David Meili, 18. April 2010, 10:21 Uhr

Wie fotografiert man Stille? Gedanken zu Porträts, und Frida am Postschalter

Pressespiegel zum Wochenende vom 17./18. April 2010
Die aktuelle Luftraumsperre hat Folgen für die Sonntagspresse. Jene internationalen Zeitschriften und Magazine, die per Luftfracht zu uns gelangen, bleiben aus. Die mitteleuropäische Boulevard- und Newspresse ist davon nicht betroffen. Sie wird Nacht für Nacht durch Kuriere auf der Strasse ausgeliefert.

Doch wie fotografiert man die grosse Stille? Wie Stecknadeln im Heuhaufen sucht man eigenständige Aufnahmen. Die Bilder von Keystone aus Island flimmerten schon vor Tagen durch die Fernsehkanäle. Parkierte Flugzeuge sind kein attraktives Sujet. Die Stille über Kloten, aus der man Vogelgezwitscher und Kirchenglocken heraushört, lässt sich visuell nicht umsetzen. Sabine Wunderlin hat für den SonntagsBlick einige gestrandete Familien festgehalten.

Karl-Heinz Hug hat für das SonntagsBlick Magazin zu einer Reportage über die  sexbessenen französische Schriftstellerin Catherine Millet Bilder beigetragen. Eine Home-Story besonderer Art, und durchaus lesenswert. Die Dame mit dem Sex-Appeal von Micheline Calmy-Rey verkauft auch in ihrer Privatsphäre ihre realen oder erdichteten Geschichten mit Objekten. Leider kann der Beitrag von Ursula von Arx im Medium Magazin das süssliche Parfum, das in der Luft schwebt, (noch) nicht vermitteln.

Für die SonntagsZeitung hat Severin Nowacki dann auch Micheline Calmy-Rey porträtiert. Viele Bundesrats-Bilder  der Sonntagspresse (aufrecht im Büro) gleichen sich seit Jahren und könnten problemlos in Jasskarten umgesetzt werden.

Vermutlich besteht bei der Sonntags-Presse ein interner Wettbewerb um den „Traurigsten Moritz des Jahres“. Sonntag.ch hat beim Abbild unseres Verkehrsministers die Nase vorn. Bei der Freistellung auf der Titelseite hat er das rechte Ohr verloren und die Schultern fallen abrupt ab.

Gleichermassen fantasielos ist das Ganzbild des umstrittenen PR-Beraters Sacha Wigdorovits zum Interview von Thomas Knellwolf und Res Strehle im Tages-Anzeiger.  Wigdorovits äussert seinen Frust über gewisse Journalisten, die Tatsachen verdrehenn und offensichtlich auf einer schwarzen Liste unter seinesgleichen zirkulieren. Ob solche Andeutungen professionelle PR sind, wagt man zu bezweifeln. (Erwähntes Bild nur im Print, in der Online-Version findet sich ein Pressebild der Agentur).

Die SonntagsZeitung bringt Joseph E. Stiglitz in einem Bild von Marc Mahaney. Das nahezu seitenfüllende Halbkörperbild ist entweder überblitzt oder schlecht gedruckt. Vermutlich beim Layout hat man die Person zu tief gesetzt. Hat Stiglitz am Schwurfinger abgeschnittene Kuppen, die er nicht zeigen wollte?

Doch dann gibt es ein herausragendes Porträt in der SonntagsZeitung, die bemerkenswert immer mehr auf Interviews setzt. Marius Tschirky mit seiner Jagdkapelle springt in die Herzen der Kinder  (und auch des Schreibenden). (Aufnahme: Gian Marco von Castelberg).

Im Raum Zürich/Ostschweiz ist in der vergangenen Woche die „Flurbereinigung“ in der Tagespresse rascher fortgeschritten, als man erwartete. Mit dem Abtausch der Zürcher Landzeitungen an die TA-Media gegen die Thurgauer Zeitung an die NZZ Gruppe wird letztere zum Kopfblatt des St. Galler Tagblatts, und die Zukunft der Landzeitungen bleibt ungewiss.

Beide Verlage sehen Synergien, was im Journalismus wie im Verlag (Inserate) zu einem bedeutenden Stellenabbau führen wird. Während die Flaggen bei den Landzeitungen schon lange auf Halbmast stehen, ist die Enttäuschung beim von Ursula Fraefel mit viel Engagement aufgebauten Team der Thurgauer Zeitung gross. Den traditionsreichen Winterthurer Landboten hat man in der Scharade schlicht vergessen. Er wird später den Landzeitungen einverleibt. Die Schaffhauser Nachrichten dürften ihre Eigenständigkeit ebenfalls verlieren.

Die meisten Verleger sehen die Presselandschaft nur in Millimeterspalten und Reichweiten. Ob die Zeitung dann auch gelesen wird, ob im Medium eine aktive Auseinandersetzung zwischen Produzenten, Konsumenten und konsumenten-produziertem Inhalt stattfindet, interessiert sie kaum.

In den vergangenen Monaten zeigt sich eine markante Verlagerung von eigenständigen Pressebildern zu Archiv-, billigen Agentur- und Leserbildern ab.  Bei Abonnent/innen, die sich immer mehr nach Bildern orientieren, wird diese verfehlte Strategie mit dem Abbau von Qualität auch wirtschaftliche Konsequenzen haben. Immerhin beläuft sich ein Jahresabonnement für den Zürcher Oberländer aktuell auf CHF 330.-. Das überlegt man sich zweimal, wenn man die Kündigungsfrist nicht bereits verpasst hat.

Mathias Ackeret bringt in seinem Gast-Kommentar in Sonntag.ch einen anderen Aspekt auf den Punkt. Die Wettbewerbskommission Weko verhalte sich bei der „Selbstregulierung“ und Monopolisierung des Informations- und Inseratemarkts wie die Verkehrspolizei der DDR beim Fall der Berliner Mauer.

Für Qualitätsjournalismus kämpft Frank A. Meyer zweiseitig im SonntagsBlick (Seite 20/21) mit einem Bild des Newsroom von Thomas Buchwalder. Meyer sieht die Redaktion als Klub, sozusagen als verschworene Gemeinschaft und „als Gegenteil von Management“.

Was bedeutet nun das Bild? Ein Bekenntnis zum Newsroom, oder ein Beispiel für die Folgen des „Managements“. Irritierend: Der Beitrag befindet sich in der Mitte der Zeitung und vornehm vom Boulevard-Layout abgehoben. Als Rubriktitel steht allerdings Politik und nicht PR.

Selbst die  AZ Medien üben sich mit einem Haus-Interview mit Unternehmensleiter Christoph Bauer in Sonntag.ch (Seite 21) in PR. „Überall sind wir daheim“, bei einem Verlust von CHF 15 Millionen im vergangenen Jahr.

In einer fröhlichen Runde mit einem Zermatter fragte kürzlich jemand aus dem Unterland, ob nicht Frida von den Abba dort lebe? Er sei seit seiner Jugend glühender Abba-Fan. Doch, –  vor zwei Tagen stand sie am Postschalter, grüsst die Leute stets freundlich und geht im abgetragenem Mountain-Chic einkaufen. Damit bestätigt der Augenzeuge das Interview im SonntagsBlick, von Kaye Anthon, mit leider nur einer Aufnahme von Marc Kronig, – doch immerhin. (Aufnahme Marc Kronig, Beitrag im Print auf Seite 36).

Aus Sonntag.ch erfahren wir, dass Martina Hingis als Model nicht gebucht wird, – wofür? Dann teilt uns Sacha Ercolani mit, dass Polo Hofer und René Rindlisbacher mit dem Film „Die Nagelprobe“ bis anhin nur 1 494 Zuschauer in zwei Monaten in die Kinosäle brachten. Nun weiss man, dass es den Film überhaupt gibt.

Unser Bild der Woche: Andy Müller/EQ Images auf Seite 29 der NZZamSonntag. Die Lunchssäcke zur Vorbereitung der GV der UBS sind wie Grabsteine aufgereiht, und einzelne der Schnüre lächeln sogar.

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