Rechtzeitig zum Festival «Images» in Vevey und der gleichnamigen Sonderausstellung im Kameramuseum Vevey erscheint das Buch «Out of Focus – Lochkameras und ihre Bilder» von Peter Olpe. Olpe beschäftigt sich seit 35 Jahren mit der Camera obscura und hat sich mit der Konstruktion und dem Vertrieb verschiedenster Lochkameras einen Namen gemacht. Das Buch beweist es …
Gerade haben wir beim Frühstück darüber diskutiert, ob uns das Buch gefällt oder nicht. Es ist ein aussergewöhnliches Buch. Aussergewöhnlich, was das Thema und den Inhalt anbelangt, aussergewöhnlich aber auch das Äussere. Das rückenlose Buchblock-Design ist nicht jedermanns Geschmack und dürfte bei Bibliophilen kaum auf uneingeschränkte Begeisterung stossen. Das Buch sieht irgendwie unfertig aus, hat keine Rückenbeschriftung und fällt durch zwei Buchdeckel aus Rohkarton auf. Und doch passt das Design zum Thema, denn viele der Kameras, die in der Sammlung von Peter Olpe waren oder sogar von ihm konstruiert wurden, sind genau aus diesem Stoff gemacht – aus blankem, grauen Karton.
Anderseits hat das Design etwas Edles, denn der Titel ist im Prägedruck entstanden, und in der Mitte ist ein schwarzes Loch, analog zur Kameraart, die es repräsentiert. Und wenn man genau hinschaut, entdeckt man im schwarzen Kreis eine nadelstichgrosse Öffnung, jenes Loch, durch welches in besagten Kameras das Bild entsteht – ohne Objektiv, versteht sich.
Die Lochkamera ist ein physikalisches Phänomen, welches die Wissenschaftler aller Jahrhunderte beschäftigte. Zunächst als Zeichengerät im Gebrauch wurde es zur Zeit der aufblühenden Fotografie rege dazu benutzt, als einfachste Kameraart statische Objekte auf ein lichtempfindliches Medium zu bannen. Eine Faszination, die durch die ganze Fotogeschichte hindurch bis heute unverändert angehalten hat und immer wieder neue Kreise begeistert.
Fasziniert davon war auch Peter Olpe, Grafiker und Lehrer an der Schule für Gestaltung in Basel. Er vermochte seine Studenten immer für seine Kameras ohne Objektiv zu begeistern, und seine Akribie führte letztlich dazu, dass er selbst kommerziell Lochkameras herstellte und diese weltweit vertrieb. Er hat das Phänomen der Bildentstehung, die Zusammenhänge von optimalen Lochdurchmessern und Bildweiten wie kaum ein zweiter optimal recherchiert und konsequent mit Kameras fotografiert, denen man kaum im Strassenbild begegnete.
All diesen Themen trägt das zur Ausstellung im Kameramuseum Vevey erschienene Buch Rechnung: Der Sammler- und Konstrukteurleidenschaft von Peter Olpe, der interessanten theoretischen Zusammenhänge, dem verschiedenartigen Design der Olpe-Kameras und letztlich einem faszinierenden Bildteil, zu welchem er 39 zum Teil international bekannte Fotografen einlud. So ist ein buntes Portfolio zusammengekommen, mit vielfältigen Stilrichtungen und Namen wie Hirofume Abe, Thomas Bachler, Patricia Cue, Ruth Erdt, Jim Goldberg, Andrea Good, Clemens Klopfenstein, Peter Knapp, Herlinde Koelbl, Ryuji Miyamoto, Jürg Stäuble, Joël Tettamanti, Oliviero Toscani, Christian Vogt, Renatus Zürcher und Niki Zurek – um nicht nur einige bekannte zu nennen, sondern auch solche, deren Bilder mir persönlich besonders gefallen. Bei vielen Bildern würde man nicht vermuten, dass sie mit den einfachsten aller Kameras entstanden sind.
Im Workshop-Teil erzählt Peter Olpe wie er zur Fotografie mit der Camera obscura kam und zeigt uns illustrativ zu interessanten Erzählungen beachtliche Bilder, die während seiner schulischen Pensum oder in seiner Freizeit entstanden sind. Hier finden sich auch die interessanten und grundlegenden physikalischen Abhandlungen zum Lochkamera-Phänomen, sowie verschiedenste Ansichten von Kameras, die Peter Olpe im Laufe der Zeit konstruiert hat. Sie alle haben jetzt den Weg in Kameramuseum Vevey gefunden und können ab heute in einer Sonderausstellung bewundert werden.
So aussergewöhnlich das Thema und das Buchdesign auch sein mögen, so wichtig dürfte das Buch in Zukunft werden. Mit seinen über 430 Seiten ist es ein hervorragend gelungener Mix einer Sammlergeschichte eigener Kamerakonstruktionen, eines Bildbandes und einer technischen Dokumentation, der über Jahre hinweg als Muss-Lektüre für alle diejenigen erweisen wird, die sich intensiv mit der Camera obscura befassen werden. Mit jener Minimalkamera, die mit entsprechendem Wissen maximale Bilder hervorbringt.
Urs Tillmanns
Buchbeschreibung des Verlages
Peter Olpe baut seit 1978 Lochkameras. 2012 schenkt er 90 seiner Apparate dem Schweizer Kameramuseum in Vevey, wo die Sammlung vom 8. September 2012 bis 13. Januar 2013 in einer Ausstellung zu sehen ist: www.cameramuseum.ch
Peter Olpe lud 39 Fotografinnen und Fotografen ein, mit einer seiner Lochkameras zu fotografieren. Sollten die Aufnahmen im Buch und in der Ausstellung gezeigt werden können, würde die Kamera in den Besitz der Künstler übergehen.
Out of Focus zeigt diese Arbeiten, Olpes eigenes Schaffen als Konstrukteur, Fotograf, Zeichner und Lehrer und die Schenkung an das Museum.
Mit einem Vorwort von Klaus Honnef.
Schweizer Kameramuseum Vevey (Hrsg.), Katalog zur Ausstellung 2012
Der Inhalt
1. Wie es zu dieser Publikation gekommen ist
Die wunderbaren Lichtschachteln (von Pascale und Jean-Marc Bonnard Yersin)
Peter Olpe und das Universum der Lochkamera Bilder und Objekte (von Klaus Honnef)
2. Standpunkte
Künstler fotografieren mit meinen Lochkameras
3. Werkstatt
Interessen
Wie ich an die Lochkamerafotografie geriet
Reise- und Ferienbilder
Zeichnen und Fotografieren
Projekte
Vier Untersuchungen
Schule
Kameras
Entwurf und Konstruktion von Apparaten für 120er-Film
4. Archiv
Die 90 Kameras für das Museum in Vevey
Deutsche Übersetzungen
Mit Lochkamerabildern von Hirofume Abe, Bruno Aeberli, Georg Aerni, Thomas Bachler,Laurence Bonvin, Rownak Bose, Petra Böttcher, Jean Craig-Teerlink, Patricia Cue, Aïm Deüelle Lüski, Marianne Engel, Ruth Erdt, Bethany de Forest, Jim Goldberg, Shi Guorui, Andrea Good, Volkmar Herre, Stefan Killen, Clemens Klopfenstein, Peter Knapp, Cyril Kobler, Herlinde Koelbl, Tobias Madörin, Ryuji Miyamoto, Werner von Mutzenbecher, Taiyo Onorato / Nico Krebs, Marja Pirilä, Marc Räder, Eric Renner / Nancy Spencer, Alex Silber, Alec Soth, Jürg Stäuble, Catherine Szente, Joël Tettamanti, Oliviero Toscani, Antonio Turok, Gregory Vines, Christian Vogt, Franz Werner, Heidi Windlin, Renatus Zürcher und Niki Zurek
Der Autor
Peter Olpe (*1949) ist Grafiker und unterrichtet seit 25 Jahren an der Schule für Gestaltung Basel. Im Fachbereich der Visuellen Kommunikation beschäftigt er sich in seinen Kursen mit den Grundlagen zeichnerischer Entwurfsarbeit. Er ist Leiter der Weiterbildungsklasse für Grafik. Vorträge und Lehrtätigkeit führten ihn unter anderem an die Rhode Island School of Design, USA, und an die Universidad Anahuac, Mexico D.F. Seit 1978 beschäftigt sich Peter Olpe intensiv mit der Camera obscura und betreibt seit 2009 ein Büro für visuelle Projekte.
Peter Olpe
Out of Focus – Lochkameras und ihre Bilder
432 Seiten mit ca. 850 Abbildungen
19,5 x 22,5 cm, gebunden mit aufgesetzten Deckeln
deutsch / französisch / englisch
Preis: CHF 78.–, Euro (D) 62.–, Euro (A) 63.70
Verlag Niggli, Sulgen
ISBN 978-3-7212-0851-1
Das Buch kann hier online bestellt werden.
In antiquarisch erworbenen „Pinhole Journal“ durfte ich erstmals Olpes Werke kennenlernen. Viele unterschiedliche Techniken und biographische Angaben zu den Autoren.