Urs Tillmanns, 12. August 2012, 07:00 Uhr

Was sich Kamera und Objektiv zu sagen haben

Längst hat die Elektronik nicht nur in die Kamera Einzug gehalten, sondern auch ins Objektiv. Ein reger Datenaustausch findet vor und während jeder Aufnahme zwischen den beiden Elektronik-Baugruppen statt und optimiert damit eine Vielzahl von Einstellungs- und Qualitätsparametern.

 

Wurden Wechselobjektive früher einfach nur auf die Kameras geschraubt, die Blende an einem Drehring des Objektivs eingestellt und die dazu passende Verschlusszeit an der Kamera oder dem Objektiv vorgewählt, so ermöglicht heute ein komplexer Datenaustausch zwischen beiden eine Vielzahl präziser und zuverlässige Automatiksteuerungen.

Mit dem Einzug der Elektronik wurde die Kommunikation zwischen Kamera und Objektiv immer umfangreicher. Durch den ständigen Datenaustauch zwischen beiden erweiterten sich die Möglichkeiten der Automatiksteuerungen für eine einfachere Bedienung, aber auch zur Bildoptimierung ins Unermessliche. Längst begnügt sich der Kameraprozessor nicht mehr nur mit Informationen über Brennweite, Entfernungseinstellung oder Blende. Kompakte Systemkameras nutzen darüber hinaus auch Informationen über die Objektivkonstruktion zur Ergebnisverbesserung. Diese bezieht eventuell physikalisch bedingte Abbildungsfehler des verwendeten Objektivs, aber auch Parameter wie Kamera- oder Objektbewegungen in die Ermittlung und Steuerung der optimalen Einstellparameter mit ein.

Über diese Goldkontakte findet vor und während der Aufnahme ein reger Datenaustausch zwischen Objektiv und Kameraelektronik statt

Die wichtigste Funktion von Objektiv- und Kamerabajonett ist die präzise und sichere Befestigung des Objektivs. Schon winzige Details können hier zur Gesamtergonomie beitragen. Wie werden beispielsweise der korrekte Ansatz und die Drehrichtung angezeigt und unterstützt? Wie stabil sind Kamera- und Objektivbajonett? Besteht die Gefahr der schnellen Abnutzung oder Verformung durch den Ansatz schwerer Teleobjektive? Aus welchem Material sind sie gefertigt und durch wie viele Schrauben sind die Bajonette gesichert? Bei der Objektivauflage können schon Abweichungen von wenigen hundertstel Millimetern zu Unschärfe führen, etwa weil das Objektiv nicht genau senkrecht zur Bildebene montiert ist.

Liefert die mechanische Präzision und Robustheit die Basis für die Montage, so stellen die Kontakte den elektronischen Datenfluss sicher. Hier geht es, neben Zuverlässig- und Langlebigkeit, zusätzlich um die Schnelligkeit des Datentransfers und der Datenverarbeitung. Wurden früher die automatische Blendensteuerung und die Entfernungseinstellung am Objektiv durch mechanische Kupplungen von Kamera und Objektiv übertragen, so besitzen inzwischen viele Objektive eingebaute Motoren, die elektronisch über die Kamera gesteuert werden. Einige Kamerasysteme benötigen nach wie vor AF-Motoren in der Kamera.

Mit der zunehmenden Motorisierung moderner Objektive wuchs auch die Notwendigkeit, die Kamera über deren Einstellungen zu informieren, damit diese von den Automatiken berücksichtigt werden können. Seit Videofunktionen zum Standard der meisten Kameras geworden sind, wurden auch Wechselobjektive mit motorischer Brennweitenverstellung wieder populär. Diese sogenannten „Powerzooms“ werden teilweise durch die Kamera, oft aber auch durch Elemente am Objektiv direkt gesteuert. Auch diese Einstellungen müssen dem Kameraprozessor zur Ergebnisoptimierung übermittelt werden.

Die Modernisierung der Bajonettanschlüsse kann aber auch die Kompatibilität zwischen neuen Kameras und Objektiven älterer Bauart stören. So können AF-Objektive ohne eigenen AF-Motor nicht an Kameras ohne AF-Antrieb verwendet werden. Das Gleiche gilt auch für den Einsatz von Objektiven ohne Blendenmotor an Kameras mit ausschließlich elektronischer Blendensteuerung.

Die Kameraelektronik ist bereits auf künftige Entwicklungen programmiert oder wird mittels Firmware-Update dafür eingerichtet

Systeme, die von Anfang an auf die digitale Fotografie hin entwickelt wurden und daher auf Kompatibilität zu älteren Systemkomponenten keine Rücksicht zu nehmen brauchen, haben die Kommunikationsmöglichkeiten zwischen Kamera und Objektiv kompromisslos erweitert. Dies ermöglicht inzwischen sogar, Firmware-Erweiterungen für Objektive vornehmen zu können. Die in der Firmware hinterlegten Informationen können dem kamerainternen Prozessor oder auch der Software für die RAW-Datenverarbeitung als Basis für die Ergebnisoptimierung dienen.

Je mehr Informationen der Kameraprozessor über das Objektiv erhält, desto präzisere Vorgaben für die unterschiedlichen Automatiksteuerungen kann er ermitteln und an diese weiterleiten. So kann die Brennweitenangabe die Wahl der längsten Verschlusszeit beeinflussen, um Verwacklungsunschärfe zu vermeiden. Informationen über den Objektivtyp können systembedingte Vignettierungen ausgleichen und die Kenntnis über die Position der zur Scharfstellung zu bewegenden Linsen kann die AF-Steuerung beschleunigen. Die Daten über die Aufnahmeentfernung hilft, die Blitzdosierung zu perfektionieren. Auch für die Bildstabilisierung zur Vermeidung von Verwacklung sind Informationen über das Objektiv und die vorgenommenen Einstellungen von Nutzen sein.

Die Kommunikation zwischen Objektiv und Kamera wird immer komplexer und verhilft damit Fotografen zu immer effektiverer Automatiksteuerung. Es lohnt sich daher auch, sich bei der Anschaffung eines neuen Kamerasystems auch darüber zu informieren. Wie tief diese Kommunikation bei welchen Systemen reicht und welche Erweiterungen daraus resultieren, das wird die vom 18. bis 23. September 2012 in Köln stattfindende photokina, die Weltmesse des Bildes, deutlich machen, auf der alle Techniktrends der Imaging World präsentiert werden und alle wichigen Herstellerfirmen vertreten sind.

Quelle: Prophoto

 

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