David Meili, 18. Oktober 2009, 10:19 Uhr

Dieter Meier ist in. Afrolook durch Schuhwichse und wer kauft den „neuen“ Blick?

Pressespiegel zum Wochenende vom 17./18. Oktober 2009
0901016_dieter_meierOhne in der Statistik in Erscheinung zu treten, dürfte in. eines der auflagestärksten Medien der Schweiz sein. Der neue Player in der ersten Werbeliga beschränkt sich auf vier A-4-Seiten als vor- und rückseitig bedrucktes A3 und wird als Shellfolder für Streuwerbung verwendet. Einleger sind grosse Kunden der Werbewirtschaft, wie Fust, Conforama, OBI, SPAR und Interdiscount.

in. ist monothematisch. Thema dieser Woche ist Dieter Meier, der das neue Medium geschickt zur Selbstdarstellung von sich und seinen Unternehmungen von E-Musik über schwere Rotweine bis zur Rindermast in Argentinien nutzt. Die Wochenzeitschrift mit minimalem Umfang und optimaler Reichweite ist gar nicht so schlecht gemacht. Sie löst das Problem der Verteilung durch Streuwerbung, und wird zur Konkurrenz für inserartefinanzierte Medien.

lara-stone-vogue-paris-october-2009Die afrikanische Kultur in Fasnachtsumzügen  hat in der Schweiz Tradition. Baströckchen, Speere und viel Schuhwichse verwandeln den lokalen Turnverein in eine Horde von Massai. Nun hat die etwas zu kühne Redaktion der französischen Vogue dieses Konzept als Alleinstellungsmerkmal für eine Modereportage aufgegriffen und das Model Lara Stone eingeschwärzt. Der Aufschrei war gross, doch nur wenige Kommentator/innen haben die Bilder gesehen.

Die Aufnahmen in der Ausgabe zur Fashion Week Paris sind sehenswert und weder rassistisch noch entwürdigend. Auch in den Magazinen und Strassen von Lagos/Nigeria stösst man auf Marilyn Monroe, gebleicht und/oder geschminkt. Und die neuste Mode aus Paris wird dort gleich mitkopiert.

Der neue „alte“ Blick wurde für die Fotoszene zur Enttäuschung der Woche. Für die „Tabloid-Presse“ ist das Zeitungsformat unpraktisch. Wie faltet man diese Elefantenohren in der vollbesetzten S-7 um 7.15 Uhr?

Die Chance des grösseren Formats wurde in den ersten Ausgaben nicht genutzt. Es fehlen eindrückliche, grosse Bilder selbst im Sportteil, auf die nach dem Relaunch NZZ wie Tages-Anzeiger setzen. An Stelle von exklusiven Reportageaufnahmen findet man freigestellte Halbkörper aus irgendwelchem Bildmaterial. Wie Matthias Ackeret in seiner Gastkolumne in sonntag.ch zurecht schreibt, besteht das Universum des Blick vorerst aus Ex-Missen. Was uns aus dem Versprechen „Busen, Blut und Büsi“ (Eigenwerbung) allenfalls interessieren könnte, finden auch wir nicht. Rührende Tiergeschichten müssten doch stapelweise im Archiv an der Dufourstrasse liegen.

Wer wird diese Zeitung kaufen? Zweifellos kein urbanes Lesepublikum. Es ist mit der Gratiszeitung Blick am Abend weit besser bedient. Und was der Bezahlt-Blick um sechs Uhr morgens am Zeitschriftenstand bringt, findet man um acht Uhr am Arbeitsplatz, auf dem Internet und kostenlos.

0901016_bundTotgesagte leben länger. Es gibt einen Lichtblick in der Schweizer Medienszene  in der Woche des ersten Kälteeinbruchs. Tatsächlich ist aus dem Berner Traditionsblatt Der Bund ein Tages-Anzeiger für Bern entstanden. Der neue „Bund“ ist mehr als ein Kopfblatt. Er kombiniert den Qualitätsanspruch des neuen Tages-Anzeiger mit spezifisch recherierten und journalistisch sorgfältig aufbereiteten Inhalten über Bern.  Vielleicht besinnt man sich auf den bis zu den achtziger Jahren herausragenden Fotojournalismus des damaligen Leitmediums der Bundesstadt.

In seinem Geschäftsmodell findet Der Bund einen für die Schweiz neuen Ansatz. Der Preisaufschlag für Abonnenten wird mit attraktiven Konditionen für Magazine der Konkurrenz versüsst. Folio der NZZ gibt es für ein Schnäppchen. Ausgesprochen attraktiv sind DU und Cicero. Diese wohlüberlegte Strategie zeigt, dass man anspruchsvolle Leser/innen langfristig binden will und, dass man auf Bezahltmedien setzt. Ein gutes Fotomagazin könnte die Auswahl ideal ergänzen.

Kurt-Emil Merki macht sich auf der Medienseite von sonntag.ch Gedanken darüber, wie sich Journalisten und Verleger informieren. Der Versuch eines Benchmarks zwischen Klartext, Schweizer Journalist und Edito ist bemühend. Kaum ein Journalist in unserem Umfeld orientiert sich an diesen Magazinen, ausser er erwartet sein Konterfei selbst. Tägliche Online-Dienste, wie Klein-Report und persoenlich.ch machen selbst ein früheres Kampfblatt wie Klartext für die Meinungsbildung in der Branche weitgehend irrelevant.

0901016_michel_comteDAS MAGAZIN könnte man diese Woche auf die Seite legen, ausser man interessiert sich für Prostata und Inkontinenz (wobei man hier alles Wissenswerte auch in der Wikipedia findet). Auf Seite  15 stösst man auf das Inserat der Winterkollektion von NAVYBOOT, fotografiert von Michel Comte. Das Bild hat man doch irgendwo schon einmal gesehen. Entweder kopiert oder karikiert Comte sich selbst. Was wir vermuten: Die Agentur will den typischen Comte-Groove hinüberbringen. Nur hätte man dazu nicht schreiben müssen: Aufnahme Michel Comte.

sonntag.ch bemüht sich immer wieder um People. Für den 5. Kispi-Ball mit Wladimir Klitschko hat man Tillate mit der Bildreportage beauftragt. David Bidert hat Bilder geschossen. Er dürfte erstaunt sein, was man daraus in Aarau gemacht hat. Sechs auf einen Streich, horizontal aufgereiht und gestreckt. Am stärksten vom Gemetzel am Desktop betroffen ist, wie oft, Anna Maier.  Thomas Borer hat genügend Medienerfahrung, um soweit im Hintergrund zu stehen, dass ausser den arg verkürzten Beinen wenigstens die Proportionen des Oberkörpers gewahrt bleiben können.

3 Kommentare zu “Dieter Meier ist in. Afrolook durch Schuhwichse und wer kauft den „neuen“ Blick?”

  1. Am Kispi-Ball waren offenbar einige gute Fotografen anwesend. Nur diese David Bidert gehört nicht dazu. Die katastrophe ist nicht am Desktop entstanden sondern bereits auf der Kamera des Herrn Bidert. Seine Fotos sehen eigentlich immer so aus. Aber egal, wer die anderen Zeitungen zu diesem Thema angesehen hat merkt das es doch grosse unterschiede gibt.

  2. Ja, die sah ich auch. Die Sonntags-Zeitung und der Blick am Sonntag (Karl-Heinz Hug) hatten gute Bilder. Peinlich bei sonntag.ch fand ich, wie sie die Aufnahmen ins Layout einquetschten. Da kann der Fotograf nichts dafür. Was der Leser wünscht, wären gute, grössere Bilder und weniger Text. Doch die People-Seiten werden zumeist von Leuten redigiert, die überhaupt keine Beziehung zu Fotografie haben.

  3. stimmt… sobli hat evtl. auch sabine wunderli geschossen. um weiten besser als das tillate zeugs. heute im blick ist nochmal was drinn und die fotos gefallen mir auch besser, wer auch immer die geschossen hat..

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