Urs Tillmanns, 8. Juni 2014, 07:00 Uhr

Gesichtserkennung – nicht nur in den Kameras

2005 überraschte Nikon mit der Gesichtserkennung in einer Kamera. Seither ist dieses Feature zur automatischen Scharfeinstellung kaum mehr wegzudenken. Wie funktioniert die Gesichtserkennung, und wo wird sie – ausser in Kameras – noch eingesetzt?

 

Fotografen wissen die Kamerafunktion zur Gesichtserkennung, die Aufnahmen von menschlichen Gesichtern und manchmal auch von Tieren wesentlich erleichtert, sehr zu schätzen. Aber die Möglichkeiten der Gesichtserkennung sind wesentlich umfassender als scharfe Porträts zu schiessen. Manches davon ist auch in vielen anderen Bereichen nützlich und hilfreich, anderes ruft aber auch Ängste und Kritik hervor.

In der 175-jährigen Geschichte der Fotografie hat es zahlreiche Entwicklungen gegeben, mit denen das Aufnehmen von Bildern einfacher, variantenreicher und technisch perfekter wurde. Häufig waren diese technischen Fortschritte auch für andere Bereiche des gesellschaftlichen oder wissenschaftlichen Lebens von Bedeutung. Dazu gehört auch die Gesichtserkennung. Erste Kameras mit dieser Innovation stellte Nikon auf der amerikanischen Fotomesse PMA im Jahr 2005 vor. In den folgenden Jahren entwickelte sich die Funktion der Gesichtserkennung zu einem begehrten Feature, das sich heute in zahlreichen Kameras verschiedenster Hersteller findet. Es war keinesfalls nur eine nette Spielerei, mit der die Kamerahersteller hier aufwarteten. Die Gesichtserkennung trägt wesentlich dazu bei, dass bei Aufnahmen mit Personen, bei denen in der Regel die Schärfe des Bildes auf dem Gesicht liegen soll, auch sicher gelingen. Die Kameras erkennen Gesichter und können Funktionen wie die Belichtungsmessung, den Autofokus und den Weissabgleich darauf abstimmen. Erweiterungen dieser Funktionen sind unter anderen die Lächelerkennung oder die Wiedererkennung bekannter Gesichter. Inzwischen können Gesichter auch erkannt werden, wenn sie nicht frontal zu Kamera im Motiv auftauchen, wodurch auch bei Momentaufnahmen bessere Resultate erzielt werden. Im anvisierten Motiv werden im Display die entdeckten Gesichter den Fotografen mit einer Umrahmung angezeigt.

PIV-Gesichtserkennung-

Die zentrale Messung würde auf den Hintergrund messen. Die Gesichtserkennung hingegen legt die Schärfe auf das Gesicht oder die Augen und zeigt dies im Sucher an. Wäre der Name des Models gespeichert, würden auch dieser den Bilddaten automatisch zugeordnet.

 

Rund um die Gesichtserkennung hat sich in den letzten Jahren ein ganzes Spektrum interessanter Funktionen aufgetan. Auch in die App-Welt hat die Gesichtserkennung längst Einzug gehalten. So macht eine App es zum Beispiel möglich, bei einem Selbstporträt die Kamera erst auszulösen, wenn das Gesicht perfekt in Szene gesetzt ist. Die Gesichtserkennung kann aber noch viel mehr. So werden beispielsweise Fotos der eigenen Kontakte auf Facebook dazu genutzt, den Gesichtern im Sucher oder auf Fotos gleich einen Namen zuzuweisen.

PIV-Gesichtserkennung

Der zentrale Sensor (rotes Rechteck) würde durch die beiden Models hindurch auf den Hintergrund fokussieren, die Gesichert wären unscharf. Die Gesichtserkennung misst auf die beiden Gesichter, bei manchen Systemen auch auf das rechte oder linke bzw. auf beide Augen.

 

Gesichtserkennung – nicht nur in Fotokameras

Für eine Gesichtserkennungs-App für Googles Datenbrille, aber auch für Smartphones hatte Google für seine Geräte wegen des Schutzes der Privatsphäre schon Bedenken angemeldet. Google bietet schon seit Jahren kostenlose Programme, die es den Nutzern erleichtern sollen, ihr heimisches Archiv zu ordnen. So manche Programme fragen bei der Archivierung nach, welche Personen auf den Bildern zu sehen sind, und können dann diese Personen auf allen anderen Bildern automatisch finden. Auf dem heimischen Computer wird das sicher als praktisch empfunden, aber es beinhaltet auch die Möglichkeit, diese biometrischen Daten in andere Systeme einzugeben und damit ein Gesicht überall bekannt zu machen. Kaum verwunderlich ist sicherlich, dass Facebook in Sachen Gesichtserkennung fleissig mitmischt. So soll die von Facebook entwickelte Software Gesichter fast ebenso gut erkennen, wie Menschen das können. Das System «Deep Face» (siehe Artikel in «Die Welt») soll das Markieren von Freunden auf Fotos erleichtern. Diese Art Gesichtserkennungssoftware wird von ihren Anbietern und Entwicklern als grosse Hilfe, unter anderem für die Polizei, angepriesen, die zum Beispiel damit riesige Datenbanken, etwa mit den Profilen von Sexualtätern, aufbauen könnte.

Google Glass Brille

Die Gesichtserkennung in den Datenbrillen – hier das Modell von Google Glass – ist bezüglich Datenschutz nicht unbedenklich (Foto: Google)

Ist ein Szenario der Überwachung, wie es der Autor Philipp K. Dick in der Geschichte «Minority Report», die 2002 mit Tom Cruise unter der Regie von Steven Spielberg verfilmt wurde, skizziert hat, denkbar? Im Jahr 2054 sind danach an allen öffentlichen Orten Scanner installiert, die jeden Passanten durch Iriserkennung identifizieren, und deren Überwachung man nur durch das Einsetzen neuer Augen entkommen kann.

 

Führt die Gesichtserkennung zur ständigen Überwachung?

Die ständige Überwachung von jedermann ist ein kritisches Thema. Nach neuen Erkenntnissen sollen in der riesigen Biometrie-Datenbank vom FBI ausser Kriminellen auch immer wieder unbescholtene Bürger landen. Von der bisherigen Sammlung von mehr als 100 Millionen Fingerabdrücken will man die Datenbanken mit Iris-Scans und Gesichtserkennung ausbauen. Laut FBI könnte so eine Datenbank in einigen Jahren über 50 Millionen Fotos zur Gesichtserkennung enthalten und täglich mit 55‘000 Bildern gespeist werden.

Noch fortgeschrittener soll die Technik einer neuen Brille namens «Atheer on» sein. Sie soll sogar ein erkennbares Bild liefern, wenn noch 60 Prozent eines Gesichts verdeckt sind. Auch sie soll die Polizei bei der Gangsterjagd unterstützen. Der Wunsch nach Sicherheit und der Schutz vor Verbrechen ist sicher nichts Angreifbares, aber die sich oft daraus ergebende Totalüberwachung stösst immer häufiger auf Kritik.

«Alle Überwachungsmassnahmen kommen immer mit dem Heilsversprechen, dass schwere Kriminalität oder Terror bekämpft werden könnten. Am Ende führt das dann dazu, dass auch Parksünder von der Überwachung erfasst werden», sagt Datenschutzexperte Georg Markus Kainz von Quintessenz, des Vereins zur Wiederherstellung der Bürgerrechte im Informationszeitalter. Kainz sieht noch ein weiteres Problem: «Die Umwelt bekommt bei diesen Brillen – im Gegensatz zu Fotokameras – das Filmen gar nicht mit und kann so auch keinen Einspruch erheben. Aus ähnlichen Gründen sind ja auch die fest installierten Autokameras in Österreich verboten worden.»

Im eigenen Heim kann man allerdings von diesen Vergleichsmöglichkeiten, die die Gesichtserkennung bietet, auch profitieren. Eine schlaue High-Tech-Türklingel schickt nicht nur ein Livevideo der Person vor der Wohnungstür auf das Smartphone des Bewohners, sondern kann auch über die Gesichtserkennung den Besucher einlassen oder abweisen. Ein Bild einer berechtigten Person vor die Kamera zu halten, nützt nichts, da ist die Software schlau genug, um sich davon nicht täuschen zu lassen.

Sind Entwicklungen falsch, weil man mit ihnen nicht nur Nützliches und Positives bewirken kann, sondern weil sie auch Gefahren bergen? Sicher nicht, so ist an dem Nutzen der Gesichtserkennung als Funktion in Kameras nicht zu zweifeln, und auch die Möglichkeiten, wie sie sich im erkennungsdienstlichen Bereich ergeben, bringen viel Nutzen, wie zum Beispiel zur Verbrechensbekämpfung. Nicht die fortschrittlichen Entwicklungen sind es, die falsch sind, sondern der Umgang mit diesen Mitteln.

 

Gesichtserkennung – So funktionierts

Gesichtserkennung (Foto: Canon)

Ohne Gesichtserkennung (links) stellt die Kamera auf die Blumen im Vordergrund scharf, während mit Gesichtserkennung (rechts) die Schärfe auf das Mädchen dahinter gelegt wird. (Foto: Canon)

Bei der Gesichtserkennungs-Technologie wird der Bildausschnitt gezielt nach menschlichen Gesichtern abgesucht und passt dann viele Aufnahmeparameter an. Je nach Kamera werden Belichtungsparameter, Schärfe, Hautton und die Blitzeinstellungen so gemacht, dass Gesichter auf Fotos möglichst perfekt abgebildet werden. Die Gesichtserkennung arbeitet ähnlich wie unser Gehirn. Zunächst wird das Bild nach Merkmalen wie kopfähnlichen Umrissen und dergleichen abgesucht, die mögliche Gesichtsfeldbegrenzungen vorgeben. Danach wird festgestellt, ob sich in dem Bereich auch dunkle Kontrastpunkte, wie Augen, befinden, die in einem richtigen Verhältnis zur Mundlinie stehen. Dann wird die Farbgebung mit dem Eingangsbild verglichen. Der Bereich des Hauttons ist so definiert, dass möglichst alle menschlichen Hautfarben identifiziert werden. Wenn das Gesicht erkannt ist, legt die Software es als Vorlage ab und kann sich im Live-Bild wieder daran «erinnern». Danach findet laufend eine Kontrolle des Bildes statt, um eine veränderte Position der Person zu verfolgen, auf dem Monitor anzuzeigen und in den Aufnahmeparametern zu berücksichtigen. Eine Erweiterung der Gesichtserkennung zur optimalen Fokusfindung ist die Pupillenerkennung. Mit dieser Technik können Kameras festlegen, ob automatisch auf das rechte, das linke oder auf beide Augen fokussiert werden soll.

Quelle: prophoto-online.de

 

Ein Kommentar zu “Gesichtserkennung – nicht nur in den Kameras”

  1. In einer kleinen Kampfdrohne eingebaut lösst solch eine Gesichtserkennung so manchen Nachbarschaftskonflikt final: brave new world

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