Urs Tillmanns, 28. September 2014, 07:00 Uhr

Ein Tag in Vevey: Rundgang durch die «Images 2014»

Alle zwei Jahre schmückt sich die Stadt Vevey mit Fotos – dieses Jahr aber gleich richtig: 68 Projekte mit über 1‘500 Bildern von Künstlern aus 18 Ländern sind an der «Images 2014» noch bis nächsten Sonntag an der «Images» zu sehen, 28 davon im Freien. Ein Rundgang durch die Bilderstadt lohnt sich! Kommen Sie mit? …

 

Schon gleich am Bahnhofplatz präsentiert sich das gigantische, 500 Quadratmeter grosse Riesenbild zum Thema «Architecturally Speaking» von Arno Rafael Minkkinen aus den USA an der Fassade der Waadtländer Kantonalbank.

Images Arno Rafael Mikkinnen

Insgesamt gibt es sechs solcher Fotodrucke im Monumentalformat, die wir an verschiedenen Fassaden in der Stadt entdecken werden. Minkkinens Arbeit zeichnet sich durch eine sehr persönliche Annäherung ans Selbstporträt aus. Im Alter von wenigen Monaten musste er wegen einer Gaumenspalte operiert werden. Diese Besonderheit brachte ein Gesamtwerk hervor, das vorwiegend aus schwarzweissen Selbstbildnissen besteht. In diesen fügt sich sein Körper in die Natur ein ohne dass sein Gesicht je zu sehen ist.

Imgaes Arno Rafael Mikkinen

Etwas weiter westwärts am grossen Einkaufzentrum vorbei gibt es gleich noch einen weiteren Minkkenen zu sehen – diesmal ein Spiel mit den Händen.

Images Salle del Castillo Vevey

Das Zentrum von Vevey ist die Grande Place. Hier erstrahlt frisch renoviert der Salle del Castillo in neuem Glanz, der künftig für jede Art von Veranstaltungen genutzt werden wird. Darin sind gleich mehrere Ausstellungen zu finden, doch einen Höhepunkt dürfen Sie hier nicht verpassen:

Images Ehrlich Batiment

Es ist die Installation «Bâtiment» (2004) des Argentiniers Leandro Erlich, welche eine massstabgetreue Nachbildung der Fassade eines Pariser Mietshauses aus dem 19. Jahrhunderts ist. Auf dem Boden ausgebreitet, wird das Werk durch einen riesigen im 45‐Grad‐Winkel freistehend angebrachten Spiegel komplettiert. Im Spiegel verwandeln sich die auf dem Boden liegenden Besucher in wahrhaftige urbane Kletterer. Als Kernstück der diesjährigen Ausgabe des Festivals lädt Bâtiment den Besucher zu einem echten interaktiven Erlebnis ein. Das gibt übrigens auch unglaublich skurrile Bilder, sei es mit dem Handy oder Ihrer Kamera.

Auch auf der Grande Place in der historischen «La Grenette» ist die Bilderreihe «Still Lifes, Portraits and Parts» von Daniel Gordon (USA) zu sehen. Er hat eine Technik entwickelt, die auf der Wiederverwertung von Bildern aus dem Internet basiert.

Images Gordon

Nachdem er die Bilder ausgedruckt hat, zerschneidet er diese und setzt sie als Stillleben oder dreidimensionale Porträts wieder zusammen. Ist eine Komposition fertiggestellt, fotografiert er sie und nimmt sie danach wieder auseinander, um mit denselben Elementen etwas Neues zu erschaffen.

Auf der östlichen Seite der Grande Place ist das bekannte Schweizer Kameramuseum, das Sie vielleicht schon besucht haben – wenn nicht, sollten Sie dies unbedingt nachholen. Hier gibt es eine ganz besondere Ausstellung mit einem Projekt des Holländers Hans Eijkelboom:

Images Kameramuseum Hans Eijkelboom

Die Serie «Portraits and Camera» zeigt 60 Werbeanzeigen von Fotokameras, begleitet von einem Porträt von Hans Eijkelbloom aus dem gleichen Jahr – von seiner Geburt bis zu seinem sechzigstem Lebensjahr. Er präsentiert auf diese Weise eine originelle Geschichte der Fotografie und seiner Porträts, jeweils gemäss den Techniken und Vorlieben der Zeit von 1949 bis 2009. Das Schweizer Kameramuseum hat die anspruchsvolle Arbeit noch dadurch ergänzt, dass sie sämtliche in den Werbeanzeigen abgebildeten Kameras im Original ausstellt.

An der südlichen Grande Place gibt es noch zwei weitere spannende Projekte zu sehen:

Images Curchod

Vor 116 Jahren, am 11. November 1898, hielt ein Fotograf den Markttag der «Foire de la Saint‐Martin» auf einer grossformatigen Glasplatte fest. Anfang der 2000er Jahre entdeckte Edouard Curchod, selbst Fotograf und Sammler, diese Ansicht völlig unerwartet und setzte sich zum Ziel, die über hundertjährige fotografische Arbeit anlässlich der «Images» als 18 Quadratmeter grossen Panoramadruck am ursprünglichen Aufnahmeort zu platzieren. Die Besucher haben ihren Spass daran, das Damals und das Heute miteinander zu vergleichen.

Images Daniel Schlaepfer

Gleich nebenan stehen mehrere mysteriöse Guckkasten. Wer wird da nicht neugierig? Der Waadtländer Künstler Daniel Schlaepfer zeigt hier sein Projekt «Zauberkästen» (Boîtes magiques). Daniel Schlaepfer ist ein Waadtländer Künstler der vorwiegend mit Licht arbeitet. 1991, zum 700. Jubiläum der Schweizer Konföderation, bestellte der Kanton Waadt bei einem Künstlerkollektiv eine Installation über die eigene Geschichte. Das Projekt bestand aus «Zauberkästen»: Strukturen aus Beton, dekoriert mit jeweils drei bis vier Reliefs zur Waadtländer Geschichte, die durch einen Spalt betrachtet werden konnten. Dieses Prinzip ähnelte jenem der Schaukästen vom Ende des 19.Jahrhunderts und bestand aus einer Mischung von Mechanismen, Linsen und kleinen Spiegeln. 23 Jahre später hat das Festival Images entschlossen einige dieser unglaublichen «Zauberkästen» zu restaurieren und präsentiert sie nun im unteren Teil der Place du Marché, am Ufer des Genfer Sees. Hier gibt es viel zu entdecken – für gross und klein …

Images Fabian Schubert und Hank Schmidt In der Beek

Entlang dem beliebten Quai Perdonnnet – einem der schönsten Quai-Anlagen des Genfersees – stellen die beiden Künstler Fabian Schubert und Hank Schmidt In der Beek aus Deutschland eine Serie klassischer Szenen der Landschaftsmalerei aus. Dabei zeigt die Leinwand nicht etwa, wie erwartet, die zu malende Landschaft, sondern jeweils das Muster der Bekleidung des Malers. Schubert und In der Beek spielen dabei mit der historischen Rivalität zwischen Malerei und Fotografie und verschmelzen im selben Ansatz zwei der Hauptformen der Malerei : das Selbstporträt und die Landschaftsmalerei.

Images Minkkinen

Hier müsste doch irgendwo noch ein Minkkinen sein? Hier ist er auch schon, etwas versteckt bei der Passage zur Rue du Lac. Einige seiner Bilder zeigen Motive aus der Region, hier auf einem der Bilder das Schloss Chillon. Einfach zu erklären: Arno Rafael Minkkinen war während zehn Jahren an der Kunstgewerbeschule Vevey (CEPV) tätig und ist deshalb mit der Region sehr verbunden.

Images Minkkinen

Und hier müsste noch einer sein … sieht man aber nicht: Die Stadtgärtnerei steht davor … Wenn’s zeitlich reicht kommen wir nochmals wieder …

In die Rue du Château eingeschwenkt kommen wir entlang dem Hotel des Trois Couronnes an zwei weiteren Ausstellungen vorbei.

Images Cristina de Middel

In der Ausstellung «Party» («If there is to be a revolution there must be a party») lehnt sich Cristina de Middel aus Spanien an das Buch von Mao Tsetung an und entfernt alle Zitate, die ihrer Meinung nach nicht mehr für das zeitgenössische China relevant sind. In diese neue Künstlerfassung des kleinen Roten Buches hat de Middel ihre eigenen Arbeiten eingefügt. Der geschwärzte Text in direkter Gegenüberstellung mit ihren Fotos ermöglicht eine mit Humor gewürzte Relektüre jenes Buches, das nach der Bibel am meisten gedruckt wurde.

Images Olivier Culman

Gleich daneben ist die parodische Fotoserie «The Others» des französischen Künstlers Olivier Culman zu sehen, in welcher er sich auf humorvolle Weise mit den gesellschaftlichen Verhaltenskodexen Indiens befasst. Sein Ziel ist dabei die visuelle Übertragung der verschieden Elemente (Religion, Kaste, Beruf, usw.), welche die Identität dieses Landes bilden. Die daraus resultierenden fünf Phasen sind zum ersten Mal am Festival Images vereint zu sehen und entführen den Besucher auf eine Bilderreise durch eine der meist strukturierten und abwechslungsreichsten Gesellschaften der Welt.

Gleich gegenüber befindet sich das Historische Museum von Vevey, das Sie übrigens im Vorbeigehen von Stockwerk zu Stockwerk kostenlos mitbesichtigen können. Die Ausstellung der Holländerin Anouk Kruithof befindet sich nämlich zuoberst auf Dachboden – in einem beeindruckenden Fachwerk-Dachstuhl.

Images Anouk Kruithof

Am Anfang des Projektes bat Anouk Kruithof einen 19‐Jährigen jungen Mann, der nie zuvor ein Foto gemacht hatte, aus allen Fotos, die sie bis anhin realisiert hatte, 75 auszuwählen. Vor Ort wird die Serie an der Decke hängend und über Handspiegel im gewünschten Ausschnitt sichtbar gemacht. Die Arbeit hinterfragt den gesamten Prozess einer Ausstellung, von der Auswahl der Bilder zur Wahl des Themas bis hin zur definitiven Präsentation.

An der Rue d’Italie präsentiert sich der prunkvolle Eingang des Hotel Trois Couronnes, und gleich daneben gibt es wieder einmal einen gigantischen Minkkinen zu sehen. Diesmal sind es seine Füsse …

Images Minkkinen

Nun sollten Sie unbedingt in die Eglise Sainte‐Claire gehen, die nur wenige Schritte entfernt ist, um einen weiteren Höhepunkt der «Images» zu entdecken: Die Inszenierung von Erik Kessels.

Images Erik Kessels

«Wir sind heute einer immensen Bilderflut ausgesetzt» erklärt Erik Kessels, und definiert somit auch die Problematik, die am Ursprung seines Projektes steht. Er verdeutlich mit 350’000 Fotos im Format 10×15 cm auf einem Haufen im Inneren der Kirche die im Verlauf eines einzigen Tages auf «Flickr» hochgeladenen Bilder. Das Projekt «24HRS in Photos» ermöglicht dem Besucher, sich ein konkretes Bild über das täglich am Computer konsumierte Bildmaterial zu verschaffen. Dabei geht es nur um eine einzige von heute vielen Bildplattform – und nicht einmal um die grösste.

Nach der Kirche geht’s zum alten Stadtgefängnis, das nur ein paar Schritte entfernt ist.

Images John Baldessari

An dessen Fassade ist der 140 Quadratmeter grosse Fotodruck von John Baldessari « Figure (with Vertical Lines)» zu sehen. Baldessari ist einer der wichtigsten Vertreter der amerikanischen Konzeptkunst. Er erhielt 2009, anlässlich der 53. Biennale in Venedig, den «goldenen Löwen» für sein Lebenswerk. Baldessari greift auf die Fotografie zurück, um seit Anfang der 1960er Jahre in seinen von Dekonstruktion und Neuanordnung geprägten Bildern traditionelle ästhetische Konventionen in Frage zu stellen.

Im gleich dahinter gelegenen Parc du Panorama gibt es noch weitere Openair-Ausstellungen.

Images Olivier Culmann

Olivier Culman ist Teil des Kollektivs Tendance Floue, dessen Ziel die Erforschung der Welt sowie neuer Darstellungsmöglichkeiten in der zeitgenössischen Fotografie sind. In New Delhi entdeckte Culmann unzählige Studios, die sich auf die digitale Bearbeitung von Bildern spezialisiert haben, vor allem im Bereich der Werbung. In seiner Reihe Diversions übergibt er diesen Studios eine Reihe von Aufnahmen von Stadtlandschaften oder von Ferienorten, die er selbst in Delhi und Goa angefertigt hat. Die Stadtlandschaften verwandeln sich, die Wolken verschwinden, die allgegenwärtigen elektrischen Drähte und Kabel ebenso und hinterlassen an ihrer Stelle eine wahre Postkartenidylle. Für das Festival Images werden die Originalaufnahmen und die bearbeiteten Bilder gegenübergestellt, und dabei wie ein Spiegel der Realität mit der jeweiligen Utopie konfrontiert.

Images Taiyo Onorato und Nico Krebs

Taiyo Onorato und Nico Krebs hatten sich im Rahmen ihrer fotografischen Ausbildung an der Universität Zürich kennengelernt. Ihre Fotoserie «Raise the Bar» untersucht das Konzept der Perspektive und jenes des Trompe‐l’oeil, aber auch die Fähigkeit eines Bildes die Realität in zwei Dimensionen wiederzugeben. Um sie zu realisieren, haben sie Holzgerüste gebaut, welche die Fluchtlinien der fotografierten Bauten aufgreifen und haben diese im Vordergrund ihrer perspektivischen Aufnahme aufgestellt. Das Festival Images hat in Zusammenarbeit mit den Künstlern eine Inszenierung entwickelt die diese verwirrende optische Täuschung in die Realität überträgt.

Images Laurence Bonvin

Im gleichen Park ist auch die Ausstellung «Passing Revisited» von Laurence Bonvin zu sehen. Die Schweizerin Laurence Bonvin unterrichtet seit 2002 an der ECAL/Ecole Cantonale d’Art de Lausanne. Nach mehreren Aufenthalten in Südafrika begann Laurence Bonvin 2011 belebte Strassenecken in Johannesburg zu fotografieren. Fasziniert vom Fliessen der Menschen auf der Suche nach einem Weg durch die Masse, realisiert sie die Reihe «Passing», die 2013 im Genfer Mamco (Musée d’art moderne et contemporain) zu sehen war. Für das Projekt «Cardinal Points» des Festival Images hat sie sich entschieden diese Bilder an ihrem Ursprungsort zu installieren, indem sie diese auf Plakatwänden an den abgelichteten Kreuzungen aufhängt. «Passing Revisited» fügt die Bilder flüchtig und leise wieder in ihren anfänglichen Kontext ein.

Images Edouard Curchod

Zurück auf die Rue du Simplon gelangen wir zum Rathaus, auf dessen Platz eine weitere Ausstellung von Edouard Curchod zu sehen ist. Während den 1980er‐Jahren schrieb Edouard Curchod täglich für das «Feuille d’Avis de Vevey» über die unzähligen kulturellen, sportlichen und politischen Anlässe der Region. Stets am Puls des lokalen Vereinslebens sowie bei den verschiedensten Geschehnissen vor Ort, sammelt er im Verlauf seiner Karriere eine riesige Fotomenge an. Diese Sammlung hat inzwischen einen zweifachen Wert angenommen: Einerseits ist sie ein treuer und authentischer Spiegel des Alltags einer Gesellschaft, und andererseits ist sie auch zum stummen Zeugen der Traditionen und der historischen Ereignisse einer gesamten Region geworden. Vor dem Rathaus zeigt das Festival Images Feuille d’Avis, eine Auswahl von Szenen in denen der Festivalbesucher eine noch nicht allzu weite Vergangenheit in Schwarzweiss wiederentdecken kann.

Der Place Scanavin versteckt sich etwas in der Altstadt von Vevey. Hier sind zwei weitere Exponate zu sehen:

Images Clement Valla

Die Idee, die Bilder der Ausstellung «Postcards from Google Earth» von Clement Valla (USA) erhöht und horizontal zu präsentieren, passt zwar zum Thema, doch hat der Besucher etwas Mühe, die originellen Landschaftsbilder wirklich zu betrachten. Für alle, die sich nicht getrauen, die Bilder auf den verschieden hohen Plattformen dürfen und sollen von den Besuchern begangen werden.

Clement Valla sammelt Screenshots von Google Earths Satellitenaufnahmen verschiedener Orten (Strassen, Brücken, Staudämme). Da einige Strukturen für den Computer schwierig darzustellen sind, werden sie am Bildschirm verformt wiedergegeben. «Postcards from Google Earth» zeigt eine digitale Version der Welt, in der die Programmfehler deutlich werden.

Images Thomas Mailaender

Daneben ist an einer 15 Meter hohen Kletterwand ist das Werk von Thomas Mailaender aus Frankreich zu sehen. «The Night Climbers of Cambridge» wird zu einem wahrhaftigen kleinen Tourenführer über die Dächer und Fassaden der Stadt. Von diesen verbotenen Zeitvertreiben fasziniert, macht sich Thomas Mailaender auf die Suche nach den originalen Negativen. Diese werden nun am Festival Images im Freien präsentiert, auf einer schwindelerregenden Installation, die der Künstler entwickelt hat, um den ästhetischen und plastischen Wert dieser nächtlichen Herausforderungen zu unterstreichen.

Durch ein paar schmucke Gässchen geht es zurück zur Grande Place. Sollten Sie an französischen Fotobüchern, vor allem Bildbänden interessiert sein, so lohnt sich ein Zwischenstopp in der Librairie d‘Image. Das Gebäude war übrigens einst das alte Zollhaus, und hier hatte auch das Kameramuseum von 1979 zehn Jahre lang sein erstes Domizil.

Images Librairie Payot

Betrieben von der Librairie Payot finden Sie hier eine interessante Auswahl von französischen Fotobüchern aller Art, die vor allen für deutschschweizer Besucher selten und unbekannt sein dürften. Es gibt eine Reihe von Fotolehrbüchern, vor allem aber sehr schöne und sehens- wie kaufwerte Bildbände.

Gleich daneben ist die Ausstellung «How to be a photographer» des Belgiers Thomas van den Driessche, auf der man sich gerne verweilen wird, sofern man gut genug Französisch kann:

Images Thomas Van Den Driessche

Thomas Van Den Driessche entdeckte 2012 in Brüssel einen analogen Fotoautomaten. Er setzt dieses Gerät ein, um mit seinen beliebten Streifen mit vier Bildern Geschichten aus der Welt der Fotografie zu erzählen. Der belgische Künstler verteilt seine Lektionen mit Humor und Ironie, und offenbart die Stereotypen und die ungeschriebenen Gesetze künstlerischer Strömungen.

Hat man sich die Ausstellung bis zu Ende angesehen – was sich wirklich lohnt, man sollte ein Buch daraus machen – ist eine riesige, schneeweisse Ente nicht zu übersehen.

Images Olivier Cablat

Was soll die gigantische Ente, und was ist wohl darin zu sehen? Der französische Künstler Olivier Cablat, der für sein Projekt mit dem Nestlé Stipendium unterstützt wurde, suchte im Internet die grösstmögliche Anzahl Bilder, die einen Bezug zu seinem «Konzept der Ente«hatten. Mehrere hundert Fotografien aus der ganzen Welt finden sich letztendlich am Festival Images wieder und können im Inneren der riesigen Ente besichtigt werden. Als wir die Ente besuchten, lief gerade eine originelle Videoanimation, in welcher sich Fahrzeuge in Tierformen wandelten.

Images Yuji Hamada

Am Quai Maria-Belgia westwärts stösst man auf fünf Grossformatbilder, die auf Fässern im See schwimmen. Es ist das Projekt «Primal Mountain» des japanischen Fotografen Yuji Hamada. Hamada erhielt eines Tages von einem Freund eine Postkarte aus der Schweiz, auf welcher eine Bergkette abgebildet war. Die Ansicht dieses Fotos inspirierte ihn, die Berge aus Aluminiumfolie nachzuformen und diese danach zu fotografieren. Die Miniaturen, die hier auf fünf Quadratmeter grossen Platten präsentiert werden, passen perfekt zur Alpenlandschaft des Genfersees.

Von hier geht man dem Flüsschen «La Veveyse» entlang und gelangt nach ein paar Hundert Metern zur «Ecole de Photographie de Vevey» (CEPV), der bekannten Fachhochschule für Fotografie und Gestaltung, die wohl das Zentrum der Fotografenausbildung in der Welschschweiz ist.

Images Hordes et Nuees

Für das Festival Images hat die Schule eine Ausstellung von knapp fünfzig eng mit der Schule verbundenen Fotografen vorbereitet. Die Reihe «Hordes et nuées» untersucht unser Verhältnis zur Tiernatur. In einer üppigen visuellen Zusammenstellung in der Tiere und Menschen Seite an Seite stehen, beleuchten die Bilder unsere animalische Seite, gezähmt und doch stets bereit auszubrechen. Die Ausstellung entfaltet sich in einer feurigen und hinreissenden Parade in der sich Grausamkeit mit Zärtlichkeit färbt und die Gewalt der Gesten sich mit der Anmut der tierischen Haltung vermischt.

Weiter der Veveyse entlang kommt man zum Einkaufszentrum Saint-Antoine, an dessen Ostfassade eine weitere Ausstellung zu entdecken ist.

Images Alex Troesch und Aline Paley

Alex Troesch und Aline Paley, Absolventen der Fotoschule Vevey, die heute in Brooklyn (USA) leben, reisten im September 2013 nach Breda (Niederlande) und tauchten in das verstörende Universum der Redhead Days ein. Die Fotoreihe «Fauvisme», die dabei entstanden ist, berichtet über diese erstaunliche Versammlung, die für eine kleine Minderheit zum spielerischen und festlichen Anlass geworden ist, zwei Tage lang zu zelebrieren in der Überzahl zu sein.

Gleich daneben und mit zwei grossen Bildern über der Veveyse aufgehängt, präsentiert der holländische Fotograf Erik Kessels – der gleiche, der die Kirche mit einem Haufen Fotos füllte – seine Bildserie «Valerie, in almost every picture».

Images Eric Kessels

Die Originalität der Bildserie liegt in der seriellen und bizarren Besessenheit, dargestellt als banales Erinnerungsalbum von Fred und Valerie. Dieses Paar aus Florida teilt eine komische Leidenschaft für «lustige, nasse Abenteuer». Er ist Fotograf, sie ist sein Modell und das Wasser stets der Rahmen. Erik Kessels entdeckte die Bilder auf Flickr und schuf daraus einen Bilderband über Valerie. Für das Festival Images findet sich Valerie in ihrem Lieblingselement wieder, in drei verschiedenen aquatischen Milieus: im Wasser der Veveyse, in einem Stadtbrunnen und an den Ufern des Genfer Sees.

Über die Strasse und durch die Passage Saint-Antoine in Richtung Bahngeleise bietet sich ein perfekter Blick auf ein weiteres Grossbild, das an der Fassade des Gebäudes «Les Ateliers» angebracht ist.

Images 20 Prager

Die 210 Quadratmeter grosse‐Blache entlang der Bahngleise aufgebaut ist ein Fotogramm aus Alex Pragers Kurzfilm «La Petite Mort Film Still #3» aus dem Jahr 2012. Diese Arbeit, zwischen klassischem Kino und einer Hommage an die Meister der Videokunst angesiedelt, berichtet uns von jenem eigenartigen Augenblick in dem man das Antlitz Gottes erblickt. Die Figur, die von der französischen Schauspielerin Judith Godrèche gespielt wird, taucht in einen See hinein und verlässt ihn vollkommen verwandelt.

Von hier lohnt es sich, einen Häuserblock weiter die Werke von Lee Friedlander zu betrachten, darunter das fast 500 Quadratmeter grosse das Riesenbild an der Fassade der Holdingaz SA.

Images 09 Friedlander

Lee Friedlander ist zweifellos einer der wichtigsten Vertreter der amerikanischen Fotografie. Aufgrund seiner Arthrose kann er sich nur schwerlich bewegen und durchfährt deshalb für «America by Car» sein Land. Die Besonderheit dieser Fotoreihe besteht in der Art die Reise zu dokumentieren, ohne je den Sitz seines Autos zu verlassen. In reinster Road Trip‐Tradition, der vor ihm schon Jack Kerouac und Robert Frank verfallen sind, bleibt somit das Auto wesentlicher Bestandteil des amerikanischen Traumes und der Erforschung der enormen Vielfalt der Landschaften dieses Landes.

Wenn Sie sich fragen, was mit all den gigantischen Prints geschieht, präsentieren die Organisatoren eine ebenso originelle wie sinnvolle Lösung:

Images Souvenir-Taschen

Sie machen Taschen daraus und verkaufen diese – zusammen mit anderen Images-Souvenirs – an einem Stand in der Salle del Castilio. Beeilen Sie sich, wenn Sie auch noch ein Stück von Ihrem liebsten Originalbild haben möchten …

Es ist spät geworden – zurück zum Bahnhof. Und hier in der Bahnhofhalle wartet eine letzte Rosine auf uns:

Images 07 Eijkelboom Bahnhof

Auf einen knapp 10 Quadratmeter grossen LED-Bildschirm präsentiert Hans Eijkelboom seine Serie «Cities & Numbers». Er nahm sich jeweils einige Tage Zeit, um in den Strassen von sechs Städten Personen zu fotografieren, die auf ihren Kleidern Zahlen von 1 bis 100 trugen und fotografierte diese unbemerkt und akribisch durch, bis die Zahlenreihe komplett war. Danach sortierte er die Bilder nach Zahlen und gestaltete die entsprechende Präsentation. Die Installation befindet sich im Zentrum der Stadt und reflektiert dabei den Kontext, in dem Eijkelboom die Aufnahmen gemacht hat: in der Masse versteckt.

Images Grande Place

Vevey ist noch bis nächsten Sonntag, 5. Oktober 2014 eine unverwechselbare Bilderstadt, mit einem des grössten und originellsten Fotofestival Europas. Nein, wir haben an einem Tag nicht alles sehen können – es verbleibt noch rund ein Drittel an Ausstellung und Installationen, die wir in unserem Tagesrundgang beiseite lassen mussten. Aber wir überlassen es gerne Ihnen, diese 30 Ausstellungen auch noch zu entdecken. Es lohnt sich sicher …

Reportage: Urs Tillmanns, mit teilweiser Verwendung von Pressetexten.

Für weitere Informationen lesen Sie unseren früheren Artikel über die Images 2014 oder konsultieren Sie die Webseite www.images.ch (nur französisch oder englisch)

 

Die Fakten und Zahlen zur Images 2014

68 Projekte mit freiem Eintritt bis 5. Oktober 2014

28 Projekte im Freien,
18
im Inneren,
4
internationale Projekte (Berlin, BuenosAires, Johannesburg und Kobe),
6 am Grossen Internationalen Fotografie‐Grand Prix ausgezeichnete Projekte,
10 parallele Veranstaltungen und
2 Sonderprojekte.

Künstler aus 18 verschiedenen Ländern.

Fast 1’500 für die Dauer der Veranstaltung ausgestellte Bilder (Erik Kessels Projekt nicht mitgezählt).

350’000 Fotos im Format 10×15 für Erik Kessels Installation «24hrs in Photos».
500m
2 Plane für eine Arbeit von Arno Rafael Minkkinen an einer Fassade im Freien.

Ein Spiegel von 96mfür Leandro Erlichs Installation.

Eine riesige, 6m hohe Ente für Olivier Cablats Ausstellung «Duck».

Anlässlich des Festivals 2012 besuchten 47’000 Personen die Ausstellungen im Inneren und etwa 90’000 Besucher jene im Freien.

 

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