Urs Tillmanns, 17. Januar 2014, 16:00 Uhr

Ausstellungskameras gesucht für «Fotografische Nostalgie mit zwei Augen»

Der Titel «Fotografische Nostalgie mit zwei Augen» ist schon mal originell. Dahinter verbirgt sich eine Ausstellung über Zweiäugige Spiegelreflexkameras, die am 23. März 2014 im Rahmen der Fotobörse Gladbeck zu sehen sein wird. Es soll die weltweit grösste Ausstellung von Zweiäugigen Spiegelreflexkameras werden. Dazu werden jetzt noch Kameras gesucht – möglichst seltene und originelle.

Die italienischen Paparazzi hatten eine Rolleiflex dabei, als sie in den Sechziger Jahren das Nachtleben in Rom nach Prominenten durchstreiften, Elizabeth Taylor belichtete mit ihr die Filmpartner, bei den Filmfestspielen in Cannes gehörte eine Rollei zur Standardausrüstung der Pressefotografinnen und -Fotografen, James Dean fotografierte mit ihr die Häuserschluchten in New York, Grace Kelly ihren Nachwuchs.

Mit dieser 6×6-Kamera entstanden berühmte Bilder, als Marilyn Monroe im September 1954 ihr Kleid auf einem Luftschacht in Manhattan flattern liess, bannten die Kameras mit den zwei Objektiven dieses Ereignis auf den Rollfilm. Damals gab es keine Zeitschrift oder kein Buch ohne die quadratischen Rollei-Fotos. Diese Kameras haben jahrzehntelang die Fotografie geprägt.

Zweiäugige Foto NikonClub 5496_750

Die berühmteste Vertreterin dieser Bauart, die Rolleiflex aus Braunschweig, kann 2014 auf eine 85-jährige Geschichte zurückblicken, denn 1929 zeigte Reinhold Heidecke erstmalig eine kompakte Rollfilmkamera mit zwei Objektiven – oben für die Motivsuche, unten für die Belichtung. Das Jubiläum und «175 Jahre Fotografie» ist der Anlass, in der Stadthalle Gladbeck die bisher «weltgrösste Schau dieser Kameralinie» zu zeigen, denn die Doppelaugen entwickelten sich weiter, erhielten lichtstarke Objektive und passendes Zubehör.

Die geniale Kameraidee (Werbespruch: «Im Sucher bereits das fertige Bild sehen») fand schnell Nachahmer, in Braunschweig produzierte der örtliche Konkurrent Voigtländer die Superb, Zeiss hielt mit der Ikoflex dagegen, aus Dresden kam die Mentorett, aus Solingen die Montanus, in Nürnberg entstand die Photina, in Barntrup lief die Rollop vom Band und in Freital die Welta.

Die deutsche Rollei-Konkurrenz erwies sich als harmlos im Vergleich zu den ausländischen Rollei-Nachbauten aus China, England, Frankreich, Hong Kong, Italien, Polen, Frankreich, der Sowjetunion, den Vereinigten Staaten und der Tschechoslowakei. Richtig los ging es mit den Imitaten aus Japan, 500 verschiedene Modelle überschwemmten die Exportmärkte. Was als Rollei-Kopie begann, vervielfältigte sich schnell – und die fernöstlichen «Verehrer» lernten schnell. Während des Krieges baute Minolta die erste Zweiäugige mit Wechselobjektiven, Konica brachte sie dann auf den Markt und Mamiya verwöhnte weltweit die Profis und Amateure mit hochwertigen Systemkameras, dazu passend ein kompletter Satz von Wechselobjektiven, Suchern und Mattscheiben.

Die Erfinder in Braunschweig reagierten mit einer Weitwinkel- und Tele-Rollei, aber der Trend ging in der Mittelformat-Fotografie zur einäugigen Systemkamera, Hasselblad machte es vor, andere Hersteller folgten. Rollei verabschiedete sich langsam von dem Klassiker und baute 1966 die «einäugige» System-Rolleiflex SL66.

Die immer besser werdenden Kleinbild-Spiegelreflexkameras liessen das Interesse an den Zweiäugigen sinken, Profis kauften eine Nikon F statt einer Rolleiflex 2,8, Amateure bevorzugten Minolta SR-T, Canon FTb, Konica Autoflex, Asahi Pentax Spotmatic, Nikkormat und Praktica-Nova. Mittlerweile sind die letzten Vertreter der «Fotografie mit Lichtschacht» verschwunden, als letzte Japan-Kamera beendete Yashica die Herstellung der kleinen und feinen 124G. Nur der Wegbereiter dieser Kameraidee ist noch vertreten. Für Rollei-Liebhaber fertigt die DHW-Fototechnik in Braunschweig immer noch drei verschiedene Rolleiflex-Kameras, entweder mit einem fest eingebauten Weitwinkel, Normalobjektiv oder Tele.

Der «Nikon-Club Deutschland» als Veranstalter sucht noch Sammler und Liebhaber von zweiäugigen Kameras, die bereit sind, die «Zwei-Augen-Schau» in der Stadthalle Gladbeck zu unterstützen. Erwünscht sind seltene Stücke, beispielsweise ein Rolleiflex-Motor, die zweiäugige Kleinbild-Samocaflex, eine Zeca-Flex aus den Dreissiger Jahren, die gigantische Cambo TWR aus den Niederlanden, die Linhof Technika-Flex aus München oder eine Tessina aus der Schweiz. Auch Prototypen und Zweiäugige «mit einer Geschichte» sind herzlich willkommen. Eine Namensplakette des Sammlers in einer der Ausstellungsvitrinen ist dabei selbstverständlich.

Die Fotobörse Gladbeck ist eine der grössten Veranstaltungen dieser Art in Europa und beginnt am 23. März 2014 ab 11 Uhr in der Stadthalle Gladbeck. Als Ergänzung zur Ausstellung zeigt der Nikon Club Deutschland im Kinosaal der angrenzenden Stadtbücherei eine Beamerschau über die Entwicklung dieser Kameras.

Nachfragen an Peter Braczko (Tel. 0049 2043-681717) oder Ralf Jannke (Tel. 0049 228-622833) ausserdem über Mail Peterbraczko [at] gmx.de

 

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