Pressepiegel zum Wochenende vom 11./12.Juli 2009
Das Sommerloch zeichnet sich im Umfang der Sonntagszeitungen und Wochenzeitschriften ab, bevor der Sommer begonnen hat. Nach massiv weniger Printwerbung und einer zweiten Entlassungswelle dürfte es für einige Publikationen im Herbst noch enger werden. Dies bleibt für den Fotojournalismus nicht ohne Folgen. Man findet immer weniger Exklusiv-, immer mehr Symbol- und zunehmend Agenturbilder von Keystone, Reuters und AFP. Die Grossen gewähren Rabatte und die Kleinen haben das Nachsehen.
Seltsam, die hauseigene Agentur Spectre von Ringier beliefert Blick und seine Derivate kaum. Vielleicht fehlt es im weitgefächerten Angebot an Tagesaktualität. Wenn man bedenkt, dass Ringier in den grossen Zeiten der Schweizer Reportagefotografie führend war, stimmt die aktuelle Entwicklung nachdenklich. Das magazin zum SonntagsBlick quetscht nochmals Michael Jackson aus, bis zur Schmerzgrenze. Dann folgt eine flache Homestory mit Bildern von Sabine Wunderlin. Das wars.
DAS MAGAZIN überzeugt mit einer Reportage von Max Küng über die Sardinenfischerei in Peniche. Man muss nicht „Saudade“ nach Portugal haben, um Küng und dem Fotografen Gunnar Knechtel ein grosses Kompliment auszusprechen zu können. Die Menschen, auf denen der Textjournalist seinen Beitrag aufbaut, werden im Bild mit ebenso viel Einfühlung dargestellt. Man liest die Reportage gerne ein zweites Mal, und gibt sie auch weiter. In der portugiesischen Community zirkuliert sie mit grossem Erfolg seit Freitagabend, – als Vorpublikation auf Newsnetz.
Unsere Beiträge über tilllate.com haben sind auf Interesse gestossen. Das Start-up galt bis vor wenigen Monaten als Talentschmiede und Vorzeigemodell für neue Geschäftsmodelle im Bildjournalismus. Nun wurden die internationalen Lizenzen an das in Glasgow domizilierte M 8 Magazine verkauft und die Tochter für internationale Aktivitäten geht in Konkurs. Ob TA-Media das Geschäft in der Schweiz wirklich vollständig übernehmen wird, ist zum Thema auf Internet-Foren geworden. Es sind auch einige Abgänge erfolgt oder zeichnen sich ab.
Nachhaltig verbittert dürften Freizeitfoto/grafinnen der ersten Jahre von tilllate.com sein, die den Aufbau ermöglicht haben. Sie finanzierten Ausrüstung und Spesen selbst und gaben die Rechte an den Bildern ab. Gegenleistung war der VIP-Rausch in Clubs und an doch eher billigen KMU-Parties. Unklar sind die Rechte der dargestellten Personen an den Bildern. Sie haben sich freiwillig abbilden lassen, doch selbst Promis können darauf bestehen, visuell nicht vermarktet zu werden.
Dass TA-Media weiterhin auf tilllate.com setzt, zeigt die aktuelle Ausgabe von 20minuten friday. tilllate.com erscheint im Intro, in Wettbewerben, in der Rubrik nightlife (mit Clubempfehlung Kaufleuten und Saint Germain). Parallelen zum M 8 Magazine sind offensichtlich. Im Cover bietet PEPSI zum Upload einen Wettbewerb mit der eigenen Partyfoto auf Flaschenetiketten an. Man gewinnt den Eindruck, dass sich hier einige aneinander klammern, um den Sommer gemeinsam zu überstehen.
Doch wie funktioniert das überhaupt mit der PEPSI-Flasche? Es versteht sich, dass man Member sein muss. Dann lädt man sein Bild in eine Galerie auf, die von anderen Member bewertet werden kann. Mit viel Glück kommt man zu einem Handy von NOKIA oder einer Playstation von Sony. Das Ganze ist einfach gestrickt und basiert auf einer Plattform à la Facebook, – und natürlich hat man auch Zugang über Facebook. Der Slogan heisst „I CAN„. Man denkt an „My Can“, und hierzu gibt es bereits Parodien. Bedenklich: PEPSI kann über die Bilder frei verfügen. Unbedenklich: Sie sind so schlecht, dass sich der kommerzielle Nutzen in sehr engen Grenzen hält.
Trotz negativen Nachrichten erweist sich die Medienbranche als Wachstumsmarkt. Die auf vier Jahre angelegte Studie von PriceWaterhousCoopers über den globalen Medienmarkt prognostiziert ein Wachstum von 2,7 Prozent, jedoch eine viele raschere Verlagerung als bis anhin angenommen. Durch die demographische Entwicklung dürfte die abonnierte Print-Presse kaum mehr zulegen, während neue Medien kaufkräftige, ältere Konsumentensegmente erreichen.
Im Kleinen bestätigt der Markt für Gesundheitsmedien in der Deutschschweiz diesen Trend. Das von Ringier ambitös lancierte Magazin Gesundheit Sprechstunde erschien am 10. Juli zum letzten Mal, begleitet von einem bitteren Kommentar seines startegischen „Vaters“ Fibo Deutsch. Deutsch schiebt die Schuld primär den Gratisblättern zu, – und deren Werber und Sponsoringpartner, die Qualitätsjournalismus nicht zu schätzen wissen.
Wie hart der Kampf um bezahlte Abonnemente geführt wird, zeigt eine an diesem Wochenende lancierte Aktion von „natürlich leben„, die sonntag.ch (aus dem gleichen Verlagshaus) beiliegt. Beim Abschluss eines Jahresabonnements für CHF 137.- erhält man eine Fresh Juice Entsafter. Denkbar wäre auch ein anderes Geschäftsmodell. Mit dem Kauf des Entsafters wird man gratis Abonnent, zumindest für ein Jahr. Ob man den Abonnenten dann für ein weiteres, nunmehr kostendeckendes Jahr behalten kann, bleibt offen.
Die von Fibo Deutsch kritisierte Entwicklung ist nicht ohne Folgen für auf Health und Food spezialisierte Fotografen. In einem harten Konkurrenzkampf wird an allen Ecken und Ende gespart, – zuerst bei Originalbeiträgen in Text und Bild.
Unseren Leser/innen möchten wir einen Sommer ohne Missen garantieren. Doch auch prominente Journalistenkollegen können Sticheleien nicht vermeiden. In sonntag.ch von heute analysiert Kurt-Emil Merki das gespannte Verhältnis zwischen Blick und Schweizer Illustrierte. Die arg gebeutelte Wochenzeitung verfügt vertraglich über das Privileg zu Erstreportagen bezüglich Missen. Blick fleddert, wenn Missen dann doch noch Nächte in fremden Betten verbringen und klopft Vorgängerinnen nach Lebensweisheiten ab. So ergänzen sich die beiden Teams an der Dufourstrasse perfekt, auch in der Mehrfachbutzung von Bildchen, die man schon früher publiziert hat.
Das mit der Pepsi-Aktion war ja gar keine schlechte Idee, fand ich. Also ich kannte schon sehr viele Leute, die da mitmachen wollten, vermutlich spricht so etwas ja auch genau die Pepsigeneration an. Das mit den Rechten wird diese Konsumenten/User dann wahrscheinlich auch nicht weiter stören, so lange die Aussicht auf ein Bild in der Öffentlichkeit besteht.