Gastautor/-in, 21. Juni 2009, 07:00 Uhr

Vor 60 Jahren: Das Farbbild auf Agfacolor-Papier

agfacolor_9_korrIn der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg entstand der Wunsch, farbige Papierbilder auf ähnlich einfachem und preiswertem Wege wie schwarzweisse zu erhalten, kopiert von einem Negativ auf entsprechendes Fotopapier. Die lange Geschichte des Agfacolor  Colorpapiers zeigt hier Fotohistoriker Gert Koshofer auf.

Die für die frühe Nachkriegszeit sensationelle Marktneuheit hatte eine längere Vorgeschichte: Gleichzeitig mit den Agfacolor Umkehrfilmen für Dias und Schmalfilme hatte sich die Agfa bereits 1935-1937 mit der Ausarbeitung des Negativ/Positiv-Verfahrens befasst, schon im Herbst 1937 lagen die ersten erfolgreichen Versuche mit dem Colorpapier vor. Doch zunächst hatte der farbige Kinofilm Vorrang. Im IG-Farben-Konzern, zu dem Agfa damals gehörte, herrschte Arbeitsteilung: In der Fotopapierfabrik Leverkusen war man für das Papier zuständig, in der Filmfabrik Wolfen für den Film.

agfacolor_11Dieses vor 1945 aufgenommene Farbfoto des Fotolehrers Wilhelm Lange wurde vor einigen Jahren auf aktuelles Agfacolor-Papier vergrössert und dadurch farblich wieder aufgefrischt.

Farbbilder vorher umständlich und teuer
Als Anfang Oktober 1942 auf der Dresdner Fachtagung «Film und Farbe» Agfacolor-Vergrösserungen öffentlich gezeigt wurden, waren auch noch Duxochrom-Bilder zu sehen. Das waren Farbvergrösserungen nach einem aufwändigen Verfahren, das von der Firma Johannes Herzog, Hemelingen (Bremen), ursprünglich für Dreifarbenkameras wie die Bermpohl eingeführt worden war und zunächst neben Jos-Pe der gleichnamigen Hamburger Firma und der Uvatypie (Vitacolor) der Uvachrom AG, München, eine der wenigen Möglichkeiten war, zu farbigen Aufsichtsbilder zu gelangen. Dazu mussten von Farbdias (Agfacolor und Kodachrome) zunächst drei schwarzweisse Farbauszüge angefertigt werden, um davon farbige oder noch einzufärbende Matrizenfolien herzustellen, die selbst oder deren Farbstoffe auf Papierunterlage übertragen wurden. Solche Farbvergrösserungen waren ein teueres Vergnügen, das sich nur wenige leisten konnten.

In den USA war man schon viel weiter, dort konnten die Amateure ab Januar 1942 mit Kodacolor Rollfilmen fotografieren und von den Negativen direkt bei Kodak Farbbilder herstellen lassen. Ausserdem wurden seit 1941 von Kodachrome-Dias Prints auf einem entsprechend entwickelten Plastikmaterial angefertigt, dem 1943 das ähnliche Ansco Printon folgte.

In Deutschland war das Agfacolor Negativ/Positiv-Verfahren neben den Kinofilmen bis Kriegsende nur Fotografen von Staat, Partei und Wehrmacht vorbehalten gewesen. Man kündigte seine Einführung auch für Papierbilder nach Kriegsende an. Doch vor allem die Agfa-Chemiker erprobten es selbst, so sind heute noch frühe Bilder sowohl von den Erfindern des Agfacolor-Verfahrens Dr. Gustav Wilmanns und Dr. Wilhelm Schneider als auch von der Chemikerin Dr. Edith Weyde, die sich mit Entwicklungsrezepten für das Colorpapier befasste, überliefert.

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Links: Dr. Edith Weyde, bei Agfa in Leverkusen seit 1937 mit dem Entwicklungsprozess für das Colorpapier befasst, erprobte das Verfahren schon früh mit eigenen Fotos wie dem ihrer böhmischen Heimat.
Rechts: Ein frühes Agfacolor-Bild zeigt den 1949 gewählten ersten Bundespräsidenten Prof. Dr. Theodor Heuss.

Folgen der deutschen Teilung
Die grosse Filmfabrik der Agfa in Wolfen lag in der sowjetisch besetzten Zone und wurde als Kriegsbeute beschlagnahmt. Die Siegermacht war neben dem Kinofarbfilm auch stark am farbigen Papierbild interessiert.

Schon 1947 stellte Wolfen auf der Leipziger Frühjahrsmesse Agfacolor Negativfilme für Fotozwecke vor. Sie wurden 1948 allerdings mangels Colorpapier zunächst mit der Empfehlung eingeführt, von den farbigen Negativen schwarzweisse Abzüge herzustellen. Die Filme wurden auch in die Westzonen geliefert, wo ebenfalls noch kein Colorpapier zur Verfügung stand, auch wenn es in Leverkusen schon während des Krieges produziert worden war. Hier musste zunächst überhaupt eine Filmfabrikation eingerichtet werden. Nach der 1948 durchgeführten Währungsreform und der Gründung der Bundesrepublik war die Zeit reif, endlich das alte Versprechen einzulösen. Auch drohte Konkurrenz aus dem Ausland, wo die Fotoindustrie sich nach der zwangsweisen Veröffentlichung der Agfacolor-Rezepturen ebenfalls bemühte, danach Kino- und Fotomaterialien zu produzieren. So konnte Agfa Leverkusen, damals noch eine Abteilung der Farbenfabriken Bayer, im September 1949 sowohl den Farbnegativfilm als auch das Colorpapier auf den Markt bringen.

In der DDR war die Lage umgekehrt: Dort musste neben der Filmfabrikation nun auch Colorpapier produziert werden, was nach kleinen Versuchsmengen ab 1947 erst 1951 voll gelang, so dass die Fotografen dort etwas später als in Westdeutschland in den Genuss des Verfahrens kamen. Die Farbmaterialien aus Leverkusen und Wolfen unterschieden sich in Eigenschaften und Verarbeitung.

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Links: Die ersten «fremden» Farbnegativfilme nach dem Agfacolor-Verfahren waren Gevacolor aus Belgien, Telcolor aus der Schweiz und Ferraniacolor aus Italien. Fomacolor aus der CSSR kam erst später hinzu.
Mitte: Zunächst kamen die Agfacolor-Negativfilme aus Leverkusen in bedruckten Dosen auf den Markt. Auffallend sind beim Agfa-Rhombus die anfangs hinzugefügten vier Unterstriche zur Unterscheidung von Filmen aus Wolfen.
rechts: Vor der Einführung der Leverkusener Filme und auch danach noch zur Ergänzung des Marktangebots in Westdeutschland bezog Agfa Leverkusen auch Filme aus Wolfen. Sie trugen zur Qualitätssicherung eine rote Klebemarke mit «T» für Tageslicht und den Rhombus.

Die Filmempfindlichkeit war im Westen mit 14/10° DIN (heute: ISO 20/14°) zunächst etwas höher als im Osten mit 13/10 °DIN (ISO 16/13°), der Wolfener Entwicklungsprozess war etwas kürzer, aber das östliche Agfacolor-Papier war in den Weissen gelblich belegt, was vor allem am Bildrand auffiel.
Kodacolor Filme kamen in der Bundesrepublik erst 1958 auf den Markt, doch standen seit 1949 Ferraniacolor aus Italien sowie seit 1950 Gevacolor aus Belgien, Fotocolor (später: pakolor) aus England und Telcolor aus der Schweiz abwartend vor der Tür. Der Adox Color Negativfilm als westdeutsche Konkurrenz kam erst 1955 auf den Markt und Adox Color Papier wurde 1957 nur für die firmeneigene Kopieranstalt hergestellt. Telcolor Negativfilm und Papier wurden wie Fotocolor nur für den Inlandsbedarf in kleinen Mengen fabriziert, doch verwirklichte der 1946 in die Schweiz ausgewanderte Agfa-Chemiker Dr. Wilhelm Schneider einige seiner älteren Grundideen: den Universalfilm für Tages- und Kunstlicht mit wahlweiser Einentwicklung einer kontrastmindernden Silbermaske, Colorpapier ohne Gelbfilter-Zwischenschicht und mit 2-Bad-Entwicklung dank kombiniertem Bleichfixierbad.

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Links: Auch der massgeblich an der Ausarbeitung des farbigen Negativ/Positiv-Verfahrens beteiligte Chemiker Dr. Wilhelm Schneider erprobte es vor 1940 und kopierte das Agfacolor-Negativ nach dem Kriege auf sein Schweizer Telcolor-Papier. Es zeigt eine Partie am Barockschloss Pillnitz bei Dresden.
Rechts: Für den ersten Agfa-Nachkriegskatalog aus Wolfen nahm Walde Huth, die vor dem Kriegsende in der Prüfstelle der Filmfabrik mit dem Negativ/Positiv-Verfahren beschäftigt war, dieses auf Wolfener Colorpapier vergrösserte Foto auf.
Alle Abbildungen: Archiv Koshofer

Schneiders Ideen kamen vertraglich auch Ferrania zugute, doch Agfa Leverkusen führte 1956 ebenfalls einen Universalfilm, den CN 17 mit zugleich höherer Empfindlichkeit (ISO 40/17°) ein. Diese Filmempfindlichkeit hatte Agfa Wolfen schon im Herbst 1954 mit dem Agfacolor Negativ-Ultra T erreicht. Der Begriff «Universalfilm» hatte zunächst eine doppelte Bedeutung, denn der Film sollte nicht nur auch für Aufnahmen mit Fotolampen (an Stelle von Blitzlicht) dienen, sondern weitgehend den Schwarzweissfilm ersetzen. Wer die hohen Kosten für Farbbilder scheute oder den Film falsch belichtet hatte, konnte nämlich von den noch unmaskierten, das heisst nicht mit einem orangefarben «Gegenpositiv» überlagerten Farbnegativen unschwer auf das übliche Schwarzweisspapier kopieren lassen oder das im Heimlabor selber tun. Kodacolor war dagegen seit 1949 farbmaskiert. An Beliebtheit bei den Fotoamateuren hatten zunächst aber Diafilme Vorrang, auch wenn Agfa Leverkusen gehofft hatte, die propagierte «Neue Agfacolor-Photographie» würde sich durchsetzen – der CT 18 wurde für lange Zeit zum grössten Markterfolg. Von den Dias waren allerdings bald auch auf Farbumkehrpapier kopierte Bilder erhältlich.

Vom Händlerlabor zum Grossfinisher
Zunächst war die Colorpapier-Verarbeitung zur Qualitätssicherung nur wenigen von Agfa beauftragten Händlerlabors und Kopieranstalten vorbehalten, wozu eine mehrwöchige Ausbildung nötig war. Schon 1951 wurden auch Fachfotografen zur Ausübung des Verfahrens von Agfa autorisiert. Zum Beraterteam der Agfa gehörte der bekannte Fotograf und -lehrer Prof. Dr. Walter Hege. Da noch Bilder mit dem Agfa Varioscop von Hand vergrössert wurden, beschränkte man sich rationell auf die so genannte Weltpostkarte (10,5 x 14,8 cm). Die Stundenleistung betrug nur fünf Bilder, die anfangs mit je DM 4,50 mehr kosteten als fünf billige KinokartenSchon im Mai 1950 wurden auch preiswertere Kontaktkopien und weitere Formate geliefert. Die bevorzugten kleinen Abzüge von Rollfilmen im Format 6 x 6 und 6 x 9 cm kosteten DM 1,50 und vom Kleinbild im Format 7,5 x 10,5 cm sogar DM 1,80. Die Bilder konnten in einem Schnellkopiergerät (Agfa Seriograph F) angefertigt werden. 1957 erschien der Agfa Colormat als elektronisch gesteuertes Vergrösserungsgerät und 1960 begann nach den USA auch in Westdeutschland die Automatisierung in den Farblabors mit dem Printer Agfa Colormator N 76, der pro Stunde 4’000 Bilder im Standardformat 7,5 x 10,5 cm lieferte.

Zu den ersten, heute international aktiven Finishern gehört CeWe Color mit seinem Vorgänger Foto Wöltje in Oldenburg, wo 1952 die erste Colorpapier-Entwicklungsmaschine für eine Tagesleistung von 6’000 Kopien aufgestellt worden war. 1965 eröffnete CeWe Color das erste Grosslabor in Deutschland. Dank der Automatisierung bei Filmentwicklung, Kopien und Papierverarbeitung konnten – bei gesteigerter Bildqualität – die Bildpreise immer weiter gesenkt werden. Auch heute noch ist Colorpapier ein wichtiger Umsatzträger für Bilder von digitalen Speichermedien.

Agfacolor-Papier wird allerdings seit Ende 2005 nicht mehr hergestellt – eine der modernsten Produktionsanlagen der Welt fiel dem Ende von AgfaPhoto in Leverkusen zum Opfer.

Gert Koshofer

untitledArtikel mit freundlicher Genehmigung von «Photo-Deal», Neuss. Der Artikel stammt aus der neuesten Ausgabe III/2009, die ab anfangs Juli an grösseren Kiosken im Verkauf oder im Abonnement erhältlich ist. Weitere Themen dieser Ausgabe sind:
Raritäten: Periflex – Leica-Kopie oder eigenständiges System? / Die Luftwaffen-Robot  Geschichte: Vor- und Nachteile des Contax-Bajonetts  / Das Farbbild auf Agfacolor-Papier  Klassiker: Yashica – der Elektro-Pionier  / Seltsame Modelle (2) / Minox 8×11 – Lieblingskamera der Prominenten  Photographica-Szene: Künstlerplakate im Fotogeschäft Terminkalender: Fotobörsen von Juni bis Dezember  Kleinanzeigen: Schnäppchen auf neun Seiten

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