Urs Tillmanns, 2. Oktober 2020, 16:00 Uhr

Das Mass aller Dinge: der Print

Ein Bild ist erst ein Bild, wenn es gedruckt auf einem Papier vorliegt – idealerweise bereits im richtigen Beschnitt, gerahmt und eventuell aufgezogen. Dank der digitalen Dunkelkammer können wir heute mit erschwinglichem und auch platzmässig vertretbarem Aufwand den ganzen Workflow von der Aufnahme bis zum Print selbst steuern.

Hat am Monitor noch alles bunt und kontrastreich ausgesehen, kann dies je nachdem auf matten Papieren etwas anders daherkommen. Der Print ist damit die Messlatte, ob unser Workflow funktioniert hat. Fast immer macht es Sinn, die verschiedenen Schritte der Bearbeitung durch Prints zu dokumentieren. So haben wir am Schluss die Möglichkeit zu beurteilen, ob wir im Verlauf der Bearbeitung den Faden nicht verloren haben. Man kann sich während der Bearbeitung auch in etwas hineinsteigern, was man am Schluss nicht haben möchte – aber wann ist das geschehen? Prints kann man im Studio an die Wand pinnen oder auf eine Staffelei stellen und sie so Tag für Tag anschauen in unterschiedlichem Licht und in verschiedenen Stimmungen. So kann man diese Prints auch mit anderen Personen anschauen und sich darüber austauschen.

 

Der FineArtPrint oder Archival Pigment Print für die Ausstellung: fertig interpretiert, auf feinstes Papier gedruckt, geschnitten, aufgezogen und je nach Bedarf gerahmt. Die saubere Deklaration der verwendeten Medien und Tinten lässt einen Rückschluss auf die Haltbarkeit des Prints zu

Im digitalen Print-Workflow haben wir seit bald 20 Jahren die Möglichkeit, auf feinsten Büttenpapieren zu drucken. Dies hat zu Beginn die Welt der Fotografierenden in zwei Lager gespaltet: Die einen fanden diese Erweiterung der Kreativität bereichernd, die anderen meinten, dass diese Prints nichts mit einem schönen, silberhaltigen Barytprint zu tun haben. Dazu muss man wissen, dass die Möglichkeit, auf barytartigen Papieren zu drucken, erst ein paar Jahre später Realität wurde. Silver Rag von Museo war damals das erste Medium auf der Basis von Büttenpapier, das den Look und die Haptik von Barytprints ermöglichte. Erst etwas später fand auch Baryt selber den Weg in die Fineart-Inkjetpapiere. Allerdings kämpfen wir heute im Vergleich zu analogen Printverfahren auf glänzenden Medien noch immer mit Problemen wie Gloss Differential und Bronzing. Nur durch Versiegelung der Oberflächen mit einem Schutzspray erhalten wir einen Look, wie wir ihn von den analogen Prozessen her kennen und schätzen!

Wie das Bild gedruckt werden soll, hat einen Einfluss auf die Bildbearbeitung. In Sachen Feinheit und Präzision geht es uns stets darum, ein Bild später klein oder auch ganz gross drucken zu können. Drucken wir aber auf matten Büttenpapieren, müssen wir berücksichtigen, dass deren Dynamik- und Farbumfang relativ klein ist. Dies können wir bereits mit dem Softproof sichtbar machen und entsprechend Gegensteuer geben. Soll mattes oder glänzendes Papier verwendet werden, sollte also möglichst früh bei Beginn einer Bildserie oder eines Portfolios definiert werden. So wirken technische und architektonische Bilder auf glänzenden Medien brillanter. Landschaften und Stillleben hingegen können durch die leichte Abstraktion eines matten Papiers profitieren. Bei Portraits ist die Aussage für die Wahl entscheidend. Auch schon haben leuchtende Rot- oder Blautöne klar den Ausschlag für die Wahl von Glanzpapieren gegeben.

 

Ein Bild, das ausdrückt, wie es Georgia o’Keefe so schön gesagt hat: «I had to create an equivalent for what I felt about what I was looking at – not copy it». Der Print soll das vermitteln, was ich mit dem Bildinhalt vermitteln will.

Glanzpapiere haben die unangenehme Eigenschaft, dass sie stark reflektieren. Liegen sie nicht absolut plan, kann es durchaus sein, dass man glänzende Prints aufgrund der Reflexe gar nicht als ganzes Bild betrachten kann. So sind in wir in der Regel gezwungen digitale Fineart-Prints auf glänzenden Medien auf Aluminium oder Dibond aufzuziehen.

In Sachen Lichtstabilität hat sich einiges getan. Doch nach wie vor leiden Prints unter Licht und Umweltschadstoffen – je länger je mehr. Direktes Sonnenlicht kann einen Print innert weniger Monate ruinieren. Selbst bei der Lagerung im Dunkeln können Glanzpapiere sichtbar altern; bedingt durch die oft verwendeten optischen Aufheller. Es empfiehlt sich also bei der Wahl der Papiere auch hier ein Augenmerk darauf zu haben. Die stabilsten Tinten bestehen aus reinem Kohlenstoff und dienen zur Erstellung von Schwarzweissprints. Wir arbeiten seit bald 20 Jahren damit und haben mit vier Schwarz/Graustufen begonnen. Heute sind es mittlerweile sieben. Kohlenstoffpigment ist im Druck aber braun. Um ein neutrales Grau zu erzielen, müssen andere Pigmente beigemischt werden, welche wiederum die Stabilität der Tinten beeinflussen. In diesem Umfeld ist also noch etwas Forschungsarbeit gefragt.

Die Wertigkeit eines FineArt-Prints wird nochmals unterstützt durch die Präsentation. Dazu gehört ein gebührender Rand – auf der Basis des Papiers oder eines Passepartouts. Randabfallende Bilder sehen aus unserer Sicht weniger wertig aus und bieten zudem das Risiko, dass die Ränder der bedruckbaren Schicht ausbrechen. Die Rahmung in einem adäquaten Rahmen ergibt das Tüpfelchen aufs «i». Aber auch in einer Portfolio-Box soll darauf geachtet werden, dass die Ränder gleichmässig breit das Bild einrahmen.

 

Am Ende des Workflows steht der Print. Hier beeindruckt das Bild «Ground Zero» von Ferit Kuyas eine ganze Schulklasse schon auf Distanz. Sehr kleine Bilder können zwar nicht von so vielen Personen gleichzeitig betrachtet werden, können aber umso mehr den Betrachter/die Betrachterin in ihre Intimität einladen.

 

Fazit

Der Print ist im fotografischen Prozess das Mass aller Dinge. Ein Bild ist erst fertig, wenn es als Print vorliegt und Bestand hat. Wer dies konsequent umsetzt, wird je länger je weniger Aufnahmen machen und sich mehr auf wirklich starke Bilder konzentrieren. Wer die Bilder nur auf ein Speichermedium zieht und kurz sichtet, wird über kurz oder lang einerseits den Überblick darüber verlieren und andererseits auch kaum Fortschritte bezüglich der eigenen Bildsprache machen. Ein Portfolio, eine Ausstellung oder auch ein Buch mit gedruckten Bildern sind ideale Abschlusspunkte von fotografischen Projekten. Und ganz nebenbei: Drucken erzeugt im Idealfall Glückshormone und kann süchtig machen.

Text und Bilder: Markus Zuberfineartpix

Diese Folgen sind bereits erschienen:
Folge 1 – «Die digitale (R)Evolution der letzten 20 Jahre»
Folge 2 – «Aufnahme Technik Bild» 
Folge 3 – «Glas klar»
Folge 4 – «Bunt ist nicht alles»
Folge 5 – «Arbeit im Fluss – der Workflow»

Ein Kommentar zu “Das Mass aller Dinge: der Print”

  1. Danke für den Beitrag.
    Seit Jahren drucke ich hochqualitative Bilder, für Ausstellungen und spezielle Anlässe.
    Nicht nur der Rahmen auch die Papierwahl ist extrem wichtig und dem Motiv anzupassen.

    Ein tolles Papier ist nur mit dem richtigen Motiv unterstützend.

    Vor allem wenn, wie ich vielfach „Washi“ Papier welches mit seinen Fasern und seiner zarten Struktur das Bild in seiner Tiefenwirkung unterstützt.

    Rolf Künzi
    rbk-print
    http://www.rbk-print.ch

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