David Meili, 22. August 2010, 09:55 Uhr

Man spricht Deutsch, Silvia Blocher fotografiert, und Schwinger vor der Kamera

Pressespiegel zum Wochenende vom 21./22. August 2010
Im Newsroom von Blick und SonntagsBlick wird nun deutsch und vor allem deutlich gesprochen. Hannes Britschgi wird als „Publizist“ von Bern aus arbeiten. Seine Stelle als Chefredaktor des SonnntagsBlick übernimmt Karsten Witzigmann. Die „stärkste Zeitung der Schweiz“ als Kopfblatt der BILD?

Die Ausgaben von Blick der vergangenen Woche waren wirklich nicht lesenswert. Ein eigentlicher Cliffhänger fehlte. Die Schwächen in Themen, Titelei und Text schlugen auch auf die Bilder durch. Es blieb nichts haften. (Aufnahme: Peter Gerber für Blick)

Gegen die Kritiker an der Dominanz von deutschen Journalisten und gegen die eigene Konkurrenz an der Werdstrasse feuert Christof Moser heute in Sonntag eine Breitseite ab. Doch Moser irrt sich, es geht nicht um „Deutschen-Bashing“, die Veränderungen in der Presselandschaft der Schweiz gehen tiefer.

Wie man auch differenzierter Kritik anbringen kann, bewies Peter Rothenbühler.  Er setzte sich auf persönlich.ch zwischen den Zeilen kritisch mit der Entwicklung an der Dufourstrasse und bei seinem früheren Arbeitgeber auseinander. „Sein“ Le Matin verfolgt erfolgreich einen für die Bezahltpresse (und für die Schweiz) vorbildlicheren Weg. Die Zeitung ist informativ, unterhaltsam und glänzt mit einem sorgfältigen Bildjournalismus. Das ist Qualität.

Zurück als Politchef beim Blick ist ein Schweizer, Jürg Lehmann. Mit dem Schwager einer (voraussichtlich) zukünftigen Bundesrätin positioniert sich Ringier wie zu Zeiten von FAM für die Hofberichterstattung aus Bern. Lehmann nutzt die Stunde.  Nun liegt es an den Pressefotograf/innen, rechtzeitig an der richtigen Schnittstelle anzudocken. Doch nicht zu früh.

Als Abgang verzeichnet der Newsroom von Blick unter anderen Reda el Arbi, der als Redaktor des Blick am Abend für die Stadt Zürich über ein breites Beziehungsnetz aufbaute und weit über die Presseszene hinaus geschätzt wird. Er wird ab Herbst mit Hauptstadt zum Magazingründer. Doch keine Angst, es wird ein Ausgehmagazin der besonderen Art.  Einen Vorgeschmack bietet der nunmehr zum Archiv verurteilte Blog. Good Luck Reda, und vergiss die Fotografen nicht! Die können auch ganz böse, böse sein.

Noch gibt es das sonntagsBlick Magazin. Die aktuelle Ausgabe erreicht nicht mehr das Niveau der Vorwoche. Dennoch ist es ist eines der wenigen Erzeugnisse aus dem Hause Ringier, das hochwertige Bildreportagen vermittelt. Helmut-Maria Glogger hat Gölä zu den Bellamy Brothers begleitet und Sandro Diener hat unseren auf Country getrimmten Barden im Bild festgehalten. Auf die Amerikaner/innen dürfte Gölä in seinem Aufzug wie Dustin Hoffman in Midnight Cowboy gewirkt haben. 

Nachdem Gölä der SVP nun doch nicht  als Kandidat zur Verfügung steht, setzt Christoph Blocher auf Chris von Rohr. „Zwei Stunden diskutierten die beiden Schwergewichte über die Schweiz und ihre Zukunft.“  Anschliessend folgte die Fotosession von Multitalent Silvia Blocher (Copyright: Silvia Blocher).

Nun schlägt die Fotofalle auch beim Schwingen zu. Der SonntagsBlick Sport schreibt von einem Skandalurteil. Eine Aufnahme von Sven Thomann widerlegt die Beurteilung durch den Schiedsrichter im vierten Gang.  Ob der Abderhalden den Zindel wirklich besiegt hat, überlasssen wir dem Urteil der gegen 50 000 Fachleute, die live dabei waren.

Siggi Bucher (Bild) parodiert grossartig die Schwinger-Soap von SF DRS mit einem Porträt von Beat Schlatter in Sonntag. Wie Abderhalden am Strand (im Film) posiert Schlatter im Sägemehl. Lesenswert auch das ganzseitige Interview mit Schlatter im Tages-Anzeiger vom 21. August (Aufnahmen im Tages-Anzeiger von Christian Grund, online nicht verfügbar.).

Der BlickOnline entschädigt mit einer Fotostrecke der Tortour, der härtesten Radrennfahrt der Schweiz. Patrick B. Krämer begleitete Fabio Cancellara und eine Gruppe von IWC-Managern durch die lange Nacht. Krämer versucht die starken Reflexe der Scheinwerfer kreativ einzusetzen. Das gelingt nicht immer, immerhin bringt er die Stimmung hinüber. Die Reportage zeigt die Grenzen der Superzooms. Sobald man ohne Blitz in der Nacht arbeiten muss, verwünscht man diese Konstruktionen und sehnt sich nach hochwertigen Festbrennweiten.

Der Sommerroman im Tages-Anzeiger (Seite Bellevue) hat ein Happy-End gefunden. Gelesen haben wir den Text nur auszugsweise, zu langfädig, zu langweilig geschrieben, schlecht strukturiert,  und er passte nicht in Layout. Vermutlich wird er demnächst als Buch erscheinen und die Autoren werden sich an der Vernissage selbst feiern. Doris Fanconi und Reto Oeschger haben Tag für Tag zuverlässig ein Bild geliefert, doch nur von Schauplätzen. Die Protagonisten musste man sich vorstellen. Nächstes Jahr, bitte, eine echte Fotoromanza. (Aufnahme: Doris Fanconi)

Zurück zum Newsroom. Dort sollen Korrektor/innen in die Prozesskette eingebunden sein, die in reinem Hochdeutsch geschriebene Texte HELVETISIEREN. Hat man auch dieses Modell von Berlin oder München übernommen? Wären sie auch für Gegenübersetzungen verfügbar, z.B. bei SF DRS?

Doch auch die Helvetisierung beim Blick hat ihre Tücken. Aus Sonnabend wurde Sonntag-Abend, Der war es noch nicht, als sie erschien. Nachsitzen, bitte.

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