Die Bieler Fototage gehören zu den wichtigsten Ereignissen der Schweizer Fotokulturszene. Sie findet dieses Jahr zum 22ten Mal statt und präsentieren sich unter der Leitung der neuen Direktorin Sarah Girard mit vielfältigen Synergien.
Die Bieler Fototage zeichnen sich nicht durch die insgesamt 26 Ausstellungen an sechs verschiedenen Lokalitäten in der Stadt Biel aus, sondern auch durch ein reichhaltiges Vortrags- und Eventprogramm, welches rund um das diesjährige Thema «Glück» konzipiert wurde. So bilden die originellen Ausstellungen und die spannenden Referate eine gelungene Einheit.
Das Photoforum Pasquart ist Hauptveranstalter der Bieler Fototage
«Glück» – das Thema 2018
Die 22. Ausgabe der Bieler Fototage hinterfragt den Begriff «Glück». Ob das Glück nun real, herbeifantasiert oder schlicht illusorisch sei, die ausgestellten Bilder legen Zeugnis ab von den verschiedenen Formen, welche die persönliche oder kollektive, manchmal paradoxe Jagd nach ihm und dessen Konstruktion annehmen kann. Die emotionale Bindung, die Gemeinschaft und das Kollektiv sind Quellen des Glücks für das sozial veranlagte Tier, das der Mensch ist. Welches politische oder soziale System führt eine Bevölkerung am ehesten zum Glück? Und zu welchem Preis setzt sich dieses System durch? Wo ist Glück anzusiedeln: in den wirtschaftlich erfolgreichsten Regionen, auf dem Mars oder im Jenseits? Sind am Ende unsere Avatars glücklicher als wir selbst?
Ein Rundgang durch die Ausstellungen
Die Zahl in [rechteckigen Klammern] bezeichnet den Ausstellungsort (siehe Plan am Schluss des Artikels)
Thomas Brasey (CH): «Libre» 2012 – [2]
In den 1960er- und 1970er-Jahren erlitt die Schweiz mehrere «terroristische» Angriffe der separatistischen Gruppe Béliers, die mit fragwürdigen Aktionen für den Kanton Jura kämpfte. Tomas Brasey erforscht mit seiner Arbeit das fast kriegerische Territorium des Juras auf der Suche nach den Spuren dieses Kampfes und folgt einigen der Aktionen des Béliers.
Nicolas Delaroche (CH): «First Seen» 2017 [1]
Nachdem Nicolas Delaroche zeitgenössische Privatkunstsammlungen in Europa fotografiert hatte, widmete er sich China, dem wichtigsten Kunstmarkt der Welt. First Seen ist ein Rundgang durch 30 Privatkunstsammlungen in China und Hongkong. Alle Aufnahmen entstanden unter der Prämisse, einen Dialog mit den Kunstwerken und deren Umgebung aufzunehmen.
David Denil (BE): «Let Us Not Fall Asleep While Walking» 2017 [3]
Im Jahr 2014 führte die ukrainische Revolution zur Annexion der Krim durch Russland und zum immer noch anhaltenden Krieg im Donbas. Let Us Not Fall Asleep While Walking beschreibt den psychologischen Zustand eines Landes, das versucht, seine Zukunft aufzubauen, während es durch seine Vergangenheit und sein kollektives Gedächtnis belastet bleibt.
Constant Dullaart (NL): «High Retention, Slow Delivery» 2014 [1]
Likes, Retweets, Followers und Friends bauen ein Wertesystem auf, das auf Popularität basiert. Constant Dullaart hatte festgestellt, dass viele Profile aus zufälligen Fotos und Namen von Personen von Maschinen erstellt werden. Er kaufte solche gefälschte Instagram-Follower-Profile und verschiedene Personen, so dass es unmöglich war zu erkennen, wer beliebter ist als die anderen.
Jörg Gläscher (DE): «Lutherland» 2016 [2]
1517 erschütterte Martin Luther mit seinen 95 Thesen die Macht der katholischen Kirche. Auf seiner Suche nach der Präsenz des Protestantismus ist Jörg Gläscher Menschen und Landschaften begegnet, in denen die Ideen Luthers lebendig geblieben sind. Das Fotoprojekt lädt ein zum Nachdenken über die religiösen Wurzeln zentraler Werte, auf denen der Zusammenhalt unserer Gesellschaft beruht.
Julien Heimann (CH): «In-between» 2018 [5]
Zwischen Schule und Familie befindet sich immer der Schüler. Diese systembedingte Beziehung kann reich und einfach, aber auch angespannt und komplex sein. Es erfordert viel Energie und Aufmerksamkeit, um einen Dialog zu fördern, der dazu beiträgt, Missverständnisse abzubauen. Julien Heimann will in seiner Porträtserie die Beziehung Familie und Schule durch die Schüler erforschen und fotografisch darstellen.
Cassandra Klos (USA): «Mars on Earth» 2015 [2]
Mit Prototypen von Raumanzügen und Diäten, die ausschliesslich auf gefriergetrockneten Lebensmitteln basieren, verbringen Menschen von der ganzen Welt Wochen bis Monate ihres Lebens damit, die Marsumgebung zu simulieren, um sich auf den Tag vorzubereiten, an dem sie die Erde verlassen müssen. Diese Pioniere haben den Wunsch, an der Erforschung des Weltraums teilzunehmen.
Jaromir Kreiliger (CH): «Amicezia» 2016 [2]
Das Langzeitprojekt Amicezia erzählt von Jaromir Kreiliger geografischen und künstlerischen Herkunft. Die Bilder spiegeln sein unmittelbares Umfeld sowie sein Seeleninterieur. Eine Synthese von gesehenen und gefühlten Momenten bildet ein Werk, welches über diese Orte zu sprechen vermag. Das Wort Amicezia stammt aus dem Rätoromanischen und bedeutet Freundschaft und Liebe.
Thomas Kuijpers (NL): «De Eerste Maandag Van de Maand» 2015 [3]
Seit dem Kalten Krieg ertönt in Holland jeden ersten Montag des Monats («eerste maandag van de maand») ein Alarm, der die Bewohner vor sich nähernden Gefahren warnen soll. Der Alarm dauert genau 1 Minute und 26 Sekunden. Thomas Kuijpers zeigt in seinem Video die Absurdität der Beziehung zwischen diesem Alarm und der friedlichen Umgebung, in der er ertönt.
Elisa Larvego (CH): Enquête photographique genevoise» 2016 [4]
Elisa Larvego, Gewinnerin der ersten Genfer Fotostudie 2016, realisierte eine Fotoreportage über die Sportwelt in Genf aus gesellschaftlicher Sicht. Die Fotografin stellt etwa zwanzig Sportdisziplinen vor und präsentiert ein Mosaik von Porträts junger Sportlerinnen und Sportler, die selbstbewusst ein beredtes Zeugnis aktueller Sportpraktiken bei Jugendlichen ablegen.
Calypso Mahieu (CH): «Je vivrai pour toi» 2017 [3]
Studien zufolge wird Facebook bis 2065 zu einem digitalen Friedhof mit mehr Toten als Lebenden geworden sein. Je vivrai pour toi erforscht diese Geisterprofile von vermissten Personen, die weiterhin tagged, poked und notified werden. Das Netz als Allegorie des Jenseits kann weder berührt noch materialisiert werden. Es ist ein unbegrenzter Raum, der jeden unsterblich macht.
Tymon Markowski (PL): «Flow» 2016 [2]
Seit seiner Kindheit lebt Tymon Markowski in Bydgoszcz, wo der Fluss Brda endet. Um seine nähere Umgebung besser kennenzulernen, erkundete er während eines Jahres die Orte an den Ufern des Flusses und suchte nach überraschenden Momenten. Die Reise nahm eine skurrile Wendung, als er in nur 106 Kilometer Luftlinie ein zweites Dorf namens Bydgoszcz an der Quelle des Flusses entdeckte.
Sandra Mehl (FR): «Ilona et Maddelena» 2016 [1]
Sandra Mehl traf Ilona und Maddelena 2015 in einem Arbeiterviertel von Montpellier. Im Alter von 12 und 11 Jahren leben sie in der kleinen Familienwohnung, die sie mit ihren Eltern, einem Patenonkel, Hunden, Katzen und einer Vielzahl von Objekten. Die Fotografin fotografierte während zwei Jahren, wie sie sich in ihrem Alltag während ihrer Adoleszenz wandeln.
Lana Mesi (HR): «Anatomy of Forgiveness» 2014 [1]
Zwanzig Jahre nach dem Völkermord in Ruanda leben die Täter und ihre Opfer wieder in relativem Frieden. Im Rahmen ihres Projektes ging Lana Mesi auf Paare zu und bat sie, die Momente der Vergebung nachzubilden. Überlebender und Angreifer stehen von Angesicht zu Angesicht. Inwieweit haben sie verziehen? Wie viel haben sie sich selbst vergeben? Lana Mesi untersucht die vielfältigen Gesichter der Vergebung.
Lucy Ridgard (UK): «A Secret Utopia» 2017 [2]
Versteckt an der englischen Küste, ein magischer Ort: Weisses Gold, vom Wind verwischt, am Himmel verglühen Sternschnuppen. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es ein Refugium für Mütter und deren Kleinkinder, dann ein Hippielager und schliesslich kamen die Ravers. Seit 20 Jahren kommen sie nun jedes Jahr mit ihren Kindern, um sich während langer Sommerwochen in Trance zu tanzen und Spiritualität zu erleben.
Stephanie Schroeder (DE): «40 h, max. 2 Monate» (in Arbeit) [1]
Um die Entwicklung ihrer Selbständigkeit als Künstlerin zu beschleunigen und ihr Leben mit Hartz4 abzuschliessen, wurde sie zur Teilnahme an einer Unternehmensoptimierungs- Massnahme ermutigt. Sie setzte ihre «Arbeit an der künstlerischen Unternehmerpersönlichkeit» in ein Skript um, in dem ihre Rollen als Künstlerin, Unternehmerin und Hartz4-Empfängerin aufeinandertreffen.
Ekaterina Sevrouk (RU): «Fremd bin ich eingezogen» 2017 [2]
Für dieses Projekt fotografierte Ekaterina Sevrouk männliche Flüchtlinge aus Afrika in natürlichen Umgebungen und alpinen Regionen Österreichs. Der Titel greift Franz Schuberts romantischen Liederzyklus Winterreise auf, in dem die leidenschaftliche Reise eines Wanderers zwischen überschwänglicher Freude und hoffnungsloser Verzweiflung zum Ausdruck kommt, wie in Sevrouks Bildern.
Nikita Teryoshin (RU): «Nothing Personal» (2016–2017, in Arbeit) [2]
Nothing Personal ist ein laufendes Projekt über das Kriegsgeschäft, welches ein riesiger Spielplatz für Erwachsene ist, auf dem ihnen Wein, Fingerfood und funkelnde Waffen angeboten werden. Die Bilder wurden in Kielce (Polen), Minsk (Weissrussland) und Seoul (Südkorea) zwischen 2016 und 2017 aufgenommen.
Dominique Wyss (CH): «Observing the Unknown» 2016 [1]
Observing the Unknown ist ein Projekt über den Mangel an Information in einer Welt voller Bilder und Daten. Auf einer Insel im Indischen Ozean lebt ein indigener Stamm ohne jeglichen Kontakt zur Aussenwelt. Durch die Kombination von Fotos aus Bilddatenbanken hinterfragt Dominique Wyss die Prinzipien, Normen und Wünsche, die unsere Gesellschaften kennzeichnen.
Simone Niquille (CH), Alan Butler (IE), Roc Herms (ES) [1]
«Photographing Virtual Spaces»
In der heutigen Zeit spielen Bildschirme in unserem Leben eine immer wichtigere Rolle. Die sozialen Interaktionen erfolgen grösstenteils auf den sozialen Medien: Man chattet mit der Familie auf Whatsapp, man sucht seine Grosse Liebe auf Tinder und man knüpft Freundschaften auf Online-Spielplattformen. Wie stellen sich die Fotografinnen und Fotografen in diesen virtuellen Räumen selbst dar?
Sedimente des Glücks [1]
Das Fotografieren von glücklichen Momenten und geliebten Menschen ist tief in uns verwurzelt. Die Verbindungen zwischen Fotografie, Erinnerung und Glück sind so eng wie komplex. Das Photoforum erforscht diese Zusammenhänge anhand von Erzählungen der BewohnerInnen von zwei Betagtenheimen in Biel. Die spannenden Bilder und Interviews werden in einem passenden Ambiente gezeigt.
SNF Scientific Image: «Competition» 2018 [2]
Die Forschung unternimmt den Versuch, die Welt, die uns umgibt, besser zu verstehen. Die Bilder, die dabei entstehen, sind oft irreal, überraschend und von erstaunlicher Vielfalt. Die Bieler Fototage stellen die preisgekrönten Bilder und Videos des Wettbewerbs für wissenschaftliche Bilder des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) aus, welche die internationale Jury aus über 350 Einsendungen ausgewählt hat.
Schule für Gestaltung Bern und Biel [6]
Die 2. Fachklasse Grafik der Schule für Gestaltung Bern und Biel hat sich in ihrer Semesterarbeit ebenfalls dem zum Thema «Glück» angenommen. Die jungen Künstlerinnen und Künstler stellen diesen Begriff in originellen und vielfältigen Foto- und Videoarbeiten dar.
Vielfältiges Rahmenprogramm
Das Festival bietet zudem zahlreiche Aktivitäten: Workshops, Meetings, Projektionen, Konferenzen und Performances. Eine komplette Übersicht dazu finden Sie auf der Webseite bielerfototage.ch sowie in diesem Flyer.
Praktische Informationen
Öffnungszeiten: Vom 5. bis am 27. Mai 2018
Mittwoch bis Freitag: 12.00 bis 18.00 Uhr
Samstag und Sonntag: 11.00 bis 18.00 Uhr
Montag und Dienstag geschlossen
Sonderöffnung am Donnerstag, 10. Mai 2018: 11.00 bis 18.00 Uhr
Preise
Tageskarte CHF 20.- / 15.-, Abonnement CHF 30.- / 20.-, Gruppe (ab 10 Pers.) CHF 10.- pro Person, Jugendliche bis 16 Jahre gratis.
Weitere Informationen finden Sie unter http://www.bielerfototage.ch