Urs Tillmanns, 26. März 2017, 10:00 Uhr

Aktfotografie mit Rollentausch

Pirmin Zimmermann führt regelmässig Akt-Workshops für Frauen durch. Das macht neugierig: Wie gehen Frauen mit diesen Thema um, und was motiviert sie einen solchen Workshop zu besuchen? Fotointern wollte dazu mehr erfahren und hat das «Atelier am Bach» in Sempach-Station besucht.

 

Fotointern.ch: Aktfotografie ist ja eigentlich mehr eine Männerdomäne. Sie bieten Aktkurse für Frauen an. Wie sind Sie darauf gekommen?

Pirmin Zimmermann: Es sind eigentlich zwei Komponenten zusammen gekommen: Einmal die Suche nach neuen Kursen, nach Themen, die nicht schon anderswo angeboten werden. Dann aber auch die konkrete Nachfrage einiger Teilnehmerinnen in anderen Kursen. Daraufhin habe ich mal versuchsweise einen solchen Workshop ausgeschrieben, und erstaunlicherweise war das Echo grösser als ich erwartet hatte.

Realisiert im atelier-am-bach.ch

 

Ist es schwieriger männliche als weibliche Aktmodelle zu finden?

Das Finden geeigneter männlicher Modelle war in der Tat ein Problem. Es gibt zwei Arten von Männermodellen: Da sind einerseits die Exhibitionisten – diese passen nicht in mein Konzept und zu meiner Arbeitsweise. Der andere Typ Mann, ist einer mit einem sehr starken Körperbewusstsein. Meistens sind es Bodybuilder oder Sportler, die in Frage kommen, und die auch gewillt sind mitzumachen. Dabei kommt es vielleicht noch mehr als bei weiblichen Modellen auf einen makellosen und ästhetischen Körper drauf an. Schlussendlich müssen die Kandidaten auch ein entsprechendes Selbstbewusstsein mitbringen sowie eine gesunde Einstellung zu Ästhetik und Erotik. Ich arbeite mittlerweile mit fünf, sechs Modellen zusammen, die diese Voraussetzungen mitbringen und mein Workshop-Konzept gut umsetzen können.

Realisiert im atelier-am-bach.ch

 

Stichwort Erotik. Wie gehen Frauen damit um?

Wesentlich unvoreingenommener und natürlicher als die Männer bei entsprechenden Akt-Worshops. Sie konzentrieren sich in erster Linie auf eine ästhetische Aufnahme und konzeptionellen Aussage und sind nicht so sehr auf Körperteile fixiert.

Realisiert im atelier-am-bach.ch

 

Workshop-Teilnehmerin Claudia*: Akt ist eine sensible Art von Fotografie, für die ich mich interessiere, doch wollte ich das Thema nicht ohne Profiunterstützung angehen. Deshalb habe ich mich für diesen Workshop entschieden. Meine Erwartungen wurden auch erfüllt, weil man in kleinen Gruppen arbeitete, was ich als gute Herangehensweise empfand. Zwar ist das Studio relativ klein, doch reichte es, damit alle ihre Ideen umsetzen konnten und verschiedene Arten der Lichtführung ausprobieren konnten. Männerakt war für mich eine spannende Erfahrung, die zur Bereicherung meines Portfolios führte. Frauenakte interessieren mich naturgemäss eher weniger.

 

Geben Sie diese Kursziele vor oder kommen die Teilnehmerinnen mit eigenen Ideen, die sie umsetzen wollen?

Teils, teils. Vor dem Praxisteil arbeiten wir das Thema auf und ich zeige Beispiele von Umsetzungen und Lichtsituationen. Dabei legen wir die stilistische Richtung in etwa fest, damit wir nicht zu viel Zeit mit der Studioumrichtung verlieren. Ein Teil der Zeit ist für das Kennenlernen der Studioblitze und Optionen der Lichtführung kennenzulernen. Ein Teil der Teilnehmerinnen haben noch nie in einem Studio mit Blitzlicht gearbeitet, und so kommt verschiedenes Neuland für sie zusammen.

Realisiert im atelier-am-bach.ch

 

Ein wichtiger Aspekt in der Aktfotografie ist ja die Kommunikation zwischen dem Fotografen und dem Modell. Verhalten sich hier Frauen anders als Männer? Sind sie eher schüchtern?

Das würde ich nicht generell sagen. Die einen anfänglich vielleicht schon, weil das alles neu ist für sie, aber das gibt sich nach kurzer Zeit. Andere, die wissen ganz klar was sie wollen, zeigen dem Model die Bilder auf dem Display und geben dem Model klare Anweisungen. Es entsteht in der Regel nach kurzer Zeit ein sehr gutes Zusammenspiel unter den Teilnehmerinnen, indem eine fotografiert und die anderen assistieren. Und zwischendurch bespricht man die Ergebnisse und versucht sich in einer weiteren Session zu verbessern oder neue Ideen zu realisieren.

Realisiert im atelier-am-bach.ch

 

Workshop-Teilnehmerin Geraldine*: Das Thema «Männerakte» hat mich sehr interessiert, besonders das Posing, da es ja immer etwas zu verstecken gibt. Das Bild soll ja ästhetisch sein und nicht billig wirken. Dabei habe ich die professionelle Kursleitung sehr geschätzt – ich konnte von der Theorie und der Praxis sehr profitieren. Alle meine Fragen und Unsicherheiten zu diesem Thema wurden direkt in Wort und Bild beantwortet, und die vielen Tipps und Tricks von Pirmin waren echt nützlich.

 

Hat es auch schon kritische oder irgendwie peinliche Situationen gegeben?

Nein, bisher ist alles immer reibungslos abgelaufen. Aber ich habe mir ein Szenario ausgedacht, wie man in kritischen Situationen regiemässig eingreifen und die Aufgabestellung entsprechend ändern könnte. Grundsätzlich habe ich die Erfahrung gemacht, dass es einfacher ist einen Akt-Workshop mit Frauen durchzuführen als mit Männern.

Realisiert im atelier-am-bach.ch

 

Was erwarten Frauen, die an einem Akt-Workshop mit einem männlichen Modell teilnehmen, und sind sie am Ende des Workshops mit den erreichten Zielen zufrieden?

Ja, die Urteile über den Workshop sind durchwegs positiv. Für einige ist es eine Erweiterung des fotografischen Repertoires. Für andere ist der Männerakt ein fotografisches Experiment mit einer spannenden Note Erotik und einer starken Ästhetik. Viele wollten dies insgeheim schon lange tun und haben nun Gelegenheit dazu. Zudem ist es – abgesehen vom Thema Akt – auch die Erfahrung in einem Studio zu fotografieren und mit professionellem Licht zu Erfahrungen zu sammeln. Ich stelle fest, dass alle sehr motiviert an den Workshops teilnehmen und sich auch gegenseitig inspirieren. Ich bin jedes Mal aus Neue erstaunt, wie gelungen die Bilder sind, die an einem Workshop vielen Unbekannten und neuen Eindrücken entstehen.

Realisiert im atelier-am-bach.ch

* Namen geändert

Sämtliche Bilder stammen mit Veröffentlichungsbewilligung von Workshop-Teilnehmerinnen.

Weitere Informationen finden Sie unter atelier-am-bach.ch

 

 

Ein Kommentar zu “Aktfotografie mit Rollentausch”

  1. Ich bin Fotografin und beschäftige mich seit 10 Jahren mit der Männeraktfotografie und kann nur bestätigen, dass sich zunehmend Fotografinnen mit diesem Thema beschäftigen wollen, aber auch immer mehr Männer von nebenan bereit sind, sich dieser Körpererfahrung zu stellen.

    Dafür braucht es am Beginn oftmals technische Hilfestellung, wenn man keine Studioerfahrung hat. Den nackten Mann anzuleiten ist Herausforderung genug, da Männer nicht gelernt haben zu posen. NACKT ist nicht gleichbedeutend mit AKT! Es zählt nicht umsonst zu einer der Königsdisziplinen in der Fotografie.

    Es finden sich im Netz als Anschauungsmaterial in der Mehrheit die klassischen, skulpturalen Darstellungen – vom Adonis bis zur Denkerpose. Unzählige Bodyparts in schwarz/weiß – der perfekte Körper im Mittelpunkt – der Mann ist allerdings auswechselbar und es ist wenn überhaupt der männliche Fotografenblick auf den nackten Mann. Männerakt haftet 2017 noch immer am antiken Vorbild fest.
    Ich denke daher, dass es ein Potential für diese fast unbearbeitete Nische für Kreativität für den weiblichen Blick auf den nackten Mann bietet.

    Ich habe natürlich auch mit professionellen Models zusammen gearbeitet, was für AnfängerInnen sicherlich einfacher ist. Mich persönlich reizt aber zunehmend der normale Mann jeglichen Alters und Statur. Ich bevorzuge den Menschen in seiner Ganzheit zu zeigen und nicht von der Persönlichkeit entkoppelten Körper. Hier geht es dann um Geschichten und Emotionen, die nackt ohne Statussymbole dargestellt werden und muss somit nicht zwangsläufig den perfekten Körper zeigen.
    Übrigens Peinlichkeiten, wie es im Artikel angesprochen wurde, gab es auch in meinem Falle nie. Also traut euch!
    Servus aus Wien

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