Urs Tillmanns, 1. September 2019, 11:46 Uhr

Die Edeldrucke von Domenic Mischol

Als Kleinod der «Linsenshow», die noch bis Ende September im Prättigau und in der Region Davos zu sehen ist (Fotointern berichtete), werden sechs Edeldrucke von Domenic Mischol präsentiert, die Leihgaben der Schweizer Fotostiftung in Winterthur sind.

 

 

 Im Kulturhaus Rosengarten in Grüsch werden sechs Bromöldrucke und ein Silbergelatineprint von Domenic Mischol gezeigt. (Foto: Urs Tillmanns)

Es sind prachtvolle, gemäldeähnliche Fotografien, Landschaftsbilder, die wahrscheinlich in den Jahren 1910 bis 1920 entstanden sind. Das war eine Zeit, in der die Fotografen ihren Bilder mit verschiedensten Techniken ein neues Aussehen verpassten. Sie sollten nicht einfach wie Fotografien wirken, sondern gemäldeähnlich ausstehen, fast unikaten Charakter haben, und mit Hilfe organischen Substanzen unvergänglich sein – anders als die üblichen Bromsilber-Gelatineabzüge, deren Bild sich, vor allem bei unsorgfältiger Verarbeitung, allmählich zersetzten konnte.

 

Die Suche nach Verfahren, mit denen unvergängliche Bilder geschaffen werden konnten, begann in der Epoche der Kunstfotografie, die von etwa 1895 bis 1920 ihre Blütezeit hatte. Mit dem Bemühen, mit neuen Techniken malereiähnliche Effekte zu erzielen, waren alle jene Lichtbildner beschäftigt, die ihre Fotografie nicht nur zum Broterwerb nutzten, sondern die mit ihren kreativen Werken an internationalen Wettbewerben teilnehmen und dafür möglichst eine Medaille oder mindestens eine Erwähnung erzielen wollten. Die berühmtesten Namen jener Zeit waren Heinrich Kühn, Hans Watzek, Alfred Lichtwark, James Craig, Alvin Langdon Coburn, Robert Démachy, Hugo Erfurt und viele andere, die zum Teil Initianten internationaler Ausstellungen und Preisverleihungen waren und viel zu einer Neuorientierung der kreativen Fotografie beitrugen.

 

Domenic Mischol – ein Autodidakt

Domenic Mischol war in jener Zeit der wohl bekannteste Fotograf im Prättigau, hat er sich doch mit seinen Bildmappen und Postkarten weitherum einen Namen gemacht. Als ehrgeiziger Fotokünstler hat er sich auch mit den Edeldruck-Verfahren befasst und mit seinen Werken regelmässig an internationalen Wettbewerben teilgenommen, wo seine Bilder oft Auszeichnungen erhielten.

 

Domenic Mischol hat seine fotografischen Fähigkeiten einerseits und vor allem im Selbststudium erlernt, anderseits aber auch unter Anleitung oder auf Initiative von Christan Meisser (1863 – 1929) aus Schuders, der als Fotopionier des Prättigau gilt und zunächst in Chur und später in Zürich einen bekannten Postkartenverlag führte. Mischol arbeitete mit einer einfachen Balgenkamera und fotografierte auf seinen Wanderungen im Prättigau und Umgebung vorwiegend Landschaften, die Bergwelt und das Dorfgeschehen. Um seine Platten zu entwickeln und Abzüge zu erstellen, durfte er die alte Küche des Pfarrhauses in Schiers benutzen.

 

Domenic Mischol wurde am 28. August 1873 in Vulpera GR geboren. Er verbrachte seine Jugendjahre auf dem Bernina-Pass, wo seine Eltern das Hospiz führten. Die Primarschule besuchte er zunächst in Poschiavo, danach in Celerina, wo er bei einer Grosstante lebte. Seinem Ziel, Lehrer zu werden, verfolgte er am Gymnasium in Chur und danach an der Evangelischen Lehranstalt Schiers. In seinen Wanderjahren war er zwei Jahre lang zuerst in Payerne und danach in Bukarest tätig, bis er sich um 1898 als Turn- und Französichlehrer in Schiers niederliess. Hier lernte er seine Frau, Lina Fanny Schäppi, kennen, mit welcher er drei Kindern grosszog.

 

Neben seinem Lehramt faszinierte ihn die Fotografie immer mehr. Er fotografierte vor allem die landschaftlichen Schönheiten des Prättigaus und der umliegenden Bergwelt und begann Ansichtskarten und Panoramen zu produzieren, die sich bei den Touristen sehr gut verkaufen liessen. Als einziger Fotograf im Prättigau fanden auch viele Leute den Weg zu ihm, um sich porträtieren zu lassen. Die Fotografie wurde schliesslich sein Haupterwerb, und mit seinem Namen als Fotograf erhielt er auch immer häufiger Aufträge, um Werbebroschüren für Kurorte zu illustrieren.

 

Dem damaligen Trend entsprechend befasste er sich auch mit den Edeldrucktechniken, insbesondere mit dem Bromöldruck, mit dem auch die sechs Bilder entstanden sind, die im Kulturhaus Rosengarten in Grüsch zu sehen sind. Mit seinem grossen technischen Wissen und seinen anerkannten künstlerischen Leistungen wurde er 1912 Redaktor der Zeitschrift des Amateurfotografen-Verbandes «Schweizerische Photographische Blätter». Er verstarb am 13. Juli 1934 in Schiers. Sechs Jahre nach seinem Tod eröffnete sein Sohn Paul (1904 – 1955) ein Fotogeschäft in Schiers, und führte zusammen mit seiner Frau Martha geb. Schulthess den Postkartenverlag bis 1955 weiter.

 

Domenic Mischol verdiente er seinen Lebensunterhalt mit solchen Postkartenserien und Bildermappen und war im Prättigau ein angesehener Porträtfotograf 

 

Die Technik des Bromöldrucks

Das Ausgangsmaterial für einen Bromöldruck war eine Vergrösserung auf Bromsilberpapier mit glatter Oberfläche, die kaum gehärtet und gut quellfähig war. Solche Papiere blieben bis zum zweiten Weltkrieg handelsüblich. Das gewaschene Bild wurde mit einer Kaliumbichromatlösung behandelt, womit die Gelatine proportional der vorhandenen Silbermenge unlöslich und gehärtet wurde. Danach löste man das unzersetzte Bromsilber und das metallische Silber mit einem Gemisch von Fixiernatron und Ferrizyankalium aus der Schicht, so dass ein Bild von unlöslicher Gelatine zurückblieb, an welchem fetthaltige Ölfarben hafteten, die man mit einem Pinsel oder Samtwalze behutsam auftrug. Legte man einen frischen Bromöldruck auf ein schwach geleimtes Übertragungspapier (damals waren hierfür teure Kupferdruckpapiere üblich) und liess beide Papiere durch eine Presse, so entstand ein seitenverkehrter Bromölumdruck. Bromöldrucke und Bromölumdrucke, die es auch verschiedenfarbig gab, waren noch in den zwanziger und den dreissiger Jahren sowohl in der Amateurfotografie als auch beim industriellen Rotationsdruck weit verbreitet. Bromölumdrucke enthielten zudem keine Gelatine, die unter gewissen Umständen von Bakterienfrass befallen werden oder deren Silberbild sich auf Grund unsorgfältiger Verarbeitung allmählich zersetzten konnte. Solche Drucke konnte man bedenkenlos als «unbeschränkt haltbar» bezeichnen.

 

Erinnerung an Martha Mischol

Köbi Gantenbein, der im Prättigau aufwuchs und heute Verleger der Zeitschrift «Hochparterre» ist, erinnert sich gut an Marta Mischol, wie er im Katalog der «Linsenshow»* ausführt:

«Frau Mischol führte einen Laden am Hauptplatz von Schiers, zwei Schaufenster und in der Mitte eine Türe. Trat ich als Bub ein, klingelte ein Glöcklein. Frau Mischol kam herbei und ich stand mit ihr in ihrem Bilderladen: Postkarten, Panoramen, Bücher und Fotoapparate. Ihr Schwiegervater Domenic war in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts ins vordere Prättigau gekommen. Als Lehrer an die EMS nach Schiers. Er traf dort Christan Meisser aus Schuders, den Fotopionier des Prättigaus und wurde selber einer. Sein Sohn Paul wurde auch Fotograf und Postkartenverleger. Er starb bevor ich bilderneugierig wurde. So war seine Frau die erste Meisterin der Fotografie, die ich kennen gelernt habe, wenn ich bei meiner Grossmutter zu Besuch war. Als Frau Mischol alt wurde, schloss sie den Laden zu. Ihr Haus gibt es nicht mehr … »

Text: Urs Tillmanns

Bilder:
Edeldrucke:
Leihgaben der Schweizer Fotostiftung in Winterthur
Postkarten und Bildermappe: Privatbesitz

Quellen:
• Biografie Domenic Mischol bei foto-ch.ch
* aus Artikel im Katalog der «Linsenschau» von Köbi Gantenbein, Hochparterre.
•  Urs Tillmanns, «Geschichte der Photographie», 1981, Verlag Huber Frauenfeld

Lesen Sie auch:
«Linsenshow19 – das Prättigau im Bilderrausch», Fotointern Top Story vom 28. Juli 2019

 

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Ein Kommentar zu “Die Edeldrucke von Domenic Mischol”

  1. Welch wunderschönes Bild vom hochalpinen Pöstler und seinem Saumpferd. Ein Zeitdokument vom «Service public»
    ohne Lieferroboter und Drohnentransport. Ein bischen Hafer und ein Caféfertig und weiter geht’s durch den Schnee. Ganz analog.

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