenz. Wie verhalten sich diese Leute gegenüber der Fotografin?
Nicht speziell. Gerade Prominente sind sich das Fotografiertwerden gewohnt, und das Arbeiten gestaltet sich meist sehr angenehm. Oft geht dies einfacher und speditiver als mit Leuten, die sich ungern fotografieren lassen und ihr erzwungenes Schokoladegesicht aufsetzen.
Maja Husistein, Architektin FH, Verwaltungsrätin Husistein & Partner AG, Geschäftsführerin Corpora Immobilien AG Aarau
Gibt es auch Fälle, wo die Interaktion zwischen Fotografin und dem Akteur nicht klappt?
Ja, das hat es schon geben, aber selten. Dann hat einfach die zwischenmenschliche Wellenlänge nicht harmoniert, und ich muss mir dann einfach Mühe geben auch in dieser Situation mein Bestes zu geben. Die Gefühle muss man dann einfach wegstecken. Aber das gibt es ja überall im Leben.
Peter Maurer, Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, IKRK / ICRC
Was benutzt Du an Hilfsmitteln? Die Bilder wirken sehr natürlich, nicht aufgeblitzt oder zusätzlich beleuchtet …
Das gehört zu meinem Stil. Ich nehme so wenig Material wie nötig mit. Ein Blitz und ein Aufheller sind natürlich immer dabei, ein bis zwei Stative und Lampen, wenn es hochkommt. Alle Zeit, die ich zum Aufbauen und Einrichten brauche, schadet der Stimmung mit meinem Gegenüber. Ich arbeite gerne so schnell und so effizient wie möglich, auch weil manchmal mein Gegenüber auch schon ständig nervös auf die Uhr schaut.
Christoph Blocher, Alt-Bundesrat, Schweizer Unternehmer, Financier und Politiker
Hast Du einen Assistenten dabei?
Nein, in der Regel nicht. Hin und wieder ist die Journalistin oder der Journalist dabei eine Hilfe, um beispielsweise einen Aufheller in die richtige Position zu bringen.
Gloria Gräser, Enterprise Solutions Sales Director und Business Development Managerin bei Fast Lane
Was ist das Spannendste an Deinem Beruf?
Dass ich jedes Mal mit einer neuen, unvorhersehbaren Situation konfrontiert werde und dass, egal unter welchen Umständen, in jeden Fall super Bilder von mir verlangt werden. Ich weiss nie was mich erwartet und ich muss blitzschnell und kompetent entscheiden können, wo ich fotografiere, wie sich die Person präsentieren soll und welches Licht ich dazu brauche. Ich muss in jedem Moment die Situation im Griff haben und darf keine Unsicherheit aufkommen lassen. Das ist manchmal ganz schön mit Nervenkitzel verbunden …
Hans Michael Kellner, Geschäftsführer der Messer (Schweiz) AG
Wie viele Bilder lieferst Du in der Regel ab, und wer trifft die Endauswahl?
Das hängt natürlich sehr von der Story und vom Auftrag ab. In der Regel schicke ich der Bildredaktion so schnell wie möglich Lowres-Bilder zur Auswahl, um dann hinterher die gewünschten Aufnahmen fertig zu bearbeiten. Das hat sich sehr gut eingespielt, und mittlerweile weiss ich genau wer von meinen Kunden welche Art von Bildern haben will.
Gilles Marchand, Soziologe und Generaldirektor der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG SSR)
Darfst Du die Bilder auch andersweitig verwenden?
Das Copyright gehört natürlich mir. Meistens ist abgesprochen, dass ich die Bilder nach einer gewissen Zeit nach der Veröffentlichung zum Verkauf anbieten kann und für mein Portfolio verwenden kann, sofern die fotografierte Person damit einverstanden ist.
Valentin Gloor, Direktor der Musik-Hochschule Luzern
Was fotografierst Du am liebsten privat?
Meinen kleinen Sohn! Es macht riesig Spass, seine täglichen Erlebnisse und Fortschritte in Bildern festzuhalten. Früher habe ich noch oft auf Reisen fotografiert, aber seit ich Mutter bin fehlen mir dazu leider die Zeit und die Energie. Schön ist es zwischendurch auch einfach zu sein und zu geniessen ohne die Kamera dabei zu haben.
Fanny Chollet, erste Kampfjet-Pilotin der Schweizer Luftwaffe und Berufsoffizierin im Rang eines Hauptmanns
Wenn Du nicht Fotografin wärst, was möchtest Du dann sein?
Journalistin! Das ist immer noch mein Traumberuf. Aber dazu fehlt mir die schriftliche Ausdrucksweise und der Wortschatz etwas. Aber was ich jetzt mache, ist etwas Ähnliches und eine gute Mischform, die grossen Spass macht. Ich liebe es in Bildern zu kommunizieren.
Das Interview führte Urs Tillmanns
Weitere Arbeiten von Linda Pollari finden Sie auf ihrer Website
Linda ist der beste Beweis dafür, wie aus einem Beruf, eine Betufung wird. Schön, dass es immer wieder solche Menschen gibt, die ihre Leidenschaft vor die Sicherheit stellen und somit den Weg zu Ihren persönlichen ERFOLG finden. Selbst wenn das Höhen und Tiefen im Leben bedeutet. Die Zufriedenheit im Gesicht der Kunden ist schließlich unbezahlbar und treibt einen voran, neue Herausforderungen anzugehen – weiter so!
Liebe Nicole
Danke für deine Worte. Du hast mich schon an Anfang meiner Selbständigkeit, bei unserer zweiten Begegnung, motiviert mutig zu sein, sich von schwierigen Zeiten nicht verunsichern zu lassen, sondern weiter zu machen. Ich wünsche dir auch alles Gute! Prost!
Linda Pollari war schon in der Lehre eine spezielle Frau! Mit klarem Ziel vor Augen. Extrem belastbar (Lehre und BMS gleichzeitig). Und immer wieder Klavier spielend. Trotzdem konnte sie immer noch Zeit für Freunde finden!
Bei der BMS-Abschlussfeier, auf dem Weg vom Kursaal Bern zum Apéro hüpfte sie total erleichtert neben mir und sagte: „Herr Stuber, jetzt muss ich niieee mehr lernen“.
Kurz darauf begann sie in ihrem Fotografiestudium in Zürich zu lernen …
Ich wünsche ihr von Herzen weiterhin viel Erfolg in ihrem Leben!
Lieber Herr Stuber. Sie haben ein gutes Gedächtnis und können sich besser an meinen Lehrabschluss erinnern als ich. Sie waren für mich, in meiner beruflichen Laufbahn, eine der Schlüsselpersonen. Danke, dass Sie mich in Ihrem Lehrbetrieb aufgenommen haben und mich während der Lehrzeit und danach unterstützt haben. Sie waren der beste Lehrmeister! Ihnen und Ihrer Frau Wünsche ich auch alles Gute. Herzliche Grüsse Linda Pollari
Als ehemaliger langjähriger Fachlehrer für Fotografie an der Schule für Gestaltung Zürich habe ich das Interview mit Linda Pollari mit viel Freude gelesen. Schön zu hören, dass die Freude und Begeisterung für den Fotografinnenberuf während der Lehre richtig erwacht und insbesondere gereift ist. Da kann man dem Ausbildner – wie man Lehrmeister heute nennen muss – gratulieren. Und offenbar hat auch der Besuch der Berufsschule einiges dazu beigetragen. Das nach der praktisch orientierten Lehre anschliessende Studium der Fotografie an der ZHdK hat – wie man sieht – sehr viel zur künstlerisch-gestalterischen Reifung und zum Finden sowie Perfektionieren der persönlichen Stärken beigetragen, ebenso die praktische Arbeit in der Werbeproduktion. Hut ab Linda Pollari!
Interessanter Artikel, wieder mal! Linda Pollari scheint mir Ihre Arbeit ausgezeichnet zu machen! Weiter So!
Linda Pollari hat mich porträtiert. Als Musiker undMensch mit sehr sensitiver Wahrnehmung war die Zusammenareit intensiv und heute sind wir Freunde.
Sehr guter, informativer Artikel der auch Einblick in den fotografischen Alltag bringt.