Urs Tillmanns, 21. Oktober 2012, 07:00 Uhr

NE7AS: Visualisierung der 7 Todsünden

Der Luzerner Fotograf Jean-Pierre Perren hat sich mit abstrakten Themen auseinandergesetzt und die sieben Todsünden fotografisch dargestellt. Das ganze Projekt ist an eine Geschichte geknüpft und konnte dank vielen fleissigen Helfern in rund 200 Stunden realisiert werden.

Bei NE7AS (lat. nefas; Gottlosigkeit) handelt es sich um eine zeitgemässe Inszenierung der sieben Todsünden. Die katholische Kirche erstellte einst den Katalog der verdammenswerten Laster. Superbia, avaritia, luxuria, ira, gula, invidia und acedia beherrschten einst in allen Bereichen das Leben der Gläubigen. Laster als Vorbote der Sünde. Einzig durch die Busse konnte die wissentlich, aus freiem Willen begangene schwerwiegende Sünde vergeben werden. Doch bedeuten Neid, Zorn, Wollust und Völlerei in unserer stolzen, geizigen und von Faulheit besessenen Gesellschaft überhaupt noch etwas? Wenn man die Menschheit so betrachtet, muss viel mehr davon ausgegangen werden, dass der Slogan «Niemand ist frei von Sünden – also her mit der Sünde!», befolgt wird. Wir leben in einem Zeitalter voller Habgier, Wollust und Völlerei, da schert sich niemand mehr um Sünde oder Busse. Die einstigen Laster werden zu Tugenden. Alles scheint erlaubt, solange man Spass hat.

Genau diese fehlende Moral hat sich NE7AS als Ziel genommen, verschiedene Bevölkerungsgruppen im Sog der Sünde in dieser Fotoserie das Alltägliche einzufangen. Dabei wollte man aufzeigen, dass Täter zu sein oft mit dem Opfersein einhergeht. Es wurde versucht eine Geschichte anhand einer Momentaufnahme, ohne Bücher und ohne Film zu erzählen. Aus den einzelnen Bildern entstand eine zusammenhängende Erzählung, welche sich, dem aufmerksamen Betrachter, als Teufelskreis offenbaren sollte.

 

Die Geschichte

Die Handlung beginnt mit dem Hochmut. Die erfolgreiche, von sich eingenommene Sünderin, die sich selbst stets im Mittelpunkt wissen will, lässt sich herablassend von ihrer Entourage von Schönheitskünstlerinnen für die heutige Party zurechtmachen.

Hochmut (lat. superbia)

Am selbigen Anlass, dem auch der Neid und ihr Ehemann beiwohnen, zieht die hochmütige Frau alle Blicke auf sich. Auch Neids Ehemann kann sich ihrer Aufmerksamkeit nicht entziehen und beginnt, vor den Augen seiner Frau, heftig mit der jungen Dame zu flirten.

Neid (lat. invidia)

In der Ehefrau entfacht die grosse Eifersucht und der Neid auf die Hochmut. Eben noch befangen vom Neid, aus der Angst betrogen zu werden, begeht sie selbst Ehebruch und wird inflagranti von ihrem Mann erwischt, welcher den Zorn mit sich bringt. Ein heftiger Streit entfacht, der Ehemann rastet aus und erschlägt ihren Lover, alles vor den Augen der Tochter des Neids, die hilflos mit ansehen muss, wie ihr Stiefvater den Angriff gegen ihre Mutter richtet.

Zorn (lat. ira)

Niedergeschlagen von dem schrecklichen Erlebnis, flüchtet das junge Mädchen, nach Hause zu ihrem vielfrässigen und wohlhabenden Vater und dessen Frau. Sie betrinkt ihren Schmerz mit Alkohol und passt sich schliesslich dem extravaganten Lebensstil ihrer Eltern an.

Völlerei (lat. gula)

Nicht selten veranstaltet die reiche Familie eine regelrechte Fressorgie, was bei vielen Leuten wohlbekannt ist. Dies zieht viele Bettler an, wie auch die Trägheit.

Geiz (lat. avaritia)

Doch die geizige Hausherrin, triefend vor Geld, zeigt keinerlei Mitgefühl für eine junge Frau, welche sichtlich auf Hilfe angewiesen wäre. Müde und durchnässt, kommt die Trägheit in ihr Messie-Zuhause zurück. Besessen von der Couch und dem Fernseher setzt sie sich zu ihrem faulen und schläfrigen Mitbewohner – ein Abbild ihrer selbst.

Trägheit (lat. acedia)

Der von Trieben gesteuerte Tunichtgut gibt sich der Wollust dar und trifft sich jede Woche an ausgefallenen Orten, um sich im Rudel der Fleischeslust hinzugeben.

Wollust (lat. luxuria)

 

Produktionsdetails

Entstehung einer Idee. Nach Vestis sollte etwas neues Aufregendes aber trotzdem Alltägliches kommen. Es sollte düster werden und weg von jeglichem Katalogglanz. Ebenfalls in Gruppen und diesmal auch mit männlichen Models zu arbeiten, war ein Ziel. So ging die Suche los nach spannenden Themen, die damals wie heute allgegenwärtig sind.

Wo die 10 Gebote zu biblisch sind, war die Idee zu den Sünden nicht weit weg. Die Entscheidung fiel ziemlich rasch auf die sagenumwobenen sieben Todsünden.

Locations & Licht. Die Sünden sind überall. Die Wege dazu führen überall hin. Zu jedem. Und wer nicht aufpasst der geht komplett in ihr auf. So wurden die Locations und die verschiedenen Lichtstimmungen der jeweiligen Sünden angepasst. Dazu braucht es keinen speziellen Ort um unsere Laster zu offenbaren, denn meist werden sie durch Mitmenschen ausgelöst oder durch eigene Schwächen verstärkt. Der Ort ist daher eher zweitrangig, aber nicht ganz unwichtig! Der Fokus lag viel mehr in den Details und der jeweiligen Stimmung der Szenerie.

Outfits und Styling. Jede Sünde hat seine Eigenschaften, wie auch der Stoff und die Farben aus denen die Kreationen angefertigt wurden. So nahmen wir für den Hochmut/Eitelkeit einen weissen, imposanten Stoff, der sehr elastisch war und sich wunderbar formen liess.

Für den Neid hingegen sollte etwas Grünes her, ganz nach dem Sprichwort, «Grün vor Neid», wobei alles andere im Raum eher dunkel gehalten wurden, um zu zeigen, um wen es hier eigentlich geht.

Auch die Wollust sendet klare Signale aus, knapp, viel Haut und provozierend. So hat jede Sünde Ihre Eigenschaft bekommen.

Das Styling sollte individuell ablaufen. Wo eine von Trägheit befallene Person eher weniger Wert auf Schminken und Styling legt, so ist beim Hochmut die Eitelkeit ganz nah und somit sein äusseres Erscheinungsbild genau das Gegenteil. Eine geizige Person geizt sicherlich auch etwas mit Stoff und Hygiene, so trägt sie gerne mal etwas mehrmals. Der Zorn hingegen ist eher schwierig darzustellen, da er mehr Spielraum lässt, sicherlich aber farblich bedrohlicher wirken dürfte als andere.

Die Kleider wurden von dem aus Vestis bekannten Künstler Benjamin Ottiger geschneidert.

Idee, Text und Realisation: Jean-Pierre Perren

«NE7AS» wird vom 30. Oktober bis 4. Dezember 2012 in der Orange Maple Gallery am Bundesplatz in Luzern ausgestellt.

 

2 Kommentare zu “NE7AS: Visualisierung der 7 Todsünden”

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