Urs Tillmanns, 3. November 2012, 11:00 Uhr

Buchtipp: «Jules Beck – Der erste Schweizer Hochgebirgsfotograf»

Das Werk des ersten Hochalpinfotografen Jules Beck (1825-1904) kam vor zwei Jahren in der Ausstellung «Photographische Seiltänzereien» im Alpinen Museum in Bern ans Licht. Jetzt ist das Buch dazu erschienen – nicht nur ein Bildband über die Bergwelt von anno dazumal, sondern ein hervorragend recherchiertes Werk über einen aussergewöhnlichen Fotografen.

 

Schon die Ausstellung «Photographische Seiltänzereien – Jules Beck (1825-1904). Die Anfänge der Hochgebirgsfotografie», die ab September 2010 ein Jahr lang im Alpinen Museum in Bern zu sehen war, war eine Augenweide – und das jetzt erschienene Buch ist es nicht weniger. Das Buch vermittelt uns nicht nur einen umfassenden Einblick in das Werk des (wahrscheinlich) ersten Hochgebirgsfotografen Jules Beck, sondern es zeigt uns in erstaunlicher Qualität die Schweizer Alpenwelt, wie sie vor rund 130 Jahren noch war.

Jules Beck muss ein aussergewöhnlicher Mensch und Fotograf gewesen sein. Die Kunde aus Paris von der Erfindung Daguerres muss den damals 14jährigen begeistert haben, und doch scheint es vor allem das Bergsteigen, das den 41-jährigen 1866 dazu bewog, sein alpines Gepäck mit grossformatigen Kameras und schweren Glasplatten zu belasten. Vor allem war es das gegenüber den Kollodium-Fotografie stark vereinfachte Verfahren der Tannin-Trockenplatten, welches Jules Beck bewog sich der Gebirgsfotografie zu verschreiben, nachdem Pioniere wie die Gebrüder Bisson oder Adolphe Braun mit früheren Verfahren nur wenige gelungene Hochalpinaufnahmen zustande brachten.

Dass Jules Beck seine Technik vollends beherrschte und zudem eine perfekte Bildgestaltung pflegte, beweisen die Aufnahmen in diesem Buch. Die Bilder müssen damals, als das Hochgebirge nur von furchtlosen Draufgängern und kaum von Jedermann bestiegen wurde, wahre Sensationen gewesen sein, welche der Talbevölkerung eine neue, unbekannte Welt vor Augen führten. Heute blättern wir bergbahnverwöhnten Betrachter Alpenbücher schneller durch, weil Drei- und Viertausender für uns keine unbekannte Welt mehr sind.

Und doch sind die Bilder auch heute noch etwas Besonderes, weil sie uns eine Alpenwelt zeigen, die leider heute so nicht mehr ist. Die Landschaft hat sich verändert, die Gletscher sind geschmolzen, und Jules Beck entführt uns auf Hochgebirgstouren, die wahrscheinlich nur wenige von uns unter die Füsse nehmen. Dann verblüfft die Qualität der Bilder, die alle mit grossformatigen Kamera aufgenommen wurden und eine Schärfe und Kontrastbewältigung zeigen, die für die damalige Zeit beachtlich und auch aus heutiger Sicht noch immer bewundernswert ist.

Interessant an Becks Bildern ist die Tatsache, dass Beck fast grundsätzlich Menschen in seinen Landschaftsbildern zeigt. Sie dienen einerseits als Vergleichsgrösse, dokumentieren jedoch andererseits, mit welcher Ausrüstung damals die Berge «bezwungen» wurden – im wahrsten Sinn des Wortes. Es sind namenlose Helden, die wir hier mit ihren langen Leitern und wenig vertrauenswürdigem Seilwerk sehen – und auf einigen Bildern muten courragierte Damen in langen schwarzen Röcken aus heutiger Sicht unglaublich und sonderbar an.

Das Buch ist aber nicht nur ein Bildband einer vergangenen Alpinepoche, sondern es gewährt uns einen hervorragend recherchierten Einblick in die damalige Bergfotografie sowie in das Leben und Schaffen eines aussergewöhnlichen Menschen: Jules Beck. Was den beiden Autoren zu Gute kam, ist die Tatsache, dass Jules Beck seinen gesamten Nachlass dem Alpinen Museum in Bern übergab, und dass dieser dadurch praktisch komplett und in einem sehr guten Zustand erhalten geblieben ist.

Das Werk ist nicht nur interessant durchzublättern, sondern es präsentiert uns auch sehr spannende und lesenswerte Textkapitel, die uns mit der Fotogeschichte und mit dem Schaffen von Jules Beck vertraut machen. Urs Kneubühl, zur Zeit der Ausstellung Direktor des Alpinen Museums, und der Fotohistoriker Markus Schürpf haben hier nicht nur eine löbliche schriftstellerische Leistung vollbracht, sondern sie präsentieren uns eine sehr lesenswerte und mit wissenschaftlicher Sorgfalt recherchierte Arbeit.

Auch der Anhang des Buches ist interessant, in welchem neben Quellenangaben und Chronologie zu Jules Beck auch sein komplettes Platten- und Tourenverzeichnis durchstöbert werden kann. Danach kommen fünf Doppelseiten, welche einen Schlusspunkt setzen, dem eine auffallendere Präsenz gebührt hätte. Es werden insgesamt sieben Bilder von Jules Beck mit übereinstimmenden heutigen Aufnahmen verglichen und zeigen, wie sich die Landschaft in den rund 130 Jahren verändert hat. Sie geben Antwort auf die Frage, die sich wohl jeder Betrachter stellt: «Wie sehen diese Berglandschaften heute aus?» Schade – aus dieser Thematik hätte man mehr machen müssen, mit einer auffälligeren Präsentation, in einem eigenen Kapitel, mit einem fundierten Text, der auf die Problematik der Klimaerwärmung eingeht und diese mit solchen einmaligen und eindrücklichen Bildern versinnbildlicht. Bleibt zu hoffen, dass diese Thematik dereinst gesondert aufgegriffen wird, und dann dürften die sensationellen Bilder von Jules Beck abermals den Weg in die Öffentlichkeit finden.

Urs Tillmanns

 

Buchbeschreibung des Verlages

Die Dufourspitze, das Matterhorn, Eiger, Mönch und Jungfrau: Jules Beck war der erste Fotograf, der in der Schweiz die Berge aus der Nähe aufnahm. Dieses reich bebilderte Buch präsentiert sein einmaliges Lebenswerk.

Spektakuläre Bergpanoramen und Ansichten von Gletschern, frühe Schutzhütten des Schweizer Alpen-Clubs SAC sowie einmalige Dokumente zu Fotoalpinismus und Landschaftswandel: Jules Beck (1825–1904) gehört zu den Pionieren, die sich mit Steigeisen und Kamera ins Hochgebirge wagten, um, wie er sagte, «die glanzvolle und einzig schöne Firnenwelt ins Flachland hinunter zu zaubern». 1867 fotografierte er als Erster auf dem höchsten Berg der Schweiz, der Dufourspitze.

Jules Beck vermachte sein in der Fotogeschichte einzigartiges Archiv dem Alpinen Museum der Schweiz (ALPS), das diese Monografie über sein Lebenswerk herausgibt. Mit rund 300 Fotografien und ausführlichen Texten zu Jules Becks Leben und Werk von Urs Kneubühl, Geograf und langjähriger Direktor des ALPS, und Markus Schürpf, Fotohistoriker. Und mit zahlreichen Originalzitaten dieses Wegbereiters der modernen alpinen Fotografie.

«Wie manchem Alpenclubist sind meine Bilder liebe Erinnerungen an die durchstreifte Welt des Hochgebirges.» Jules Beck

 

Der Inhalt

Bildteil 1: Waadt-Unterwallis

Textteil 1: Zum Einstieg

Bildteil 2: Oberwallis

Textteil 2: Jules Beck – die Entwicklung seines fotografischen Schaffens

Bildteil 3: Westliches Berner Oberland

Textteil 3: Faszination und Herausforderungen des frühen Fotoalpinismus

Bildteil 4: Jungfrau-Aletsch

Textteil 4: Jules Beck – seine Lebensgeschichte

Bildteil 5: Grindelwald und Umgebung

Textteil 5: Präsenz und Resonanz des Werks von Jules Beck

Bildteil 6: Innerschweiz-Tessin-Ostschweiz-Graubünden

Textteil 6: Becks Fotografien als Zeugen des Wandels

Bildteil 7: Ausland

Anhang: Register, Bibliografie, Anmerkungen, Chronologie, Katalog Verzeichnis, Gesamtverzeichnis der Fotografien, Fototouren-Verzeichnis

Bildteil 8: Vergleiche

 

Die Autoren

Urs Kneubühl (*1948), Geograf und von 1996 bis 2011 Direktor des Schweizerischen Alpinen Museums in Bern (heute Alpines Museum der Schweiz). Nach einem Studium der Geografie, Geologie und Botanik an der Universität Bern Tätigkeit in der Raumentwicklung sowie der Forschung im Bereich Tourismus und Umwelt. Danach als Ausstellungskurator und Projektleiter in verschiedenen Sparten der angewandten Kunst tätig. Ab 1992 Mitarbeit im Schweizerischen Alpinen Museum in Bern. 2010 Projektleiter der im Schweizerischen Alpinen Museum gezeigten Ausstellung «Photographische Seiltänzereien – Jules Beck (1825-1904). Die Anfänge der Hochgebirgsfotografie».

Markus Schürpf (*1961, Aarau), Kunsthistoriker und Kurator. Nach der Fachklasse für Freie Kunst an der Schule für Gestaltring Luzern (1983-1987) Studium der Kunstgeschichte, Ethnologie und Architekturgeschichte an der Universität Bern (1987-1994). Ab 1992 Beschäftigung mit Fotografiegeschichte. Seit 1999 Leitung des Büros für Fotografiegeschichte (www.foto-ch.ch) sowie des Paul Senn-Archivs. 2010 zusammen mit Urs Kneubühl Realisation der Ausstellung «Photographische Seiltänzereien – Jules Beck (1825-1904). Die Anfänge der Hochgebirgsfotografie».

 

Urs Kneubühl / Markus Schürpf
«Jules Beck – Der erste Schweizer Hochgebirgsfotograf»
Gebunden, Fester Leineneinband mit Schutzumschlag
272 Seiten, 275 Duplex- und 18 farbige Abbildungen
1. Auflage , 2012, 24,5 x 31 cm
Preis CHF 99.–

Das Buch kann hier online bestellt werden.

 

 

 

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