Urs Tillmanns, 25. Oktober 2010, 07:00 Uhr

Besuch bei Charles Michel in der Videoacademy: Grundkurs Sony NEX-VG10

Seit gut einem halben Jahr gibt es sie, die Videoacademy in Fehraltdorf. Initiant und Leiter ist Charles Michel, der auf über 30 Jahre Erfahrung als Kameramann beim Schweizer Fernsehen zurückblicken kann. Seine Faszination für das bewegte Bild überträgt er auf die Workshop-Teilnehmer, die lernen wollen besser zu filmen. Heutiges Thema: Die neue Sony NEX-VG10.

Drei Workshop-Teilnehmer besitzen bereits eine Sony NEX-VG10, die neun übrigen tragen sich mit dem Gedanken, demnächst eine anzuschaffen. Der Workshop vom letzten Samstag dürfte ihnen die letzten Zweifel genommen haben.

Die Vorkenntnisse der Lernbegierigen sind unterschiedlich. Etwa die Hälfte sind langjährige Filmer und Videografen, die anderen sind in erster Linie Fotohobbyisten, die sich jetzt mit Video befassen wollen. «Ein deutlicher Trend» meint Charles Michel, «seitdem die Spiegelreflexkameras auch bewegte Szenen aufzeichnen können.» Zwei Kursteilnehmer sind sogar aus Wien angereist, einer aus Deutschland, die übrigen aus allen Gegenden der Schweiz.

«Diese Kamera hat die Videografie revolutioniert» erklärt Charles – wir Dutzen uns im Kurs – «weil wir jetzt, wie in der Fotografie, die Objektive wechsel können und in Verbindung mit dem grösseren Sensor ein weiteres Gestaltungselement bekommen haben, nämlich die Schärfentiefe». Besagtes beweist er auch gleich mit aufschlussreichen Videos, die von verspielten Löwen bis zu extremen Makroaufnahmen von Schmetterlingen Szenen zeigen, die so mit einer Amateurkamera nicht möglich wären. «Selbst mit meiner Hundertausend Franken teuren Profikamera sind solche Nahaufnahmen nicht möglich» blickt Charles auf seine Profierfahrung als Kameramann zurück, «und ihr Zweidrittel-Zoll-Chip hat den Nachteil, dass die uferlose Schärfentiefe immer viel zu weit reicht. Das ist zwar in der aktuellen Berichterstattung ein erfolgssichernder Vorteil, für kreatives Filmen hingegen ein ebenso grosser Nachteil. Mit der NEX-VG10 stehen uns nun Foto-Objektive zur Verfügung, mit denen wir den Hintergrund unscharf auflösen und so das Motiv betonen können, wie in der Fotografie.» Bisher wären Videokameras immer geschlossene Systeme gewesen. Mit der NEX-VG10 habe Sony das System nun geöffnet für fast alle Objektive des Marktes, die mit entsprechenden Adaptern an der NEX-VG10 angeschlossen werden können.

Charles Michel mit einer für seine professionellen Bedürfnisse selbst umgebauten Sony NEX-VG10

Von den Videofunktionen in den Spiegelreflexkameras und insbesondere von den dazu gehörenden Tragesystemen, ist Charles nicht gerade begeistert. «Mit den Tragesystemen ist es sehr schwierig, die Schärfe nachzuführen» erklärt der Profi, «und man ist damit vor allem viel zu wenig beweglich. Filmen hat mit Bewegung zu tun und die Kameraführung ist eines der grundlegenden Gestaltungselemente.»

Grundregeln des Filmens

Mit treffenden Negativbeispielen führt uns Charles Michel die Grundregeln des Videografierens vor. Der Hauptfehler sei, dass die Szenen viel zu lang sind. Ein, zwei, höchstens vier Sekunden lang dürfen sie sein, die nach einem klaren Konzept gedreht und hinterher passend geschnitten einen spannenden Film ergeben. Seine Videobeispiele zeigen, wie Recht Charles hat. Und damit wissen die Kursteilnehmer auch schon, was im praktischen Teil auf sie wartet. Der zweite Fehler sei, dass viel zu oft und zu lange gezoomt würde. Zoomen sei ein Ausnahmeeffekt und bedinge eine absolut sichere Kameraführung, mein Charles.

Eigentlich gehört auch das Erstellen eines Storyboards zu den unabdingbaren Vorbereitungen eines gekonnten Films, doch sahen die Teilnehmer auch aus Zeitgründen von der Erstellung eines solchen ab. Dabei wäre, wie die späteren Stunden noch zeigen sollten, gerade diese Vorbereitung so wichtig gewesen, denn «wenn die Story stimmt, sieht der Betrachter auch grosszügig über gewisse technische Mängel des Film hinweg», lehrt uns der Meister.

Weiter führt Charles die wichtigsten Grundregeln des Filmens vor, vor allem die klassischen Einstellungsgrössen, wie Totale, Halbtotale, Nahaufnahme und Detailaufnahme. Er empfiehlt uns, bei jeder Szene immer gleich diese Einstellungen mitzudrehen, um hinterher genügend Material für einen spannenden Schnitt zu haben.

Jeder dreht einen Film

Nach der Theorie geht es zur Praxis. Immer zwei der 12 Teilnehmer – zwölf sei eine ideale Kursgrösse, meint Charles, bei der jeder Teilnehmer noch optimal profitieren und er den Überblick behalten könne – bekommen eine Kamera mit der Aufgabe, einen Kurzfilm über den Partner zu drehen.

Das Studio der Videoacademy und seine unmittelbare Umgebung bieten genügend Möglichkeiten und Requisiten, um die Szenen aufzubauen, und die Fantasie der Teilnehmer tut das weitere dazu. Man sieht, die erfahrenen Filmer sind im Vorteil, während sich die Fotografen der Gruppe mit der ungewohnten Kamera und der völlig anderen Art zu arbeiten anfänglich noch etwas schwer tun. Für sie ist der Film ist eine völlig andere Welt: Die Bewegung, die der Fotograf immer in einem Sekundenbruchteil einfriert, wird jetzt plötzlich zum tragenden Element …

Der Videoschnitt – und wieso es nicht dazu kam …

Das Bearbeiten, respektive «Schneiden» eines Films, ist eine ebenso unerlässliche wie zeitraubende Phase. Hier entsteht nicht nur die richtige Szenenabfolge, sondern jetzt bekommen die einzelnen Sequenzen jene Spannung, die der spätere Betrachter mit Begeisterung oder Langeweile quittiert.

Im Workshop hat jeder Teilnehmer einen PC zur Verfügung, auf dem das Video-Bearbeitungsprogramm «Vegas Movie Studio 9» installiert ist. Grundsätzlich sei es unerheblich, welche Software man für den Videoschnitt benütze, meint Charles. Die einen würden in gewissen Belangen etwas mehr Komfort oder Effekte bieten, doch seien sie alle mehr oder weniger gleich aufgebaut: Sie verfügen über eine Timeline mit verschiedenen Spuren, auf denen Bild und Ton in beliebiger Folge mit harten, weichen oder effektvollen Übergängen gemischt werden können. Dabei können die Effekte immer visualisiert und wenn nötig rückgängig gemacht werden, ohne dass die Originaldateien überschrieben werden.

Die Zeit beginnt davonzurennen. Abgesehen davon zeigt sich bei einigen Teilnehmern der Wunsch, noch mehr über die Technik der Kamera zu erfahren, nicht zuletzt, weil sie auf Grund dieses Kurses den Kaufentscheid einer NEX-VG10 treffen wollen. Und als schliesslich Charles beginnt, systematisch alle Menüpunkte der Kamera akribisch zu erklären, werden sukzessive auch die Schnittplätze immer leerer, denn Charles versteht es vorbildlich, die lapidare Technik mit persönlichen Anekdoten so zu würzen, dass die harten und weichen Cuts plötzlich unwichtig werden. Geht man so alle technischen Möglichkeiten der NEX-VG10 durch, so wird einem klar, dass es allzuviele gar nicht sind. «Sony hat es verstanden, die Kamera auf jene Features zu beschränken, die man im semiprofessionellen Bereich wirklich braucht» erklärt Charles «und behält sich die Möglichkeit offen, bestimmte Menüpunkte später mit Firmware-Updates zu erweitern». Die meisten Amateurkameras, auch in tieferen Preisklassen, würden viel mehr Effekte und Funktionen bieten, die man aber in der Praxis kaum brauche, oder die man viel besser in der Postproduktion einbauen könne, meint Charles.

Auch als das offizielle Ende des Workshops längst zeitlich überschritten ist, findet sich noch ein harter Kern in der Kaffee-Lounge zusammen, um den Erzählungen des Meisters zuzuhören. Wie er mit seiner 100‘000-fränkigen Profikamera und einem mehr als halb so teuren mobilen Schnittplatz an alle Plätze des Geschehens gereist sei – er in der Holzklasse und sein Equipment in der First. Oder mit welchen interessanten Politikern und Prominenzen ihn sein spannender Job in Kontakt gebracht habe – Begegnungen, die sein Leben verändert und Beziehungen, ja Freundschaften gebracht hätten, die heute noch andauern. Gespannt folgen wir bis in die späten Abendstunden seinen Erzählungen, die reichlich mit wertvollen Tipps für die Praxis bespickt sind. Der Kurs war ebenso ein Erlebnis wie eine Motivation zum Filmen – auch wenn die vielen gefilmten Szenen ungeschnitten geblieben sind …

Urs Tillmanns

Die Videoacademy von Charles Michel bietet Kurse und Workshops für unterschiedliche Ansprüche und Schwierigkeitsstufen an. Das aktuelle Kurs- und Workshop-Programm finden Sie hier.

Ein Kommentar zu “Besuch bei Charles Michel in der Videoacademy: Grundkurs Sony NEX-VG10”

  1. Hallo Herr Michel, ich hätte einige Fragen an Sie, ist es möglich, mit E-Mails an Sie zu gelangen oder Ihnen anzuläuten ? Ich habe Ihre Adresse von Hanspeter Amstutz aus Fehraltdorf. Danke für Ihre kurze Antwort. Mit freundlichen Grüsse Andri Flori

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