David Meili, 21. Juni 2009, 10:13 Uhr

Wohin schlingert Tilllate? Von der Roten zur Weissen Fabrik, und eine Miss aus dem Bible Belt?

Pressespiegel zum Wochenende vom 20./21 Juni 2009
Tilllate ist eines der wenigen Vorzeigeprojekte der Web 2.0 Szene in der Schweiz und seit 2 000 ein innovativer Ansatz für die Vermarktung von Bildern. Die Idee der Geschäftsgründer war bewusst einfach: Party-Bilder werden möglichst noch in der gleichen Nacht auf eine Website gestellt. Hinzu kamen mit dem raschen Ausbau der Site Banner- und Böxliwerbung und ein Newsletter mit bezahlten Partytipps.

Durchschlagenden Erfolg hatte Tilllate mit seinen Fotograf/innen. Die Site nutzte die direkte Kommunikation zwischen Digitalfotografie und Internet, als die Konkurrenz Partybilder noch nicht direkt übertrug, sondern erst am Montag auf  CD in die Redaktion brachte. Als Tilllate-Reporter hatte man als Teil des  Honorars einen VIP-Zugang zu den Clubs, konnte die schönsten Mädels abklicken (und oft auch ab…) und war Teil der Szene.

Tilllate ermöglichte nicht wenigen jungen Talenten einen festen Job in der damals boomenden Gratispresse und ein berufliches Durchstarten. Doch auch diese Szene blieb vor Einbrüchen nicht verschont. Wie kam es dazu?

Von der Werbekrise ist das Online-Portal weit weniger stark betroffen als die Print-Presse. Es weist eine im Konsum stabile, junge Zielgruppe aus. An der direkten Konkurrenz liegt es auch nicht. Lautundspitz, aus einer Veranstaltungsbeilage herausentwickelt, und usgang.ch, das mittlerweile an die Amiado Group des Axel Springer Konzerns angegliedert ist, liegen weit zurück; – und Konkurrenz belebt den Markt, selbst wenn man den Branchenleader schamlos im Webdesign kopiert.

Viel eher hinkt die Strategie von Tillate dem Zeitgeist nach. Die jungen Partygänger/innen sind mit dem Fotohandy selbst zu Reportern und geworden und schalten ihre Bilder direkt auf Community-Sites auf. Nachdem selbst das iPhone MMS-fähig geworden ist, sind sogar MacIsten in der Lage, sich als Leserreporter zu profilieren. Konkurrenten sind nunmehr Facebook und MySpace, Crossmedia Plattformen wie 20Minuten und zunehmend auch Blick am Abend.

Als eher missglückt dürfte für Tillate die Expansion in den europäischen Markt zu beurteilen sein. Für den Ableger in Deutschland sucht man einen Käufer, sonst droht die Insolvenz. Das Stammhaus wird voraussichtlich in der zweiten Hälfte des Jahres von der TA-Media aufgrund der Zusammenarbeit mit 20Minuten vollständig übernommen und gelangt in ein Mulitimedia-Konglomerat, in das auch die Such- und Dienstleistungsplattform search.ch eingegliedert wird. Eine klare Strategie für zwei der erfolgreichsten, einst als Startup gegründeten Internet-Medien  ist nicht erkennbar.

Auf kaltes, düsteres Wetter reagiert die Sonntagspresse nicht und vermittelt uns noch mehr Langeweile. So waren auch am Bahnhofkiosk in K. am früheren Vormittag kaum Kunden auszumachen. Als Verlagsmanager könnte man kurzfristig eine Kreuzwortbeilage einschiessen oder ein Reisemagazin. Doch ihnen fehlt die Fantasie.

Der Final der Tour de Suisse würde heute auch nicht mehr auf einen Sonntag gelegt. Das Timing stammt aus einer Zeit, in der die stärksten Auflagen am Montag erzielt wurden. Man stelle sich vor: Zieleinlauf am Samstagabend, Alles über die Tour in der Sonntagspresse mit guten, exklusiven Bildern. Wenn „el Cancellara“ ins Ziel sprintet, ist die Schweizer Illustrierte längst in Lieferwagen unterwegs.

Sonntag CH bringt ein Interview und Porträt von Thomas Cerny, Chefarzt für Onkologie am Kantonsspital St. Gallen. Der Eye-Catcher von Daniel Ammann ist gründlich misslungen, direkter Blitz auf die Bildmitte eines Mannes in weissem Kittel. Das geht selbst als Stilmittel nicht mehr durch, und PhotoShop konnte es nicht richten.

Interessant in der gleichen Zeitung: Fünf Kulturaktivisten haben die Rote Fabrik in Zürich weiss angemalt. Kulturchef Jean-Pierre Hoby, der sich „auch“ als 68er outet, ist entsetzt. Doch die Tat trifft, wie Christof Moser schreibt, ins Schwarze. Über dreissig Jahre hinweg war es nicht möglich, ohne Parteibuch eines der begehrten Ateliers am Zürichsee zum symbolischen Preis zu erhalten. Die Rote Fabrik wird (ohne Amortisation) von der Stadt Zürich mit 2,4 Millionen pro Jahr subventioniert und ist längst zu einem Resort für „kulturschaffende“ Genoss/innen geworden.

Fotograf/innen finden sich in der Roten Fabrik ebenso wenig wie im Programm der zürcher festspiele (Beilage NZZ unter Beat Rauch).

Seltsam. Die Stadt Zürich profitierte in den vergangenen Wochen von mehreren Events und Programmen der Gegenwartsfotografie, wie der ewz.selection. Doch im Umfeld von Oper und klassischem Schauspiel ist allenfalls noch etwas Kunst ( Katharina Fritsch) im vor sich hin dümpelnden und gegen Besucherschwund kämpfenden Kunsthaus präsent.  Das hochsubventionierte Programm wie die Vermittlung sind auf eine Zielgruppe abgestimmt, die es vielleicht gar nicht (mehr) gibt. Alles wirkt uninspiriert, lieblos und provinziell.

Über Geschmack lässt sich (nicht) streiten. Doch ob Melanie Winiger die „die schönste aller Ex-Missen“ ist, wie Reza Rafi im SonntagsBlick behauptet, darf angezweifelt werden. Immerhin hat sie sich wiederum in Schlagzeilen gebracht, diesmal nicht mit der Werbung für eine Toilettenspühlung, sondern als Sex-Darstellerin im Film „Sinestesia„, des weltbekannten Regisseurs Erik Bernasconi. Ihr Partner ist der ebenso prominente Leonardo Nigri. Produziert wird der Film immerhin von Villi Hermann, der schon bessere Zeiten hatte.

090620_tabeaZukünftige Missen setzen auf andere Werte. Überraschend tritt Tabea Schulthess, Pfarrerstochter aus Pfäffikon/ZH zur Wahl an. Pfäffikon ist seit den fünfziger Jahren eine Hochburg der Evanglikalen. Der Prediger Wim Malgo führte von hier aus ein Pionierprojekt in Crossmedia, Radio Mitternachtsruf.

Für Radio Life Channel ist die Nomination von Tabea ein Geschenk des Himmels. Wie nah die attraktive Studentin der Bewegung steht, ist unklar. Auf Seite 34 im SonntagsBlick zeigt sich die Schwarzhaarige auf einem Gruppenbild von Goran Basic eher gesittet. Sie könnte aus christlichen Kreisen zu Stimmen kommen, doch im Gegensatz zur Wahl zum Mister Schweiz haben Publikumsstimmen kaum Gewicht. Ob Tabea ihr Lieblingsprogramm „Sex and the City“ vom Facebook-Profil entfernen wird?

090620_carmen_hedigerNicht ohne Chancen ist die Bernerin Carmen Hediger. Sie entspricht nicht dem gängigen Schönheitsideal. Doch Presse und Werbung freuen sich auf Missen und Mister mit Ecken und Kanten. Für Partygirls und Partyboys genügt uns Tilllate.

13 Kommentare zu “Wohin schlingert Tilllate? Von der Roten zur Weissen Fabrik, und eine Miss aus dem Bible Belt?”

  1. TILLLATE Deutschland hat offiziell in Deutschland die Insolvenz angemeldet! Entsprechende Berichte sind längst publiziert worden! Tilllate Schweiz schlingert wirklich. Löhne werden viel zu spät ausbezahlt und Fotografen müssen arbeiten auch dann gratis arbeiten, wenn Tilllate dafür ein Fettes Honorar verrechnen kann.

    Schaut man die WEMF Zahlen an, so sinken diese bei Tilllate ständig wie im freien Fall.
    Gruss Beni

  2. @Christian, genau! Die Insolvenz von Tilllate war auch in der Sonntagszeitung. Hierzulande denke ich wird es auch nicht mehr lange glänzen.. Wer weiss, was dann passiert. Konkurs oder einfach einstellen des Betriebes? wir werden sehen…

  3. Dann stellt sie noch die Frage wie das mit dem Webdesign kopieren gemeint sei? Für mich ganz eindeutig, hat Tilllate sich beim neunen Design stark durch Usgang.ch inspirieren lassen. Kpiert? wer weiss…

  4. Mehr Sorgfalt beim Recherchieren…

    „Die Rote Fabrik wird (ohne Amortisation) von der Stadt Zürich mit 2,4 Millionen pro Jahr subventioniert und ist längst zu einem Resort für “kulturschaffende” Genoss/innen geworden. Fotograf/innen finden sich in der Roten Fabrik ebenso wenig…“

    Alles kompletter Quatsch,bin Fotograf und Prafull Dave ist Fotograf (und Maler) beide sind in keiner Partei und Mieter in der Roten Fabrik. Weitere Fotografen waren in der Roten als Mieter: Betty Weber und ebenso Heinz Keller sowie Pino XXX Nachnahmen weiss sich nicht mehr Die Mieten der Ateliers sind schon lange nicht mehr subventioniert.

  5. konkurs tillate: keine wunder bei diesen innovationsfreien fotografien.
    rote fabrik: der gute zusammenhalt dieser leute ist beispielhaft. werner graf hat den zürcher abfallsack kreiert. ähnelt der luftaufnahme von andreas gursky auf dem kunstmuseumsplakat in basel.

  6. Nach meinen Informationen sind nur die internationalen Bereiche in der nun Konkurs gegangenen Gesellschaft, wobei die Markenrechte verkauft wurden. Da TA-Media drin hängt, dürfte es juristisch korrekt abgelaufen sein. In 20Minuten Friday vom 10.7. ist tilllate.com präsent wie nie zuvor, u.a. mit dem Seite 31 Girl, das Kaufleuten und Saint Germain bevorzugt. Verkehre, auch altersmässig bedingt, leider nicht in „gehobeneren“ Kreisen.

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