David Meili, 31. Juli 2009, 16:36 Uhr

Blitzpulver – noch (k)ein Erfahrungsbericht

pulverblitz-karrikaturWenn es am 1. August blitzt und kracht ist auch der Fotohistoriker gefordert. Einmal im Leben mit Blitzpulver zu fotografieren, das wärs. Doch bereits die Recherche gestaltet sich als schwierig, die Beschaffung als erfolglos und vom Eigenbau wird abgeraten.

Blitzpulver erwähnt  Werner Wurst 1968 in einem der besten Werke, die je über Kleinbildfotografie geschrieben worden  sind, der 11. Auflage von EXAKTA, erschienen im VEB Fotokinoverlag in Leipzig. Wurst schreibt, dass Blitzpulver stark verdrängt worden sei, doch wegen seiner Billigkeit noch oft verwendet werde. Im Detail legt er dar, wie man mit der EXAKTA mit Pulver blitzen kann, da die Kamera über eine T-Einstellung verfügt. Man kann den Verschluss öffnen und mit einer zweiten Auslösung wieder schliessen.

Doch auch Wurst warnt zur Vorsicht, rät ab zum Fotografieren mit Blitzpulver vor dem Weihnachtsbaum und bei Dekorationen. Dennoch dürfte in der DDR in den ausgehenden siebziger Jahren Blitzpulver im Fotofachhandel erhältlich gewesen sein.

Blickt man eine Generation zurück, so findet man in der „Bibel“ des Fotofachhandels der Zwischenkriegszeit, im Foto-Katalog von Hausamann & Co von 1927, der bei Lindemanns 1993 im Reprint erschien, ein umfangreiches Produktesortiment an „Blitzlicht-Artikeln“. Marktführer war AGFA mit patentierten Kapselblitzen. Die Kapsel war auf der Innenseite mit Aluminium (?) verklebt und diente zugleich als Lampe. Der Kapselblitz ist zweifellos ein Vorläufer des Blitzwürfels. Weitere Anbieter waren Hauff und Tetenal. Der Blitz wurde mit einem Streichholz ausgelöst.

Zum Blitzwürfel. Hier verlief die Entwicklung keineswegs von der Pyrotechnik zur Elektronik. Die letzten, heute im Handel nicht mehr erhältlichen Blitzwürfel wurden durch einen Metallstift mechanisch/chemisch aktiviert. In der Befestigungstechnik (Bauwesen) gilt dieses Verfahren als zukunftsweisend.

Werner Wurst erwähnt eine „Blitzpistole„. Auch über dieses Zubehör erfährt man im Katalog von Hausamann Wissenswertes. Es ist eine Art Taschenfeuerzeug mit einem Magnesiumstreifen, das auf Knopfdruck einen Funkenschlag erzeugt und eine Kapsel entflammt. Ärgerlich für Blitzlicht-Fotografen dürfte die Rauch-Entwicklung gewesen sein. Hausamann führt in seinem Katolog Ständer mit Rauchfangsäcken auf. Wurst weist daraf hin, dass man den Verschluss rechtzeitig schliessen soll, da bei der Flucht der Porträtierten aus dem Atelier sonst Geisterbilder entstehen.

pulverblitz-kodak-werbeaufn

Fotografieren mit Pulverblitz. Werbeaufnahme von Kodak, ca 1925

Doch wie kommt man heute zu Blitzpulver? Im Fachhandel ist es schon längst nicht mehr erhältlich, Nostalgiker sind ratlos. Selbst die Lomographen machen einen grossen Bogen um das Teufelszeug. In der deutschen Internet-Szene wird davor gewarnt, da man leicht mit dem Sprengstoffgesetz in Konflikt kommt. Weder fotoimpex, Berlin noch ars-imago in Zug können weiterhelfen.  Offensichtlich ein „heisses“ Thema.

Weiter hilft ein Sekundarlehrer, der dafür bekannt ist, dass es bei ihm in der Schulstube „tätscht und knallt“. Wie man Blitzpulver selbst anrührt, wissen wir inzwischen bereits (0.5 g feines Magnesiumpulver, 0,5 g Kaliumpermanganat, KMn04). Danach folgt ein alter Chemikerwitz: „Schreib vor dem Versuch auf, wie viele Gliedmasse Du noch hast“.

agfa-blitzlichtpulver

Früher gab es Blitzpulver im Fotofachhandel zu kaufen …

beutelblitz

… sogar noch in den 50er Jahren existierten noch solche «Blitzbeutel», die man einfach an der Zimmerdecke aufhängen und die Lunte anzünden konnte. Danach war die Decke etwas dunkler und das Bild überbelichtet  …

Und wie kommt man zu dem Stoff? Zum Beispiel über die Bachmann Lehrmittel AG im St. Gallischen Wil, die Schullabors beliefert. Bachmann liefert alle Ingredienzien in Kleinmengen, wenn man bestätigt, dass man sie nur zu Unterrichtszwecken etc. braucht.  Leider hat das Unternehmen Betriebsferien, und so bleibt der Selbstversuch bis auf Weiteres aus. Und auch sonst wird der erste Pulverblitz erst nach den Schulferien im Unterrichtszimmer des befreundeten Chemielehrers gezündet. Das Home-Office in einem Mehrfamilienhaus im Zentrum von Kloten eignet sich kaum für fotohistorisch-pyrotechnische Experimente.

Doch dann folgt der Erfahrungsbericht, mit Bildern, – versprochen, auf fotointern.ch.

P.S. Wir warten auf neue Bilder von Raphael Hefti, der sich zur Zeit bedeckt hält, doch mit Leuchtraketen der Schweizer Armee bereits Gletscher illuminiert hat und, wie Gerüchte besagen, mit Blitzpulver experimentiert.

6 Kommentare zu “Blitzpulver – noch (k)ein Erfahrungsbericht”

  1. Hehe, mir sind einmal Gerüchten zu Ohren gekommen, dass wenn man damals zuviel Pulver benutzt hat, die Leute angeblich verusste Gesichter hatten – währe ja echt zum Lachen, wenn das auf einen Outtakevideo auch mal wirkich zusehen ist….

    Freu mich schon auf das Material. Bitte unbedingt Filmen, denn nicht nur das fotografische Ergebnis ist interessant, sondern auch wie es hinter der Kamera ausgesehen hat.

  2. Habe schon oft gesehen, dass die Stadt Polizei Zürich bei Unfall in der Nacht Pulverlichtquellen benutzt.
    Das ganze ist sehr hell, leuchtet die ganze Umgebung aus, brennt ein paar Sekunden und wird auf einer Stange gezündet.

    Vielleicht wissen die ja mehr Bescheid wo und wie und so.

  3. Auch die Armee verwendet solche Beleuchtungskörper. Leider sind sie für den Privatgebrauch selbst in der Schweiz kaum zu bekommen. Raphael Hefti, den ich oben erwähnt habe, arbeitet damit. Danke für die Anregung, frage bei den Ausrüstern der „Blaulichtdienste“ nach, ob sie auf dem freien Markt erhältlich sind.

  4. …zur Not könnte man ja auch ein bengalisches Zundhölzli verwenden – hohe ISO-Werte vorausgesetzt.. 😉
    Auch ich bin gespannt auf die FotoIntern-Testreihe – gerne mit Film dokumentiert!

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