Im Vorfeld der CP+, der wichtigsten Fotomesse Japans (Fotointern berichtete), hatte Fotointern Gelegenheit eines der Tamron-Werke in Nordjapan zu besichtigen. Hier, in der Präfektur Aomori, werden Einzellinsen für die Premium-Objektive der SP-Reihe, sowie Referenzlinsen für die Qualitätssicherung hergestellt – beides Kernkompetenzen von Tamron.
Die Objektivindustrie hat einen starken Wandel hinter sich. Mit der Digitalfotografie und der Abbildung auf einen Halbleiterchip anstatt des Films in der Kamera sind die Qualitätsansprüche massiv gestiegen. Die Brennweiten sind kürzer geworden, die Linsen kleiner und damit ist auch eine höhere Präzision bei der Zentrierung der Linsen und bei der Montage in ihre Fassungsteile erforderlich. Kommt eine massiv gestiegene Nachfrage hinzu, die enorme Investitionen in neue Produktionsanlagen und Rationalisierungsmassnahmen nötig machte, um bei dennoch konkurrenzfähig und preisattraktiv zu bleiben. Nicht nur Tamron, sondern alle Objektivhersteller haben sich diesen Marktgesetzen beugen müssen und stehen zueinander in einem harten Wettbewerb.
Eine der Rationalisierungsmassnahmen ist die dezentralisierte Produktion. Die Objektive werden nicht mehr in einem Werk hergestellt, sondern in mehreren, die auf die Herstellung von Einzelteilen oder Baugruppen oder auf die Montage bis hin zum versandfertigen Produkt ausgelegt sind. Tamron betreibt neben dem Hauptsitz in Saitama nördlich von Tokio in der Präfektur Aomori im Norden Japans drei Werke.
In Owani entstehen die verschiedensten Kunststoffteile, in Namioka ist die Linsenherstellung angesiedelt und in Hirosaki werden vor allem Fassungsteile und andere Halbfabrikate aus Metall produziert. Ebenfalls in letzterem Werk werden vor allem die SP-Objektive endmontiert, während die preisgünstigeren Tamron-Objektive heute in eigenen Werken in Hanoi, Vietnam, und Foshan, China, hergestellt werden. In diesen beiden neueren Werken sollen modernste integrierte Produktionsanlagen installiert sein, welche auf hohe Stückzahlen ausgelegt sind.
Der Hauptsitz von Tamron befindet sich in Saitama, rund 25 Kilometer nördlich von Tokio
In Namioka, Aomori, rund 750 km nordöstlich von Tokio, fertigt Tamron die Einzellinsen
Das Hauptquartier von Tamron befindet sich in Saitama, rund 25 Kilometer nördlich von Tokio. Hier ist die Leitung des Unternehmens mit der dazugehörenden Administration ansässig sowie die Produkte-Entwicklung und die Arbeitsvorbereitung. Für den Vertrieb der Produkte besitzt das Unternehmen eigene Niederlassungen in Deutschland, Frankreich, Russland, Indien, Hong Kong, Shanghai sowie in den USA. Hinzu kommen verschiedene unabhängige Distributoren, wie beispielsweise die Firma Perrot-Image SA, welche Tamron in der Schweiz vertritt.
Die Linsenfertigung – eine der Kernkompetenzen von Tamron
Die Herstellung der Einzellinsen ist ein komplexer Vorgang, der aus mehreren Phasen besteht. Die Glasrohlinge werden als Pressteile oder bereits geschliffene Elemente in den spezifischen Glasarten (verschiedene Brechungsindexe) und Grössen von den Glaswerken wie Hoya oder Ohara bezogen. Der Weg bis zur fertigen Einzellinse besteht auch vielen einzelnen Arbeitsschritten, von denen die sich die meisten in sehr engen Toleranzen bewegen. Durch Grobschleifen und Feinschleifen werden die Linsenelemente in die endgültige Form gebracht.
In diesen Anlagen werden die Presslinge grob geschliffen
Mit rotierenden Schleifköpfen erhalten die Linsen ihre sphärische Form und werden poliert
Mit rotierenden Schleifköpfen werden die Glaslinsen beidseitig poliert. Beim anschliessenden Zentrieren wird der Rand der Linse hoch präzise bearbeitet, damit die optische Achse exakt durch die Mitte der Linse verläuft. Danach werden die Linsen in mehreren Stufen gereinigt und minutiös auf eventuelle Staubpartikel kontrolliert.
Die geschliffenen und polierten Linsen werden in mehreren Stufen gereinigt …
… bevor sie in der Hochvakuumanlage mit mehreren Schichten vergütet werden
Um die optischen Eigenschaften der Linse zu verbessern sowie Reflexionen und Nebenbilder zu vermeiden, werden die Linsen in einer Hochvakuumkammer mit bis zu sieben Schichten vergütet. Ein weiterer Arbeitsschritt ist das Schwarzlackieren des Linsenrandes, damit dort keine Reflexe entstehen können. Danach wird die Einzellinse mehrfach gereinigt und ist danach zum Zusammenbau (Verkitten) zu einer Linsengruppe oder zum Einbau in die Linsenfassung bereit.
Die Herstellung von asphärischen Linsen erfolgt bei Tamron unter Reinstraumbedingungen
Die Korrektion mehrerer optischer Fehler, insbesondere jedoch der sphärischen Aberrationen, erreicht man gerade bei aufwändigen Zoomobjektiven unter anderem durch die Verwendung asphärischer Linsen, welche keinen kugelförmigen Radius aufweisen, sondern einen elliptischen. Die Herstellung ist mit verschiedenen Verfahren recht kompliziert und kostspielig. Bei Tamron werden dazu verschiedene Herstellungsverfahren angewendet, wobei das Aufpressen einer Schicht aus speziellem optisch geeignetem Kunststoff (Hybridverfahren) das wichtigste ist und bei Tamron unter Reinstraumbedingungen durchgeführt wird. Tamron war einer der Pioniere der Verwendung asphärischer Linsenelemente in der Fotooptik, da die Marke immer für besonders grosse Zoombereiche und möglichst kurze Baulängen der Objektive spezialisiert war, was an die Korrektion der Abbildungsfehler höchste Anforderungen stellte.
Referenzlinsen zeigen mit bunten Interferenzlinien, ob die zu prüfende Einzellinse fehlerfrei ist
In dieser Messanlage werden die Referenzlinsen geprüft
Ein wichtiger Bereich von Tamron ist auch die Herstellung von Referenzlinsen, welche in höchster Präzision erfolgen muss und vor allem auch an die Kontrolle der mechanischen und optischen Toleranzen höchste Anforderungen stellt. Referenzlinsen werden verwendet, um Linsen aus der Massenfertigung zu prüfen, indem man die Oberfläche der Referenzlinse und des Prüflings in Kontakt bringt, und mit gleichmässigen oder abweichenden Interferenzlinien (Newton-Effekt) feststellen kann, ob die Form und Oberfläche des Prüflings innerhalb der erwarteten Genauigkeit liegt oder davon abweicht.
Die Montage
Ein modernes Zoomobjektiv besteht aus rund 250 Einzelteilen, von denen viele in Vormontagen zu Baugruppen vereint werden, zum Beispiel das VC-Modul (Vibration Compensation = Bildstabilisierung), das AF-Modul für die automatische Scharfeinstellung oder die Blendeneinheit mit der elektronischen Ansteuerung.
Ein modernes Zoom-Objektiv der SP-Reihe besteht aus rund 250 Einzelteilen …
… darunter komplizierte Drehteile für den Zoom-Mechanismus
Zur Montage sind eine Vielzahl von Arbeitsgängen und laufende Qualitätskontrollen erforderlich
Hinzu kommt die Herstellung der Fassungsteile aus Kunststoff oder aus Metall, das galvanisch nachbehandelt und verschleissresistent gestaltet werden muss. Dazu gehört viel feinmechanisches Knowhow, damit die Brennweitenverstellung und die Einstellringe bei allen Temperaturen nicht zu hart oder zu leichtgängig laufen.
Neben der visuellen Kontrolle auf Staubfreiheit und Blendenfunktion …
… wird die Qualität der Objektive in automatischen Messanlagen geprüft
In der Endmontage werden diese Bauteile mit den optischen Komponenten in den Fassungsteilen zum fertigen Objektiv vereint. Wie bei der Herstellung der Einzellinsen und der Linsengruppen ist hier wiederum die Zentrierung ein heikler Punkt, der immer wieder Kontrollen und Nachbearbeitungen bedingt.
In der Endmontage sind unzählige Zwischenschritte erforderlich, insbesondere Kontrollvorgänge zur Funktions- und Qualitätssicherung, die in jeder Phase mit den einzelnen Fertigungsschritten einhergehen. Dann durchläuft das fertige Objektiv nochmals mehrere Kontrollen, bevor es verpackt und an die Distributoren weltweit verschickt wird.
Tamron gehört zu den Grossen der Fotooptik
Wer in Japan – und seit einigen Jahren nun auch in China und anderen asiatischen Ländern – was für wen produziert, ist heute kaum mehr auszumachen. Jedenfalls dürfte auch bei Tamron die OEM-Produktion (Original Equipment Manufacturing), das heisst die Einzelteile- oder Baugruppenherstellung für ein Drittunternehmen und dessen Endproduktion, ein wichtiger Anteil ausmachen. Aber OEM ist ein Tabuthema – nicht nur bei Tamron, und oft bringt erst die Geschichte dereinst Klarheit über solche spannenden Geschäftsbeziehungen.
Auf der CP+ in Yokohama gesprochen: Der bisherige CEO Morio Ono (links) und sein Nachfolger ab 30. März 2016, Shiro Ajisaka (rechts). Sie bestätigten eine Kursänderung bei Tamron: Es wird neben den Grossbereichzooms auch vermehrt lichtstarke Festbrennweiten und Objektive für Kompaktsystemkameras geben
Bei Tamron ist ein Teil dieses Bereiches insofern offensichtlich, als Sony mit 12% der zweigrösste Aktionär von Tamron ist (der grösste ist die Investitionsgruppe New Wenn mit 18%) und deshalb angenommen werden kann, dass Tamron Objektive für Sony produziert. Weiter stellt Tamron auch Objektivbaugruppen für Kompaktkameras her, deren Hauptabnehmer ebenfalls Sony sein dürfte. Auch war es früher ein offenes Geheimnis, dass einige der Pentax-Objektive aus der Tamron-Fertigung kamen, doch soll inzwischen diese Kooperation aufgelöst worden sein.
Für Tamron ist der Bereich der Wechselobjektive für Spiegelreflex- und zunehmend auch für Kompaktsystemkameras mit 73.3% des Umsatzanteils noch immer das Kerngeschäft. Hinzu kommen Produkte im Bereich der Spezialoptik (Objektive für IP/CCTV-Kmaeras, Überwachungskameras, Automotive-Teile, Referenzlinsen) mit 17,2% und letztlich optische Komponenten für Digitalkameras, Camcorder, Infrarotkameras und optische Spezialanwendungen mit 9.5%. Der Exportanteil liegt gesamthaft bei 78,6%, während 21,4% im Land verbleiben.
Tamron – mehr als sechs Jahrzehnte Fortschritt
Die Geschichte von Tamron reicht mehr als sechs Jahrzehnte zurück, mit der Gründung 1950 der Taisei Optical Equipment Manufactoring in Uraea-City, die sich zunächst auf die Herstellung von Kameras und Ferngläser spezialisierte. Der Name Tamron geht auf den leitenden Optikingenieur Mr. Uhyoue Tamura zurück, der als Initiant der Objektivfertigung bei Tamon gilt. 1957 war nicht nur das 1:4,5/135mm Teleobjektiv ein Durchbruch, sondern vor allem das «T mount» Wechselbajonett. In den 1960er Jahren richtete sich das Unternehmen immer stärker auf die Massenproduktion aus, führte 1966 das «Tamron Adapt-A-Matic» Adaptersystem ein und erweitere 1969 die Produktion mit dem neuen Werk in Hirosaki (Aomori Präfektur). 1976 folgte die Einführzung des «Tamron Adaptall» System, welches die Verwendung der Tamron-Objektive an verschiedenen Kameras ermöglichte. 1993 zeichnet sich mit dem AF 1:3.8-5.6/28-200mm Aspherical die neue Ära der grossen Zoombereiche ab, die bis dato eine Spezialität von Tamron bleibt. 1997 expandiert Tamron nach China und baut in Foshan, Quang Dong, ein modernes Optikwerk. 1998 übernimmt Tamron die Firma Bronica und ist damit Anbieter einer Mittelformat Systemkamera. Nach 2000 folgen diverse Neu- und Weiterentwicklung bis zum AF 1:3.5-6.3/18-250mm Di II LD Aspherical [IF] Macro welches 2008 von der TIPA als «Best European Consumer Lens of the Year 2007-2008» ausgezeichnet wird. Nahezu jährlich gewinnen Tamron Objektive von der TIPA und der EISA höchste Auszeichnungen, bis hin zum Tamron 1:3,5-5,8/14-150 mm Di III, welches 2015 von der TIPA als «Best CSC Entry Level Lens» bezeichnet wurde. Zur CP+ im Februar 2016 wurden die beiden SP-Objektive SP 1,8/85mm Di VC USD und SP 2,8/90mm Di Macro 1:1 VC USD vorgestellt, die bei Tamron als Festbrennweiten eine neue Ära einläuten.
Text und Fotos (sofern nicht anders gezeichnet): Urs Tillmanns
Weitere Informationen finden Sie unter http://www.tamron.com/de/
Tamron-Objektive werden in der Schweiz vertrieben durch
Perrot-Images SA
CH-2560 Nidau
Tel. 032 332 79 79