Urs Tillmanns, 19. Februar 2017, 13:41 Uhr

Microsculpture – Insekten ganz gross

Das NMB Neue Museum Biel zeigt noch bis 16. April 2017 die Ausstellung «Microsculpture – Levon Biss: Fotografien von Insekten». Hier werde Insekten in übergrossen Bildern präsentiert und lassen so Details erkennen, die bisher auch unter dem Mikroskop nicht mit diesem Detailreichtum zu bewundern waren.

 

Die Ausstellung wird als Schweizer Premiere während nur gut zwei Monaten die Grossformatfotografien des berühmten britischen Fotografen zeigen. Diese gewähren einen Einblick in eine bisher einzig unter Mikroskop sichtbaren Welt. Levon Biss vergrössert Insekten auf die Dimensionen einer Kuh oder eines Nilpferds und legt damit unerwartete und faszinierende Details frei.

 

Aussicht der Ausstellung im Neuen Museum Biel, Foto: Patrick Weyeneth, NMB

Die winzigen Hauptdarsteller der Fotografien stammen aus den Sammlungen des Oxford University Museum of Natural History, wo die Ausstellung 2016 zum ersten Mal gezeigt wurde. Auch in Biel werden die präparierten Insekten ihren übergrossen Fotografien gegenüber gestellt. Der Blick wandert von den wenigen Millimeter messenden Tieren zu deren grossflächigen fotografischen Reproduktionen.

Levon Biss schuf sich einen Namen sowohl mit Fotografien für bekannte internationale Firmen, als auch mit seinen ausdruckstarken Portraits von Sportlern und Promis. In seinem Projekt «Microsculpture» schlüpfen die kleinen Krabbeltiere der Sammlungen des Oxford University Museum of Natural History in die Rolle der Stars.

Die Microsculpture-Serie entstand in Zusammenarbeit zwischen dem Oxford University Museum of Natural History und dem britischen Fotograf Levon Biss. Die grössten der gezeigten Fotografien haben die Masse von drei auf zwei Meter. Der Skalenwechsel zwischen den Werken und den winzigen Insektenexemplaren bieten ein einzigartiges Seherlebnis und zeigt die Vielfalt der evolutionären Anpassungen von Insekten.

 

Die Fotografien von Levon Biss werfen im wahrsten Sinne des Wortes ein neues Licht auf die Exponate aus der entomologischen Sammlung Museum of Natural History. Ihre Grösse und Auflösung enthüllen nicht nur die unerwartete und oftmals atemberaubende Schönheit der Insekten, sondern verdeutlichen auch deren komplexen Anpassungsformen – was Entomologen als Mikroskulptur bezeichnen.

Das Gebiet der Mikromorphologie ist bisher wenig erforscht. Es wird aber angenommen, dass die mikroskopischen Strukturen eines Insekts dessen Eigenschaften auf mannigfaltige Weise beeinflussen: Sie können etwa unterschiedlich Sonnenlicht reflektieren, Wasser ausscheiden oder Luft einschliessen.

Kleinste Härchen besitzen ebenfalls verschiedene Anpassungsmöglichkeiten und dienen beispielsweise, um glatte Oberflächen griffiger zu machen, Pollen zu tragen oder als Bewegungsmelder. Solche Haare sind manchmal zu flachen Schuppen verformt – so klein, dass sie für das blosse Auge nicht sichtbar sind oder wie Staub erscheinen. Bei Insekten wie Schmetterlingen und Käfern zerstreuen und reflektieren diese Schuppen das Licht und schaffen so einige der lebendigsten und intensivsten Farben der Natur.

 

«Tricolored Jewel Beetle» Belionota sumptuosa (Coleoptera, Buprestidae)
Prachtkäfer (Familie), Insel Seram, Indonesien

Dieses Exemplar wurde vom viktorianischen Naturkundler und Entdecker Alfred Russel Wallace zwischen Oktober 1859 und Juni 1860 auf der Insel Seram gefangen. Einige Jahre zuvor hatte Wallace eine Evolutionstheorie entwickelt, die jener von Charles Darwin sehr ähnlich war. Ihre Theorie veröffentlichten sie darauf gemeinsam in einer Publikation. Darwin verfolgte weiterhin seine Wissenschaft während Wallace sich der Erforschung des malaysischen Archipels widmete, wo er Tiere und Pflanzen sammelte. Dieser Käfer wurde im November 1859 gefangen, etwa zeitgleich mit der Veröffentlichung von Darwins Werk «Über die Entstehung der Arten».

 

«Splendid-necked Dung Beetle» Helictopleurus splendidicollis (Coleoptera, Scarabaeidae)
Blatthornkäfer (Familie), Madagaskar

Vom Mistkäfer mit der vielleicht attraktivsten Zeichnung auf der ganzen Welt wird angenommen, dass er das Aussterben der Grosstiere auf Madagaskar überlebt hat, weil er dazu übergegangen ist, sich von Aas statt von Tierdung zu ernähren.

 

«Jewel Longhorn Beetle» Sternotomis sp. (Coleoptera, Cerambycidae)
Bockkäfer (Familie), Nigeria

Erst die Vergrösserung offenbart das Geheimnis der spektakulären Musterung dieses Käfers: Er ist über und über mit hauchdünnen, pigmentierten Schuppen bedeckt, die jenen von Schmetterlingen und Faltern ähneln.

 

«Orchid Cuckoo Bee» Exaerete frontalis (Hymenoptera, Apidae)
Pracht- oder Orchideenbiene (Tribus), Brasilien

Die Pracht- oder Orchideenbiene in Bezug auf die Grösse, Farbe und Mikroskulptur eine der spektakulärsten Bienenarten. Wir betrachten Bienen in der Regel als gutmütige, hilfreiche Wesen, die Prachtbiene ist jedoch eine parasitische Biene. Statt Pollen zu sammeln und ein eigenes Nest zu bauen, dringen die Weibchen in fremde Nester ein und legen ihre Eier in die Brutzellen. Diese Art ist sehr gross gewachsen, da sie die von ihren «Gastgebern» mit viel Fleiss gesammelten Pollen verzehren.

 

Das fotografische Verfahren

Jedes Microsculpture-Bild entsteht aus etwa 8000 Einzelfotografien, die gestiched ein gestochen scharfes Bild des Insekts ergeben. Zusammen mit einer präzisen Ausleuchtung legt Levon Biss mit dieser Technik die komplexen und zugleich schönen Eigenschaften eines ganzen Tierkörpers offen. Nicht einmal der Blick durch ein Mikroskop liefert ein derart umfassendes Gesamtbild.

Der Entomologe der Life Collections des Oxford University Museum of Natural History, Dr. James Horgan, wählte die Objekte für die Fotografien aus. Gezeigt werden sollte insbesondere die ungeheure Vielfalt der Anpassungen von Insekten an ihr jeweiliges Habitat.

Um die Insekten aufnehmen zu können, steckte Levon Biss jedes auf einen massgeschneiderten Mikroskopträger. Das erlaubte ihm, die Tiere aus jeder möglichen Position aufzunehmen. Er fotografierte mit einer 36-Megapixel-Kamera und einem 200mm-Objektiv, vor dem zusätzlich ein 10-fach-Mikroskop angebracht war.

Die Insekten unterteilte Biss in ungefähr 30 Abschnitte. Er beleuchtet jede einzelne dieser Sequenzen unterschiedlich mit Stroboskoplicht, was ihm ermöglichte, Körperbereiche zu akzentuieren. Mit dieser Vorgehensweise fotografierte Biss nach und nach die ganze Oberfläche des Tieres, ein Prozess der zusammen mit der Bearbeitung und den Retuschen etwa drei Wochen dauerte.

 

 

Impressum

Fotografien von Levon Biss
Leitung und Konzept Bernadette Walter
Wissenschaftliche Mitarbeit Caroline Baier, Florian Eitel, Elise Maillard
Leihgeber: Oxford University Museum of Natural History
Mit der Unterstützung von Fondation Vinetum | Stiftung Vinetum, GVB Kulturstiftung, Bern

 

Das Rahmenprogramm

Dienstag, 14. Februar 2017, 12:15: «Sattsehen», 30-minütige Führung durch die Ausstellung Microsculpture (auf Deutsch und Französisch)

Samstag, 25. Februar 2017: Andrea Staudacher «Insekten zum Anbeissen» ein Nachmittag mit der Food-Künstlerin Andrea Staudacher
14:00 – 16:00: Interaktive Führung für Kinder in der Ausstellung und Insektenzvieri
16:30 – 18:00: Kurzführung durch die Ausstellung und Insektenapéro

Dienstag, 14. März 2017, 12:15: «Sattsehen» 30-minütige Führung durch die Ausstellung Microsculpture (auf Deutsch und Französisch)

Donnerstag, 23. März 2017, 18:00: «Afterwork» Rundgang und Diskussion mit dem Fotografen Levon Biss durch seine Ausstellung Microsculpture (auf Englisch) mit anschliessendem Apero

Samstag, 15. April 2017, 16:00: Last Minute Führung durch die Ausstellung Microsculpture (auf Deutsch und Französisch)

Die Ausstellung ist noch bis 16. April 2017 im NMB Neuen Museum Biel zu sehen. Weitere Infos unter www.nmbiel.ch und unter www.microsculpture.net.   

Parallel dazu findet die Ausstellung «Zwischen zwei Welten. Larven und Libellen» des Insektenzeichners Paul-André Robert statt.

 

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