Urs Tillmanns, 28. August 2020, 16:00 Uhr

Die digitale (R)Evolution der letzten 20 Jahre

In der ersten Folge unserer Serie «Focus Fine Art» macht sich Markus Zuber Gedanken zur Entwicklung der fotografischen Aufnahme- und Wiedergabetechnik in den letzten 20 Jahren. Wie ist digitale (R)Evolution der Fotografie in den letzten zwei Jahrzehnten abgelaufen, und wo stehen wir heute?

Die Entwicklung der digitalen Fotografie seit Anfang dieses Jahrtausends ist mit riesigen Schritten vorwärts geprescht. Parallel zur Entwicklung in der Computerindustrie hat sich kaum eine Neuheit in der Kamerawelt über mehr als 2 Jahre an der Spitze halten können. Stets mussten Upgrades und neue Geräte her. Entsprechend hoch waren auch die Investitionen für diejenigen, die beim «Wettrüsten» mitgemacht haben. Eine Verdopplung der Megapixel zieht grössere Speichermedien und in der Regel auch einen schnelleren Rechner mit sich.

Schwarzweiss-Bild aus der Namib-Wüste, 2003 aufgenommen mit der Canon 1 Ds mit knapp 12 MP – wiederaufbereitet nach 15 Jahren mit einer neuen Version von Capture One Pro. Die Verbesserung gegenüber dem damaligen Resultat war frappant! Dank der sauberen Bildstruktur lassen sich trotz nicht allzu hoher Auflösung noch gute Prints im Bereich 90 x 60 cm realisieren.

Heute, 2020, kommen wir Corona-bedingt etwas zur Ruhe und können auf diese Zeit zurückblicken. Wir beschäftigen uns mehr mit unseren Bildern als mit neuen Kameras und Linsen. Und das ist gut so, denn nach wie vor soll in der Fotografie das fertige Bild und nicht die Technik dahinter im Vordergrund stehen.

Wir, Edy Brunner, Ferit Kuyas und Markus Zuber als Fotografen mit Grossformatfotografie- und Laborerfahrung, haben 2001 FineArtPix gegründet, mit dem Ziel die digitale Fotografie und den Printprozess vorwärts zu bringen. Entsprechend haben wir diese Entwicklung genau verfolgt und unseren Workflow stets optimiert. Es ging und geht uns noch heute darum, die Aufnahme mit einem Optimum an Technik gepaart mit sehr persönlicher Interpretation zu einem ausstellungsreifen Bild zu bringen. Unter diesem Aspekt publizieren wir hier eine Reihe von Artikeln. Sie sollen auf der Basis eigener Erfahrungen diese Entwicklung kritisch beleuchten. Zudem enthalten sie ein paar Anregungen für die Praxis, wie man mit oder trotz digitaler Technik zu einem guten Bild kommen kann.

Die Kodak DCS 100 war die erste kommerziell erhältliche digitale Spiegelreflexkamera. Sie wurde 1991 auf den Markt gebracht und knapp 1000-mal weltweit verkauft. Für die 1,3 Megapixel auf einem Sensor von 20 x 16 mm bezahlte man damals ein Vermögen.

Im Mai 2001 wurde die Kodak DCS 760 mit 6 MP und einem Preis von knapp 20’000 Schweizerfranken eingeführt. Parallel dazu startete Olympus mit erschwinglicheren Kameras mit sehr kleinen Sensoren und einer Auflösung von 1.4 MP. Ein Megapixel kostetet auch da gut 1 Kilofranken.

Die Abbildungsleistung dieser Kameras war gegenüber Scans von Filmmaterialien um Welten schlechter. Das Laden der Batterien war sehr zeitintensiv: auf Reisen musste nachts der Wecker gestellt werden, um die Batterien zu wechseln… Datenverlust auf Speicherkarten war keine Seltenheit und das Aufnahmeformat war in der Regel ein JPEG. Trotzdem ermöglichten diese Kameras mit ihren Mickey Mouse-Displays eine sofortige, annähernd aussagekräftige Beurteilung des eben gemachten Bildes. Im Herbst 2002 wurde mit der Canon 1 Ds eine mit CHF 12’000 einigermassen erschwingliche DSLR auf den Markt gebracht, die auch in der Lage war, RAW-Files zu speichern. Parallel dazu entwickelte PhaseOne mit den H-Backs digitale Rückteile für Mittelformatsysteme. Die Portabilität dieser Systeme war aber sehr begrenzt und so beschränkte man sich vorerst auf die Studiofotografie.

Mit der Einführung der kabellosen P-Backs (P25) ermöglichte PhaseOne in Kombination mit den H-Kameras von Hasselblad ein für damalige Verhältnisse hervorragendes Aufnahmesystem, das auch auf Reisen eingesetzt werden konnte. Der Kostenpunkt für ein solches System lag auch damals schon bei gut 30 Kilofranken: immerhin 25 MP im Back plus Kamerabody und ein 80 mm …

Entscheidend für die rasche weitere Entwicklung dieser digitalen Kamerasysteme war die Entwicklung von PC-tauglichen (im Sinne des Wortes: Personal Computer) RAW-Konvertern, wobei sich schon damals Phase One mit ihrer Capture-One-Lösung hervortat. In erster Linie ging es natürlich darum, die eigenen Systeme möglichst gut zu unterstützen. Capture One wurde aber schon bald auch für DSLR-Systeme geöffnet.

Die heutigen Kamerasysteme und ihre Sensoren bewältigen einen enormen Dynamikumfang, der mit entsprechender Bildbearbeitung und geeigneten Drucksystemen verlustfrei aufs Papier gebracht werden kann.

Heute sind wir bei einer maximalen Basisauflösung von 150 MP angelangt, und bald werden es noch mehr sein. Technisch ist noch viel möglich, da ein grosser Teil der Datenverarbeitung von mathematischen Tools abhängt. Je besser die gute Information von der schlechten Information getrennt werden kann, umso höher kann die Pixeldichte sein und umso stärker die ISO-Empfindlichkeit eines Sensors ausgereizt werden.

Die Landschaft der Kamerahersteller hat sich während dieser Zeit deutlich verändert. Hat man sich bis noch vor wenigen Jahren kaum getraut mit einer Sony zu posieren, hat dieser Hersteller heute eine führende Position bei den spiegellosen Systemen und beliefert einen Grossteil der Mitbewerber mit Sensoren – auch im Mittelformat-Segment.

Mit den 150 MP können wir Prints in der Grösse von 1,50 x 1,00 Meter ohne intelligente Skalierung in hervorragender Qualität erstellen. Nur exquisite Scans von 8x10inch Negativen können teilweise höhere Auflösung liefern – allerdings erst nach wesentlich aufwendigerer Vorarbeit! Parallel dazu haben viele der Dunkelkammer den Rücken gekehrt – oder gar nie begonnen, darin zu arbeiten. Die digitale Dunkelkammer bietet in angenehmem Ambiente an grossen Monitoren Möglichkeiten zur Bildbearbeitung und Optimierung von denen man vor 20 Jahren nie zu träumen gewagt hätte. Die FineArt-Prints, die aus den Grossformatdruckern von Epson und Canon herauskommen, ermöglichen fantastische Details und riesige Farbräume und dies vor allem reproduzierbar – fast auf Knopfdruck. Auch die Medienvielfalt hat exponentiell zugenommen.

 

Aber: sind dadurch Fotografien auch besser geworden?

Text und Bilder: Markus Zuber, fineartpix

Nächsten Freitagabend lesen Sie «Aufnahme Technik Bild» und wie wichtig der Sucher für die Bildkomposition ist.

 

3 Kommentare zu “Die digitale (R)Evolution der letzten 20 Jahre”

  1. Eine gute Zusammenfassung.
    Aber die Nikon mit dem riesigen Rückteil von Kodak als erste elektronische Kamera zu bezeichnen, ist weit hergeholt. Eher ist es die erste Mavica von Sony, die für Asahi Shibums Journalisten gebaut wurde. Oder der Nachfolger in Farbe, der schon 14 Bit Helligkeits- und Farbtiefe lieferte. Das waren Kameras aus einem Guss, wobei die 14 Bit heute noch Standard sind. Die grosse Dynamik erlaubt es, nachträglich Bilder auf die 8 Bit der Möglichkeite heutiger Hochglanz-Magazine zu reduzieren, ohne dass weiss überstrahlt und schwarz zuläuft.

  2. Das MegapixelRennen scheint eher vorbei zu sein. Mein Eindruck : Entwicklungen der letzten Jahre berücksichtigten wieder eher Praxisrelevanz (zB Bauformen usw). Digital ist eben auch Software, was nicht unterschätzt werden sollte

    1. @Philippe:
      Wenn ich die immer (theoretisch) lichtstärkeren Objektive mit ihrer winzigen Schärfentiefe sehe, sinkt die Praxis-Relevanz eher. Dass schon heutige Auflösungen (Megapixel) meist auf kleinen Bildschirmchen angesehen oder auf „Postkarten“ ausgedruckt werden, ist auch nicht sinnvoll. Auch in der Hochglanz-Presse reichen sogar für eine Doppelseite 10 Megapixel.
      Nachdem der Pixel-Wahn bei sogen. Smartphones schon die 100 MP überschritten hat (ohne dass sowas nutzbar ist) fürchte ich, dass in einem Jahrzehnt nur noch wenige Journalisten richtige Kameras bedienen können….

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