Urs Tillmanns, 25. Mai 2014, 07:00 Uhr

Leica ist zurück in Wetzlar

Der Name «Leica» steht von jeher mit der Stadt Wetzlar in Verbindung. Hier hatte 1914 Oskar Barnack als Leiter der Versuchsabteilung im optischen Werk von Ernst Leitz eine Fotokamera für 35 mm breiten Kinofilm fertiggestellt. Und hier in Wetzlar eröffnet 100 Jahre später Leica eine neue, eindrucksvolle Unternehmenszentrale.

 

Oskar Barnack hatte nie einen Auftrag, um die miniaturisierte Kamera zu konstruieren. Der Ansporn dazu ging auf seine Idee zurück, eine Kamera zu bauen, mit der er schnell einen kurzen Filmstreifen Kinofilm belichten und danach entwickeln konnte, um die richtige Arbeitsblende für seine Kinoaufnahmen zu ermitteln. Ob er dazu seine «Liliput» genannte Kamera je praktisch eingesetzt hat, wissen wir nicht.

Leica_Barnack_Urleica

Oskar Barnack vollendete im März 1914 die «Ur-Leica»

Jedenfalls hat Barnack im Rahmen der Weiterentwicklung das Bildformat von der Kinogrösse 18×24 mm auf 36×24 mm verdoppelt und hatte so den Grundstein zu einer neuen Kamera und einer neuen Art der Fotografie geschaffen: Mit der taschenkompakten Kamera konnte man aus freier Hand spontan bis zu 36 Bilder auf einer Filmrolle aufnehmen – was in der Zeit, als noch Plattenkameras und das schwarze Einstelltuch üblich waren, völlige neue Möglichkeiten, insbesondere in der Reportagefotografie ergab. (Lesen Sie mehr zur Geschichte von Oskar Barnack und den Anfängen der Leica in der NZZ vom 21. Mai 2014)

Leica_Prospekt_1925

Die erste Leica-Anzeige im Frühjahr 1925. 36 Aufnahmen mit einer Filmspule war eines der wichtigsten Argumente

Die Kriegs- und Krisenjahre des ersten Weltkriegs liessen die neuartige Kamera wieder in der Schublade verschwinden. Man musste bei Leitz anderen Projekten Vorrang geben, und in der Wirtschaftskrise nach dem ersten Weltkrieg war zunächst nicht an die Markteinführung einer neuen Kamera zu denken. Erst 1924 entschied Ernst Leitz in einer legendären Sitzung, dass die Kamera gebaut werden sollte, und so war die erste Leica 1925 auf der Leipziger Frühjahrsmesse erstmals öffentlich zu sehen.

Die Jahre danach waren von einer ständigen Weiterentwicklung und Modellvielfalt geprägt. Die Leica setzte sich insbesondere in der Reportagefotografie schnell durch, war doch die kleine Kamera für schnelles und unbemerktes Fotografieren geradezu prädestiniert. Auch während des Zweiten Weltkriegs wurden die Leicas auf beiden Seiten der Front eingesetzt, und in den deutschen Kampfflugzeugen waren Spezialkameras für 10-Meter-Filmrollen im Einsatz, die bis zu 250 Aufnahmen ohne Filmwechsel möglich machten. 1954 kündete die Leica M3 mit Bajonettanschluss und Leuchtrahmenmesssucher eine neue Ära der Leica-Fotografie an. Sie präsentierte sich in einer neuen Grundform, die bis auf den heutigen Tag in der Leica M-Reihe mit nur geringfügigen Abweichungen beibehalten wurde.

Leica_Solms_1988

1988 wurde die Leica-Produktion von Wetzlar ins ca. 15 km entfernte Solms verlegt

Die Erfolgsgeschichte von Leica war jedoch nicht unendlich. Die Loslösung der Leica-Unternehmensgruppe von Ernst Leitz, der Umzug ins 15 Kilometer entfernte Solms und der harte Konkurrenzkampf mit japanischen Mitbewerbern im Spiegelreflex- und Kompaktkamerasegment, waren erschwerte, kaum zu meisternde Bedingungen für das Unternehmen. Erst der Einstieg der Salzburger ACM Projektentwicklung GmbH unter Dr. Andreas Kaufmann und dem sukzessiven Erwerb einer Aktienmehrheit von über 97 Prozent bis 2006, sowie die  – etwas spätete – Neuausrichtung hin zur digitalen Fotografie, brachte die Leica Camera AG wieder auf Erfolgskurs.

Leica Wetzlar

Architektonische Glanzleistung: Die neue Leica-Unternehmenszentrale in Wetzlar 

 

Back to the roots

«Es ist ein Anfang und eine Rückkehr» sagte Dr. Andreas Kaufmann, Aufsichtsratsvorsitzender und Mehrheitsaktionär der Leica Camera AG anlässlch der Eröffnungsfeier. «Mit der Einweihung der neuen und grösseren Unternehmenszentrale kehrt die Leica Camera AG zu ihren Wurzeln zurück. Von Wetzlar aus hat die Leitz Camera ihren Siegeszug über die ganze Welt angetreten. Indem die Leica Camera AG nun wieder an die Wiege des Unternehmens zurückkehrt, verdeutlichen wir den Stellenwert, den dieser Standort für die gesamte optische Industrie in Deutschland hat. Die Leica Camera AG bekommt in Wetzlar ein neues Zuhause, das auch Besuchern und Foto-Enthusiasten offen steht und in einer einzigartigen Erlebniswelt wertvolle Einblicke in die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft der Fotografie ermöglicht.» Zudem konnten hier wesentlich optimierte Produktionsbedingungen neu geschaffen werden mit einer Kapazitätssteigerung in der Grössenordnung von 50 Prozent. Damit dürften auch die häufig monierten Lieferengpässe bei gewissen Produkten weitgehend beseitigt werden können.

Dr A Kaufmann

Dr. Andreas Kaufmann spricht vor rund 2’000 geladenen Gästen im Veranstaltungszelt

 

Architektur und Erlebniswelt

Auf einer Grundrissfläche von rund 27’000 m2 ist nach Plänen des Architekturbüros Gruber + Kleine-Kraneburg ein hochmodernes Firmengelände für Produktion, Verwaltung, Akademie und Customer Care der Leica Camera AG entstanden. Rund 700 Leica Mitarbeitern bietet das nach neuesten energetischen Standards geplante Gebäude Platz.

Leica Wetzlar

Frei einsehbare Fertigungsbereiche, ein Erlebnisbereich, eine Leica Galerie sowie ein Store, ein Fotostudio, Restaurant und Kaffeehaus ergänzen das Angebot für Besucher, Leica Freunde und Fotografie-Interessierte. Ein zentraler Platz verbindet den Hauptsitz der Leica Camera AG mit den bereits im Leitz-Park bestehenden Firmengebäuden der Weller Feinwerktechnik GmbH und der ViaOptic GmbH. Insgesamt hat der Neubau im Leitz-Park ein Investitionsvolumen von 60 Millionen Euro.

Leica Wetzlar Eingangsbereich

Die grosszügige Eingangshalle führt im Publikumsbereich über …

Leica Ausstellung

… in den Ausstellungsbereich mit Leica-Inkunabeln und 100 beeindruckenden Bildern

Weil mit dem Neustart zugleich der Ort, die Kamera und das Jubiläum gefeiert werden sollen, hat die Leica Camera AG beschlossen, sich auch architektonisch ein Gesicht zu geben – mit einem Gebäude, das identitätsstiftend und für die Marke charakteristisch ist. «Wir wollen einen Ort schaffen, an dem unsere wertigen Kameras, Objektive und Sportoptiken gefertigt werden und der darüber hinaus auch die Werte der Marke sichtbar macht. Der Leitz-Park zelebriert den Mythos Leica, sei es in Fotoausstellungen, in der Leica Erlebniswelt oder bei einem Einblick in die Fertigung», erläutert Leica Vorstandsvorsitzender Alfred Schopf.

Leica Ausstellung

Journalisten aus allen Ländern bewundern die seltenen Leica-Exponate

Besonders hebt Alfred Schopf auch das energetische Konzept und die erweiterte Produktionsfläche der Zentrale hervor. «Mit Geothermiesonden unter dem Parkplatz und nachrüstbaren Photovoltaikelementen auf den Dächern kann das Haus einen Grossteil seiner Energie aus regenerativen Quellen selbst decken», erklärt der Vorstandsvorsitzende. «Das nach neuesten Umwelt- und Energiestandards geplante Fertigungs- und Verwaltungsgebäude erlaubt es uns, die grosse Nachfrage nach Leica Produkten zeitnah und ohne längere Wartefristen zu erfüllen. Unsere Mitarbeiter erhalten ein modernes und attraktives Arbeitsumfeld, das Motivation und Kreativität fördert und in der Fertigung die von Leica gewohnte technische Perfektion bei höchsten qualitativen Ansprüchen ermöglicht.»

Kameramontage

 

Leica-Rundgang: Den Besuchern werden durch grosse Vitrinen interessante Einblicke in die Produktion geboten

In einem öffentlich zugänglichen Leica Erlebnisbereich erfahren die Besucher alles zur Geschichte und Gegenwart des Unternehmens und der optischen Fertigung «Made in Germany». Durch drei Fenster haben Gäste Einblick in die Reinräume, in denen Linsen, Objektive und Kameras gefertigt werden. Um weitere Informationen zu vermitteln, sind einzelne Fensterscheiben mit Touchscreens ausgerüstet. Wie auf dem Smartphone können Besucher darauf durch Wischen und Tippen Filme, Fotos und Erläuterungen abrufen. Im Leica Store wird zudem individuelle Beratung gross geschrieben. Kunden können alle aktuellen Produkte des Unternehmens direkt in Wetzlar erwerben.

Kameramontage

Der Leitz-Park, in dem schon die ebenfalls zum Einfluss der Salzburger ACM Projektentwicklung der Familie Kaufmann zählenden Firmen ViaOptic und Weller Feinwerktechnik angesiedelt sind, entstand auf einem Teilareal der früheren Spilburg-Kaserne. Bauherr des neuen etwa 60-Millionen-Euro-teuren Kamera-Werks ist die ACM-Tochter Leitz-Park GmbH, welche die Immobilie an die Leica Camera AG vermietet.

Belederung

Mit ihren derzeit 700 Beschäftigten und dem absehbaren mehrschichtigen Betrieb ist die aus der benachbarten Kleinstadt Solms wieder an den Ursprungsort zurück gekehrte Firma heute einer der wichtigsten Arbeitgeber in Wetzlar und so erstaunt es kaum, dass sich zu den Eröffnungsfeierlichkeiten im schwarzen Leica-Zelt neben rund 2’000 geladenen Gästen und dem Investor Dr. Andreas Kaufmann und dem Architekten Martin Gruber auch zahlreiche Honoratioren in den Kreis der Eröffnungsredner einreihten. Dazu zählte die gesamte Hierarchie der öffentlichen Hand vom hessischen Finanzminister Dr. Thomas Schäfer, dem Regierungspräsidenten Lars Witteck aus Giesen, dem Landrat des Lahn-Dill-Kreises Wolfgang Schuster bis zum Wetzlarer Oberbürgermeister Wolfram Dette.

Eröffnung

Am 23. Mai 2014 um 13:35 wurde mit dem «Schnitt durchs rote Band» das neue Leica-Werk offiziell eröffnet

 

 

«100 Jahre Leica»-Westlicht Auktion in Wetzlar

Am Rande der Festivitäten, aber nicht minder beachtet, fand zum 100-Jahr-Jubiläum von Leica im soeben eröffneten Leitz-Park in Wetzlar eine Sonderverversteigerung des Wiener Autionshauses Westlicht statt.

Westlicht Sonderauktion

Der Raum war übervoll, so dass die Zuschauer die Auktion über Grossbildschirme verfolgen mussten

Insgesamt 100 seltene Schätze aus allen Epochen technischer Entwicklung des Hauses Leitz und Fotografien berühmter Leica Fotografen sorgten für spannende Bietergefechte im Saal, und das Auktionshaus Westlicht konnte eine extrem hohen Verkaufsquote von 99 Prozent bilanzieren.

Westlicht_Leica_250_500

Das Spitzenlos unter den Kameras war mit einem Preis von 576’000 Euro eine bereits weiter oben erwähnte Leica 250 GG mit Leica-Motor aus dem Jahr 1941, die mit 120’000 Euro ausgerufen wurde. Die Leica 250 wurde auch «Reporter»-Leica genannt und konnte bis zu 250 Aufnahmen ohne Filmwechsel machen. Sehr wenige Exemplare der zur Luftaufklärung in deutschen Kampfflugzeugen eingesetzten Kameras wurden mit Motorantrieb MOOEV ausgestattet, von denen die meisten verloren gingen.

Mit 408’000 Euro erzielte eine Leica MP Schwarzlack von 1957 (Startpreis: 140’000 €) den zweithöchsten Preis der Auktion. Diese MP ist das einzige Serienmodell, das eine individuelle Nummerierung aufweist und von den sonst üblichen Fabrikationsnummern aller anderen Leica-Kameras völlig abweicht.

Westlicht_Leica_gun_rifle_500

Alle der insgesamt 100 Kameralose wurden verkauft, viele über ihrem Schätzpreis. Unter den weiteren Highlights der Auktion waren das E. Leitz New York Leica Gewehr RIFLE von 1937. Es wurde mit 120’000 Euro ausgerufen und kletterte auf einen Preis von 360’000 Euro.

Westlicht_M3_prototyp_500

Zu einem spannenden Schlagabtausch kam es auch bei einer Leica M3 Prototyp aus der Zeit um 1953 (Ausrufpreis: 80’000 Euro). Die seltene Vorserienkamera sicherte sich ein Sammler um 288’000 Euro.

Westlicht_Leica_Rundbildkamera_500

Die mit 50’000 Euro gestartete Leica Illc Rundbildkamera E2 wurde um 240’000 Euro verkauft. Mit einem Preis von 84’000 Euro steigerte sich die Leica M3 Chrome von 1954, die mit 8’000 Euro ausgerufen wurde, gewaltig.

Hervorragend fiel das Ergebnis für die Fotografien aus. Besonders begehrt waren dabei mit einem Preis von 20’400 Euro die «Löwen, Frankfurt am Main», 1932, von Wilhelm Schack (Ausrufpreis: 5’000 Euro). Sehr gefragt war auch der Vater der Leica, Oskar Barnack. Sein 1934 in Wetzlar von Julius Huisgen aufgenommenes Porträt erzielte 7’200 Euro (Ausrufpreis: 2’000 Euro).

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Unzählige durch ihren Sucher schauende Mitglieder des «Nikon Camera Club» verewigte David Douglas Duncan mit seiner Leica 1980 in Tokio (Ausrufpreis: 3’000 Euro). Mit 19’200 Euro war es die zweitteuerste Fotografie. Das Bild zeigt hunderte Nikons gegen eine Leica gerichtet – ein schöne Pointe der Westlicht Auktion zum Leica-Jubiläum.

 

Leica im Jubiläumsjahr

Das Jahr 2014 dürfte nicht nur wegen des 100jährigen Jubiläum von Leica-Fotografie und dem prachtvollen Neubau in die Leica-Geschichte eingehen, sondern auch wegen verschiedenen neuen Produkten, die vor und während den Eröffnungsfeierlichkeiten präsentiert wurden.

Leica TDazu gehört die Leica T, mit der sich bereits einige der Besucher schmückten, eine neuen Kompaktsystemkamera mit APS-C Sensor und einem Vollaluminiumgehäuse. Zwar stösst die völlig neue Form vor allem bei älteren Leica-Liebhaber auf geteilte Meinungen, doch richtet sich die neuen Systemkamera in erster Linie an eine jüngere Käuferschaft, die damit den Einstieg in die Leica-Fotografie findet.

Leica M-KofferWeiter wurde als Überraschung das neue M-100 Kit mit einem analogen und einer digitalen M-Sondermodell und drei Objektiven präsentiert, von dem es nur 101 Exemplare gibt. Sowohl die beden Kameras als auch die drei Objektive mit 28, 35 und 50 mm Brennweite, sind aus Edelstahl gefertigt und dürften dereinst zu den begehrten Sammlerstücken gehören. Aufsehen erregte das im Koffer lieferbare Summilux-M 1,4/8 mm, das hier als Vorserie verfügbar ist, während das entsprechende Objektiv in Aluausführung auf später verschoben wurde.

Leica Macro-Elmar-M_4_90_LeadFerner überraschte das Leica Macro-Elmar 1:4/90mm  mit Einstellschnecke sowie der dazu – oder zu jedem anderen M-Objektiv – passenden Macro-Adapter. Die Kombination ist für Nahaufnahmen interessant, weil damit Entfernungen von 14 cm (Massstab 1:2) bis Unendlich eingestellt werden können.

Damit noch nicht genug für’s Jubiläumsjahr. Dieses fällt bekanntlich mit der Photokina (16, bis 21. September 2014 in Köln) zusammen, und es ist damit zu rechnen, dass Leica vor und auf dieser Weltmesse noch einiges an Neuheiten präsentieren dürfe. Mehr dazu war allerdings auch an den Wetzlarer Biertischen noch nicht zu erfahren…

Urs Tillmanns / Christoph Jehle / Pressematerial

Weitere Informationen über Leica finden Sie unter www.leica-camera.de sowie bei der Schweizer Niederlassung www.leica-camera.ch

 

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