Urs Tillmanns, 11. September 2019, 16:30 Uhr

Robert Frank lebt in seinen Bildern weiter

Robert Frank gehört zu den grossen Schweizer Fotografen, obwohl er den grössten Teil seines Lebens in Amerika verbracht hatte und dort für seine sozialkritischen und dokumentarischen Fotobücher und Filme berühmt wurde. So hat er mit seinem Buch «The Americans» den Amerikanern ihr Land auf eine neue, kritische Weise gezeigt, nachdem er zuvor bereits mit Bildern in den grossen amerikanischen Magazinen Harper’s Bazaar, Fortune, Life oder der New York Times auf sich aufmerksam machte. Robert Frank hatte seine eigene Sprache, hart, unbeschönigt und realistisch …

Robert Frank wurde am 9. November 1924 als Sohn des Innenarchitekten Hermann Frank aus Frankfurt und der Schweizerin Rosa Zucker aus Basel in Zürich geboren. Auf Grund seiner jüdischen Herkunft wurde sein Vater staatenlos und beantragte für seine Söhne die Schweizer Staatsbürgerschaft. Robert Frank besuchte die Schulen in Zürich und verbrachte sein Welschlandjahr in Payerne. Danach folgte von Januar 1941 bis März 1942 ein Volontariat beim Fotografen und Grafiker Hermann Segesser in Zürich, um danach eine Fotografenlehre bei Michael Wolgensinger in Zürich zu absolvieren. Von Dezember 1944 bis Juni 1945 war Robert Frank als Assistent bei Victor Bouverat in Genf tätig. Danach nahm er verschiedene Tätigkeiten an, unter anderem arbeitete er als Standfotograf bei Filmproduktionen und war für das Atelier Eidenbenz in Basel tätig.

1947 reiste Robert Frank nach New York und präsentierte dort seine Arbeitsmappe Alexei Brodowitsch, dem künstlerischen Leiter von Harper’s Bazaar, der ihn förderte und als Assistenzfotografen einstellte. Dies öffnete ihm nach seinen Reisen nach Peru und Bolivien die Türen, um als freier Fotograf für Harper’s Bazaar, Fortune, Esquire, Life, Glamour, Look, Charm, McCall’s und The New York Times arbeiten zu können. Weitere Reisen führten ihn von 1948 bis 1954 nach Spanien, Italien, Südfrankreich, England und Wales, wo er die Fotografen und Bildjournalisten Elliott Erwitt, Walker Evans und Edward Steichen traf. Mit Edward Steichen vom Museum of Modern Art in New York arbeitete er für die Ausstellung «Post-War European Photography» (1953) und für die weltweit gezeigte Wanderausstellung «The Family of Man» (1955).

1955 erhielt Robert Frank als erster europäischer Fotograf das Guggenheim-Stipendium, welches ihn anspornte eine grosse Bildreportage über die Vereinigten Staaten zu realisieren. Die dabei entstandenen mehr als 20’000 Bilder waren die Grundlage für sein erstes und bekanntestes Buch «The Americans» (1956), das von Robert Delpire in Paris herausgegeben wurde, weil sich kein amerikanischer Verlag für dieses gesellschaftskritische Buch engagieren wollte. Der Schriftsteller Jack Kerouac, der das Vorwort zu «The Americans» schrieb, und dessen Freund Allen Ginsberg regten ihn an, sich auch für das bewegte Bild zu interessieren, was 1959 zu seinem ersten Film «Pull My Daisy» führte, welcher auf Kerouacs Theaterstück «The Beat Generation» basierte. Danach produzierte Frank auf eigene Rechnung mehr als 30 Filme und widmete sich auch später neben der Fotografie stark dem Film. 1972 drehte er für die Rolling Stones den Dokumentarfilm «Cocksucker Blues», der jedoch wegen des «unbarmherzigen Realismus» nur in geschlossenen Kreisen gezeigt wurde. 1963 wurde Robert Frank die amerikanische Staatsbürgerschaft zugesprochen.

Robert Frank war zweimal verheiratet: In erster Ehe von 1950 bis 1969 mit der Malerin und Tänzerin Mary Lockspeiser, mit der er zwei Kinder hatte. Beide verstarben früh, Andrea 1974 im Alter von 20 Jahren bei einem Flugzeugabsturz in Guatemala und Pablo, der an Schizophrenie und Krebs litt, beging 1994 Suizid. 1975 heiratete Robert Frank die Bildhauerin June Leaf, mit welcher er seit 1971 in Mabou in der kanadischen Provinz Nova Scotia und in New York lebte. Mit der 1995 gegründeten «Andrea Frank Foundation» förderte Robert Frank junge und mittellose Künstler.

Robert Frank produzierte über 25 Bildbände, zahlreiche Filme und zeigte seine Werke an über 100 Einzel- und Gruppenausstellungen. Er wurde vielfach ausgezeichnet, u. a. mit folgenden Awards: Dr.-Erich-Salomon-Preis der Deutschen Gesellschaft für Photographie (1985); Peer Award for Distinguished Career in Photography, The Friends of Photography, San Francisco (1987); : Hasselblad Foundation Award (1996); Cornell Capa Award, International Center of Photography ICP (1999); Grosser Designpreis der Schweizerischen Eidgenossenschaft für Fotografie (2009); Swiss Press Photo Lifetime Achievement Award (2012); Sonderpreis zum Roswitha Haftmann-Preis (2014); Mitglied der American Academy of Arts and Letters (2016).

«Viele Photographen scheinen zu vergessen, dass sie Augen haben. Mit dem kleinen Apparat in der Hand warten sie auf das, was man ‘den entscheidenden Augenblick’ nennt. Aber man fotografiert nicht, weil man eine Kamera besitzt, sondern man fotografiert, weil man Augen hat und etwas sagen möchte.» Robert Frank

Foto: Doris Quarella, Robert Frank, Zürich, 1977 © Doris Quarella
Mit freundlicher Genehmigung der Fotostiftung Schweiz, Winterthur

 

3 Kommentare zu “Robert Frank lebt in seinen Bildern weiter”

  1. Guter Nachruf und tolles Bild von RF. Angeblich soll bei der Fotosession Robert Frank gesagt haben: „Doris, ich geb dir fünf Minuten“ (für das Porträt). So jedenfalls las ich es in einer älteren Ausgabe der Zeitschrift Photographie.

  2. Aus dem Anlass zeigt das Schweizer Fernsehen eine Dokumentation: heute Sonntag 12-13Uhr auf SRF 1 und vermutlich nochmals spät abends sowie – wie alle Beiträge der «Sternstunde Kunst» – mehrmals bis kommenden Samstag auf SRF 1, SRF 2 und/oder SRF info.
    Der Dokumentarfilm ist auch online abrufbar (für einen beschränkten Zeitraum von total 30 Tagen): https://www.srf.ch/play/tv
    oder direkt in der Liste der aktuell online verfügbaren Sendungen der «Sternstunde Kunst»
    https://www.srf.ch/play/tv/sendung/sternstunde-kunst?id=235299d3-7740-4d19-b44f-6af37eadb0cd

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