Markus Eichenberger ist verärgert. Den ganzen Mai hindurch hat er seinen über 50 Interessenten für den Sternenfotografie-Workshop auf dem Schilthorn absagen müssen, weil ihm die Natur einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Im wahrsten Sinn des Wortes. «Für die Sternenfotografie müssen meteorologisch zwei Bedingungen erfüllt sein: Erstens muss Neumond sein, damit ein genügend hoher Kontrast am Firmament vorherrscht, zweitens muss es wolkenlos sein, damit man das gesamte Himmelszelt sieht» erklärt Markus. «Und im Mai hat sich dies nie ergeben, und ich musste den Teilnehmer an sämtlichen vorgesehenen Daten absagen.»
«Eine prachtvolle Stimmung rund ums Matterhorn mit einem fantastischen Sternenhimmel. Ein besonderer Glücksfall ist es auf einer solchen Aufnahme gleich noch einige Sternschnuppen zu erwischen.»
Markus Eichenberger ist mit seiner Sternenfotografie berühmt geworden, und sein Dokumentarfilm «Chasing Stars» hat ihm eine ganze Reihe von Anerkennungspreisen und Trophäen eingebracht. «Die Sternenfotografie habe ich in den letzten Jahren sehr intensiv betrieben. Die Sterne faszinieren mich immer noch ungemein und wenn ich kann, würde ich diese noch 40 Jahre bestaunen und fotografieren. Mein verrücktes Ziel: Ich möchte einem Prozent der Schweizer Bevölkerung (ca. 80’000 Menschen) die Sterne näherbringen, denn das Firmament ist die beste Meditation und die Leute würden für 24 Stunden den Alltagsstress vergessen und ihre Probleme hinter sich lassen.»
«Nachtpanorama des Schilthorns mit der Milchstrasse. Die Nacht hier zu verbringen, in totaler Abgeschiedenheit und Ruhe, ist ein einmaliges und unvergessliches Erlebnis.»
Dennoch, seine Workshops in der Aletsch-Arena (auf dem Bettmer- oder auf dem Eggishorn) oder auf dem Schilthorn, sind ein einmaliges Erlebnis. Man geniesst auf knappen 3000 Metern einen traumhaften Sonnenuntergang und ist dann die ganze Nacht über damit beschäftigt, die prachtvollen Nachtstimmungen zu fotografieren und diese in totaler Abgeschiedenheit zu erleben – eine Nacht, die man nie vergessen wird. Erfolgsbilder garantiert, denn Markus nimmt sich für jeden Teilnehmer Zeit, erklärt ihm, welche Einstellungen nun wichtig sind und vermittelt viele bewährte Tricks, an die man oft in ähnlichen Situationen zurückdenkt. Und am Morgen weckt einem die aufgehende Sonne, die allmählich die Landschaft wieder mit Tageslicht übertüncht, bevor dann die Touristen kommen. Das alles – wenn das Wetter gut ist …
«Ich habe drei Jahre in Beijing gelebt und in dieser Zeit häufig an den Wochenenden viele Kilometer durch die Stadt zurückgelegt und alles fotografiert, was mir über den Weg ‚lief‘. Dies ist eine Aufnahme des ‚National Center for the Performing Arts‘. Das Faszinierende ist, dass der Eingang zum Gebäude unterirdisch ist und alles von Wasser umgeben wird. Das führt zu tollen Spiegelungen.»
Aber Markus Eichenberger fotografiert nicht nur den Sternenhimmel. Der ehemalige Finanzapplikations-Spezialist hat als Senior Consultant bei Thomson Reuters die weltgrössten Banken beraten und irgendwann beschlossen dem Finanzwesen den Rücken zu drehen und das Hobby zu seinem Beruf zu machen. «Dabei habe ich nie einen Fotokurs besucht» meint er schmunzelnd. «Die Praxis hat mir gezeigt, worauf es ankommt, und wie Fotos besser werden. Und eine ständige Selbstkritik, das Nie-ganz-zufrieden-sein – immer noch ein bisschen mehr wollen …»
«Meine chinesischen Freunde aus Beijing haben mich angefragt, ob ich nicht im Studio ein paar Aufnahmen für sie machen könnte. Sie haben extra Mao Kleider ihrer Grosseltern mitgebracht um ein paar typische Szenen nachzustellen. Es war sehr lustig und interessant.»
Zur Fotografie haben ihn seine Reisen gebracht. Der Finanzler war 17 Jahre lang in vielen Ländern unterwegs und hat in London, Dubai, Hong Kong, Peking, Südkorea, Taiwan und Singapur vor allem Business-Analysen und Implementationsprojekte für Finanzapplikationen im Bereich Risk Management verfasst. «Das Gute an dieser Zeit war, dass ich die verschiedensten Kulturen erlebt und erfahren habe, wie unterschiedlich Menschen denken und handeln – was ihnen wichtig ist und welche Prioritäten sie im Leben setzen. Die Zeit, die ich in diesen Ländern verbracht habe, und die Freude, Erlebtes mit der Kamera festzuhalten, hat mir ein neues Lebensziel vorgegeben: fotografieren und reisen.»
«Während wir am Mittagessen waren, sah ich diesen Mönch aus Bhutan, welcher sich zurückzog und die Leute beobachtete. Auch hier hat der Fortschritt nicht halt gemacht und man kann gut seine Uhr und in der Hand das Handy erkennen.»
Allerdings hat es dazu auch einen Auslöser gegeben. 2008 vermittelte ihm seine damalige Freundin, die bei der Getty Images China arbeitete, den Auftrag, die mehr als 30 Stadien für die Olympischen Sommerspiele in Peking zu fotografieren. Sein erster grosser Auftrag, mit dem er es mit einer mehrseitigen Reportage in die chinesische «Sports Illustrated» schaffte. Zudem wurden die Bilder weltweit über Getty Images vertrieben. Ein Karrieresprung? «Nicht wirklich» meint Markus bescheiden. «China ist weit weg, und die Sommerspiele 2008 sind längst verklungen. Aber das intensive Fotografieren war eine wichtige Erfahrung, und die Tatsache, dass es diese Bilder in eine der auflagestärksten Sportzeitschriften geschafft haben, hat mich bestärkt, mich endgültig aus der Finanzwelt zu verabschieden und mich vollends dem Reisen und Fotografieren zuzuwenden.»
«Die Iguazu Wasserfälle in Argentinien sind sehr spektakulär und man findet immer einen Regenbogen, welcher mit der richtigen Sonneneinstrahlung einen fast 360 Grad Bogen ergeben.»
Markus Eichenberger hat über 80 Länder bereist, hat in der Arktis Eisbären und in der Antarktis Pinguine und Naturphänomene fotografiert und seine Bilder Agenturen und Magazinen angeboten. Lange Zeit lebte er in Barcelona, «weil mich diese Stadt fasziniert und das Leben in Spanien billiger ist als in der Schweiz. So blieb mehr Geld zum Reisen …»
«’Best friends forever‘ Peruanische Schulkinder, welche auf dem Altiplano auf über 3500m über mehr leben. Die Luft ist dünn und man bekommt schnell Kopfweh. Sie scheinen das aber ganz locker zu nehmen.»
Trotzdem zieht es ihn immer wieder in die Schweiz zurück. «Wir sind uns gar nicht bewusst, in welchem Paradies wir leben, nicht nur, weil hier alles funktioniert und weil alles verlässlich ist, sondern vor allem, weil wir innerhalb von zwei Stunden auf über 2000 Metern auf einem Gipfel stehen können und das von fast überall in der Schweiz. Das nationale Streckennetz ist einmalig auf der Welt und ich bin ein grosser Fan der SBB».
«Jump! Das ist eines meiner Lieblingsfotos. Es ist eine ‚Single Shooting‘ Aufnahme. Der Zeitpunkt war perfekt und man sieht schön, wie sich Eisteile unter den Füssen des Adelie Pinguins loslösen. Die Aufnahme entstand aus einem Zodiak Gummiboot heraus mit einem Teleobjektiv und einer Distanz von ca. 20 Metern.»
Die Schweiz hat ihn also wieder zurückgeholt, und seit letztem Jahr ist Markus Eichenberger Keystone Partner Fotograf, der grössten Bildagentur der Schweiz, dann mit einigen Reiseunternehmen für Fotoreisen zusammen und, um noch die Nachtstunden dazu zu nehmen, bietet er seine Workshops an – zum Beispiel in der Aletsch Arena oder auf dem Schilthorn.
«Das ist das Segelschiff ‚Noorderlicht‘ mit welchem ich eine Woche lang eine Reise durch die Lofoten für eine Reiseunternehmung dokumentiert habe. Mit nur 20 Passagieren, Segel selber hissen und nach Nordlichter Ausschau halten, war es ein tolles Erlebnis. Im Hintergrund sieht man schwach die Nordlichter.»
Ob er an seine Zeit als Finänzler zurückdenkt? «Sicher! Es war eine spannende, interessante und lehrreiche Zeit, die mir einen wertvollen Einblick in Bereiche gegeben hat, die einem normalerweise nicht zugänglich sind. Und ich habe viele Probleme erkannt, die ich mit interessanten Menschen diskutieren und lösen konnte. Aber es war auch eine extrem hektische Zeit, die einem kaum Zeit gelassen hat für Hobbies, für Privates, geschweige denn für eine Familie. Ich hatte Kollegen, welche aus Stress mit 35 an Herzinfarkten oder an Krebs gestorben sind. Das hat mich geprägt und mir auch die Augen geöffnet!» Umso mehr geniesse ich, was ich heute tue. Mein Ziel ist es als Fotograf und Reiseleiter den Leuten die Schönheit unseres Planeten zu zeigen, in fremde Kulturen einzutauchen, den Alltag vergessen zu können und schöne Erinnerungen mit nach Hause zu nehmen.
«Venedig: Es ist eines meiner frühesten Bilder, welches ich mit meiner ersten Digitalkamera, einer Canon 10D, gemacht habe. Mich hat das Spiel zwischen den Silhouetten im Hintergrund mit den typischen Laternen fasziniert.»
Was die Zukunft weiter bringt? Markus hat viele Reisepläne. Sicher will er nochmals in die Antarktis zu den Pinguinen, und die besonderen Lichtstimmungen von Spitzbergen reizen ihn. Und dann gibt es noch ein paar weisse Flecken auf seiner Erlebniskarte, die er auch noch bereisen möchte. Die Zukunft steht eben– gerade bei Markus Eichenberger – noch in den Sternen …
Sämtliche Fotos: Markus Eichenberger
Interview: Urs Tillmanns
Weitere Informationen finden Sie auf
• der Webseite von Markus Eichenberger
• im Chasing Stars Club (Exkursionsprogramm)