Urs Tillmanns, 10. Januar 2010, 07:00 Uhr

«Ferrari-Klassiker – Legenden in Stil und Design». Interview mit Michel Zumbrunn

«Ferrari-Klassiker – Legenden in Stil und Design». Dies der Titel des neusten Bildbandes von Michel Zumbrunn. Bei Durchblättern der 288 Seiten kommt einem das Augenwasser: Perfekte Technik, unübertreffliches Design und gekonnte Fotografie im Einklang. Fotointern war im Studio von Michel Zumbrunn, um zu erfahren, wie es zu diesem Band kam.

Herr Zumbrunn, wie sind Sie eigentlich zur Autofotografie gekommen?

Zummbrunn_Schmid_2Meine berufliche Karriere hatte 1961 mit der Gründung eines Studios für Werbe- und Modefotografie in Zürich begonnen. Über meine Frau, die Grafikerin war, kam ich in Kontakt mit der Firma Amag, für die ich dann einen Porsche fotografieren durfte. Schwarzweiss natürlich, und erst noch im Freien. Aber offensichtlich hat das Bild so gefallen, dass sich mein Flair für die Autofotografie herumgesprochen hat. Der eigentliche Durchbruch kam jedoch erst 20 Jahre später. Der deutsche Zigarettenhersteller «Rothändle» suchte nach neuen Werbeideen und führte Autoshows in deutschen Städten durch, zu denen ich die Bilder für die Kataloge fotografieren konnte. Zwei Jahre später wurde die französische Autozeitschrift «Automobiles Classiques» mein wichtigster Auftraggeber, für die ich Oldtimer rund um den Globus aufnahm. So ist meine Faszination zu den Oldies entstanden, zu Autos, deren Design mich faszinierte. Und mit jedem Bild setzte ich mir zum Ziel, diese perfekten Formen fotografisch noch präziser umzusetzen.

Zeichnen mit Licht – der Grundsatz der Fotografie. Worauf kommt es bei der Autofotografie besonders an?

Für mich sind Autos keine tote Materie. Wenn man einen Ferrari Berlinetta ins Studio schiebt und seine geschwundenen Formen betrachtet, dann sehe ich auf Anhieb wo welcher Reflex sitzen muss, damit die Form des Wagens optimal zur Geltung kommt und der Betrachter durch entsprechende Lichtführung jedes Detail der Karosserie erkennt. Das Licht muss in absolutem Einklag mit der Form stehen, und nichts darf dem Zufall überlassen bleiben. Das perfekte Licht lässt das Auto zur Skulptur werden. Oft haben meine Kunden, die bei den Aufnahmen dabei waren, schon gesagt: ‚So habe ich mein Auto noch nie gesehen …‘

Auto_generell

Gibt es ein Standardlicht?

Grundsätzlich wird in der Autofotografie immer mit hell oder dunkel reflektierenden Flächen gearbeitet, die sich in Karrosserieflächen und -kanten brechen. So sorgt beispielsweise ein grossflächiger Himmel zunächst für eine allgemeine Helligkeit. Dann aber kommt die Feinarbeit. Mit Aufhellern, weissen Kartons und kleinen Spots wird jedes Detail minutiös heraus gearbeitet, bis überall so viel Zeichnung im Bild ist, wie es die Form verlangt. Nichts darf zu hell sein, nichts zu dunkel. Chrom muss natürlich glänzen, und das Metall muss man im Bild spüren. Es muss hartes Metall bleiben und nicht zu Plastik werden. Und dabei muss man immer darauf achten, dass sich kein Stativbein oder kein Kabel in den blanken Chromteilen oder den brillanten Karosserieteilen spiegelt.

Sicher gibt es eine gewisse Routine, dass man sich auf solche Details achtet. Ist jedes Auto anders?

Ja, jedes Auto ist anders! Vielleicht weniger von der Technik her, aber von der Beziehung, die man dazu hat. Ich schaue mir die Form an und weiss sofort welches Licht und welche Hilfsmittel ich benötige, damit die Aufnahme perfekt herauskommt. Ich habe auch meinen bestimmten Stil, den ich pflege, damit die Aufnahme bis ins letzte Detail sauber aussieht und beim Betrachter einen optimalen Eindruck hinterlässt. Viele sagen, ich sei ein Purist. Das stimmt. Aber meine Arbeitsweise ist über vier Jahrzehnte zum Purismus gewachsen, zu einer Zeit, als es noch keine Computer gab. Das Dia, welches die Grundlage für den Druck war, musste absolut perfekt sein. Nichts konnte nachträglich verändert oder korrigiert werden. Und diese Akribie – diese Sorgfalt – habe ich ins digitale Zeitalter hinüber gerettet.

Innenseiten Ferrari Klassiker_1kl

Stichwort digitales Zeitalter. Wie hat sich für Sie die Fotografie in den letzten Jahren gewandelt?

Meine Arbeitsmethode ist genau dieselbe geblieben. Nur das Werkzeug hat sich gewandelt. Ich habe noch lange analog gearbeitet, als die digitale Technik längst in der Sach- und Werbefotografie Einzug gehalten hatte. Und ich habe meine Filme regelmässig ins Labor PPL zu Urs Schmid zur Entwicklung gebracht, der heute mein Partner ist. Irgendwann hatten wir darüber sinniert, dass sich ein Wechsel zur digitalen Fotografie doch aufdrängen würde, weil die Redaktionen und meine Kunden keine 6 mal 9 Dias mehr wollten, sondern Tiffs und Jpegs.

Herr Schmid, weshalb haben Sie den Farbentwickler mit der Maus getauscht?

Nun, die längerfristige Entwicklung war ja absehbar, und als ein Labor nach dem anderen dicht machte, begann ich mich intensiv mit der elektronischen Bildbearbeitung zu befassen. Dabei waren mein Wissen und meine Erfahrung der Farblabortechnik von grossem Nutzen, und so war die Umstellung zwar etwas lernintensiv – wie wahrscheinlich für alle – aber gleichzeitig faszinierten mich die Möglichkeiten der neuen Technik. Was früher gar nicht oder nur mit einem grossen Aufwand möglich war, war nun plötzlich eine Sache von zwei, drei Mausklicks.

Innenseiten Ferrari Klassiker_2kl

Heute arbeiten Sie im Team, Urs Schmid ist in den Fussstapfen von Michel Zumbrunn. Wie gestaltet sich diese Zusammenarbeit?

Es ist eine sehr gute Zusammenarbeit. Die Aufnahmen machen wir in der Regel zusammen, wobei ich enorm von der langjährigen Erfahrung von Michel profitieren kann. Ich befasse mich sehr intensiv mit dem technischen Teil und gebe dem Bild am Computer hinterher den letzten Schliff.

Das heisst man kann über gewisse Fehler hinwegsehen, weil man diese einfacher am Bildschirm korrigiert als dass man sie schon bei der Aufnahme berücksichtigt …

Ja und nein. Ich bin der Ansicht, dass die Aufnahme trotz der digitalen Möglichkeiten von Anfang an so perfekt wie möglich sein sollte. So unterlaufen einem die wenigsten Fehler. Das heisst, grundsätzlich hat sich für mich nichts geändert – nur von meinen geliebten, altbewährten Objektiven musste ich mich trennen. Und wir brauchen keine Polaroids mehr, sondern sehen das Ergebnis sofort auf dem Laptop. Gewisse Dinge sind dennoch einfacher geworden. Früher musste ich beispielsweise jede Felge mit kleinen Spots perfekt ausleuchten. Heute kann ich einen weissen Karton als Aufheller auf den Boden legen um diesen Effekt zu erzielen, und hinterher zieht Urs einen neuen Boden ins Bild ein – und alle diese Tricks sind weggezaubert. Das spart natürlich Zeit.

Felgenaufhellung

Welcher Arbeitsanteil entfällt denn heute auf die Aufnahme, und wieviel Zeit benötigt die Bildbearbeitung?

Das ist natürlich unterschiedlich, aber ich würde sagen, dass 60 Prozent auf die Aufnahme entfallen und 40 Prozent auf die digitale Bearbeitung. Bei Detailaufnahmen ist der Bearbeitungsanteil natürlich wesentlich weniger als bei Gesamtansichten.

Wer sind eigentlich Ihre Kunden?

Zu 90 Prozent sind es Liebhaber von Oldtimern. Aber mein Fotografierstil ist mittlerweile auch bei den Autoimporteuren bekannt, so dass ich gelegentlich auch Neuwagen fotografiere, besonders wenn es sich dabei um spezielle Schweizer Editionen handelt.

Haben Sie dabei freie Hand, wie Sie ein Auto fotografieren, oder sagt der Kunde, wie er die Aufnahmen haben will?

Jedem Auftrag geht ein klares Briefing voraus. Wir sitzen mit dem Kunden zusammen und halten auf einem Spezifikationsblatt fest, welche Ansichten wie zu realisieren sind. Aus welchem Winkel und aus welcher Höhe. Dann werden noch die Detailansichten besprochen. An diesen Aufnahmeplan halten wir uns eigentlich sehr strikt.

Spezifikationsblatt_Martini

Was ist das grösste Erlebnis Ihrer Karriere?

Das war vor zwei Jahren, als ich auf der Jubiläumsralley Peking – Paris mitfahren durfte. Mit 40 Autos, keines jünger als 40, ging es 16’000 Kilometer durch Staub und Busch. Zwei Monate gespickt mit Zwischenfällen und Erlebnissen, die ich nie vergessen werde. Das war wahrscheinlich der Höhepunkt meiner Liebe zu den Autos.

Jetzt kommt ein neues Buch von Ihnen heraus über Ferrari-Klassiker. Wie kam es dazu?

Nun, es ist bereits mein viertes Buch. Das erste war «Autolegenden», das zweite «British Autolegends» und das dritte «Italian Autolegends». Ferrari hat sich als Thema aufgedrängt, weil ich sehr viele Ferrari-Aufnahmen in meinem Archiv habe und weil die Ferrari-Garage Foitek AG in Urdorf grosses Interesse an einem solchen Buch zeigte. Dann haben mich auch einige Sammler dazu angetrieben, vor allem Lukas Hüni, Edi Wyss und Peter Kalikow. Es steckt viel Arbeit in diesem Buch, nicht nur was die Fotografie anbelangt, sondern auch die Textarbeit von Richard Hesetine war sehr rechereintensiv, und die grosszügige Gestaltung mit den grossflächigen Bildern hat das Werk abgerundet.

Innenseiten Ferrari Klassiker_3kl

Sind weitere Bücher geplant?

Ja, es ist wieder eines in der Pipeline. Aber das ist jetzt noch zu früh. Ansporn dazu ist die Liebe zu den Autos und zu meinem Beruf – eine glückliche Symbiose, aus der noch so manches Buch entstehen könnte …

Interview: Urs Tillmanns

Buchvernissage am 13. Januar 2010 bei Foitek AG in Urdorf

Cover Ferrari Klassiker_klDas Buch «Ferrari-Klassiker – Legenden in Stil und Design» von Michel Zumbrunn kostet CHF 58.– und wird am Mittwoch, 13. Januar 2010 von 18:00 bis 20:30 Uhr in der Garage Foitek AG, Grossmattstrasse 13, CH-8902 Urdorf öffentlich vorgestellt. Michel Zumbrunn wird anwesend sein und die Bücher signieren.

Mit Schätzfrage ein Buch gewinnen

Fotointern.ch hat fünf Exemplare von «Ferrari-Klassiker» zu verlosen, welche freundlicherweise von Randomhouse/Bertelsmann gesponsort wurden. Beantworten Sie folgende Schätzfrage, und mit etwas Glück gewinnen Sie eines davon:

Wieviele Fahrzeugeinheiten produzierte Ferrari im Jahr 2008?

  • 385
  • 2631
  • 6452

Senden Sie uns die korrekte Zahl bis spätestens Samstag, 16. Januar 2010 zusammen mit ihrer Postadresse an wettbewerb [at] fotointern.ch. Die fünf GewinnerInnen werden ausgelost und direkt benachrichtigt. Über diese Leseraktion kann keine Korrespondenz geführt werden, und der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Update 16. 01. 2010: Unsere Leseraktion ist abgeschlossen. Die richtige Antwort lautete: 2008 produzierte Ferrari 6452 Fahrzeugeinheiten.
Die Gewinner wurden direkt benachrichtigt.

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