Horst Gottfried, 12. Juni 2022, 18:30 Uhr

Leica 1,7/9mm MFT: Viel Weitwinkel und Lichtstärke für’s Geld

Panasonic hat sich in der letzten Zeit stark auf den Ausbau ihrer Vollformat-Serie an Kameras und Objektiven konzentriert («Lumix S»-System). Micro-FourThirds-Fotografen kamen sich schon etwas vernachlässigt vor, vor allem was die Objektive anging. Manche zweifelten gar schon am Engagement Panasonics für Micro-FourThirds (MFT) und ihr «Lumix G»-System.

Nun meldet sich Panasonic mit einer Ergänzung ihrer Objektivpalette in der Micro-FourThirds-Arena zurück. Mit dem «DG Summilux 9mm F1,7 ASPH.» bringen die Japaner unter dem Leica-Label ein kompaktes 9mm-Ultra-Weitwinkel-Objektiv entsprechend 18mm KB-Brennweite und mit einer hohen Lichtstärke von f/1,7 (siehe News-Meldung mit Tabelle) . 

Zwei starke Weitwinkel für Kameras mit Micro-FourThirds-Anschluss: Links das neue «Leica DG Summilux 1,7/9mm» (Modell H-X09) neben dem schon älteren, bewährten Zoom «Panasonic G Vario 4,0/7-14mm ASPH.».

 

Dazu kommt eine kürzeste Aufnahmeentfernung von nur 9,5 cm mit einem maximalen Abbildungsmassstab von 1:2 (entsprechend 35mm Kleinbildformat/KB). Ein robustes, staub- und spritzwassergeschütztes Design und Funktion bis minus 10 Grad Celsius runden das Leistungsspektrum des Leica DG 1,7/9mm ab.

Auf eine Bildstabilisierung O.I.S. im Objektiv hat Panasonic beim neuen Ultra-Weitwinkel allerdings verzichtet. Das ist aber angesichts der Lichtstärke und kurzen Brennweite verschmerzbar. Zudem steht ja bei vielen aktuellen MFT-Modellen von Panasonic und OM-System (ex Olympus) immer noch die kamerainterne Sensor-Shift-Bildstabilisierung zur Verfügung.

Das Leica DG Summilux 1,7/9mm (Modell H-X09) ist ein lichtstarkes 100°-Ultra-Weitwinkel zu Kameras mit MFT-Anschluss von Panasonic, OM System/Olympus, DJI, Blackmagic u.a.

 

Praktisch für drinnen und draussen: Aufnahmen mit dem 9mm und seinem Bildwinkel von 100 Grad

Vergleich des 9mm (unten) und des 7-14mm bei 9mm (oben) (200%-Ausschnitt)

 

Kompakt und stabil

Als erstes fällt die kleine Bauweise des Objektivs von nur 52 mm Länge, 61 mm Durchmesser und 55 mm Filtergewinde auf. Es ist ungefähr so gross wie ein 50mm-Standardobjektiv früher bei analogen KB-SLRs.

 

Das neue Leica 1,7/9mm (KB 18mm) im Vergleich zum älteren Leica 1,7/15mm (KB 30mm), das viel weniger weitwinklig, aber kompakter ist und einen Blendenring besitzt.

 

12 Elemente in neun Gruppen, darunter zwei asphärische Elemente, zwei ED-Elemente (Extra-low Dispersion) und ein UHR-Element (Ultra High Refractive Index) sorgen effektiv dafür, dass bei aller Kompaktheit die optische Qualität nicht zu kurz kommt, wie die Fotos zeigen.

Inklusive der zum Lieferumfang gehörenden speziellen Gegenlichtblende wiegt die staub- und spritzwassergeschützte Konstruktion mit ihrem solidem Metallbajonett nur 140 g. Dabei wirkt das Leica DG 1,7/9mm trotz Kunststofftubus wertig verarbeitet – es steht schliesslich Leica drauf – und zeigt eindrucksvoll die wesentlichen Kompakt-Tugenden des Micro-FourThirds-Systems. Wenn auch nicht ganz so flach wie ein Pancake, harmoniert es besonders mit den handlich-kompakten Lumix-GX-Modellen. Die gezeigten Aufnahmen erfolgten mit einer Lumix GX9 mit 20-Mpx-Sensor. Damit ergab sich eine schön kompakte Einheit für unterwegs.

Fokussieren schnell und leise

Der AF verrichtet schnell und geräuschlos seinen Dienst, wobei der in einem so kompakten 9-mm-Objektiv dank der grossen Schärfentiefe naturgemäss nicht viel zu tun hat. Bei manueller Fokussierung erleichtert Fokus-Peaking mit farbigen Objektkanten die sichere Entfernungseinstellung. Der Fokussierring für die manuelle Entfernungseinstellung fällt trotz der kompakten Objektivabmessungen gross und griffig aus. Je nach Lumix-Kameramodell stehen die beiden MF-Fokussier-Modi «linear» oder «variabel» zur Verfügung. Bei der linearen Einstellung wird die Schärfe entsprechend des Drehwinkels des Fokusrings verschoben. Damit ist beim Fotografieren eine direkte und präzise Scharfstellung möglich. Bei der nicht-linearen Einstellung, die besonders beim Videoeinsatz praktisch ist, lässt sich die Schärfe mehr oder weniger schnell entsprechend der Drehung des Fokusrings unterschiedlich schnell nachführen. Diese Option stand mit der beim Test verwendeten, 2018 auf den Markt gekommenen Lumix GX9 noch nicht zur Verfügung, da wohl damals die Videofunktionalität noch nicht die heutige Bedeutung hatte. Laut Panasonic-Auskunft profitieren davon Lumix DC-GH6. GH5M2, BGH1 und G9.

Mit seinem grossen Bildwinkel von 100° ist das Leica 1,7/9mm für Aussen- wie Innenaufnahmen gleichermassen prädestiniert. Dabei erweist es sich vor allem Dank seiner hohen Lichtstärke und der kürzesten Aufnahmedistanz von nur 9,5 cm als überraschend vielseitig. So erlaubt f/1,7 zum einen trotz der kurzen Brennweite ein für ein Ultra-Weitwinkel ungewöhnlich gezielten Umgang mit der Schärfentiefe, besonders bei nahen Vordergrund-Objekten und weiter entferntem Hintergrund.

Vorne scharf, hinten nicht: Mit der hohen Lichtstärke lässt sich trotz geringer Brennweite bzw. extremem Weitwinkel mit geringer Schärfentiefe gestalten (Blende 1,7, Zeit 1/8000s)

 

Einen manuellen Blendenring wie z.B. beim 2014 eingeführten Leica DG 1,7/15mm sucht man aber leider vergebens. Die Blende kann nur am Drehrad der Kamera vorgewählt werden.
Lichtstärke 1:1,7 bedeutet natürlich auch, dass man bei weniger Licht nicht so schnell die ISO-Werte hochschrauben muss, was Micro-FourThirds-Fotografen zu schätzen wissen. Und es spricht optisch nichts dagegen, die gebotene Lichtstärke auch auszunutzen.

Optische Qualitäten

Unterwegs erweist sich das Leica DG 1,7/9mm schon beim ersten praktischen Einsatz als ein variables Ultra-Weitwinkel mit vielen Qualitäten und überzeugender optischer Leistung. Die Fotos sind salopp gesagt knackscharf, selbst schon bei offener Blende 1:1,7.

(Blende 1,7, Zeit 1/4000s, ISO 200)

 

Die mit dem Leica aufgenommenen Fotos zeigen ein besonders für ein Weitwinkelobjektiv gefälliges Bokeh mit harmonischem Schärfe-Unschärfe-Übergang. Rund um punktförmige Lichtquellen erzeugen die sieben Lamellen der Blenden einen schönen Lichtstern. In der freien Natur zeigte sich das 1,7/9mm dagegen erfreulich unempfindlich, was Gegen- und Streulichtreflexe angeht.
Auch beim Fotografieren mit grösster Öffnung zeigte sich kein auffälliger Lichtabfall in den Ecken. Daran hat die elektronische Korrektur von Vignettierung bei grösseren Blendenöffnungen durch die Lumix GX9 ihren Anteil. Gleiches gilt für die Verzeichnung. Aber auch eine Olympus Pen E-P7 lieferte ebenfalls sauber korrigierte Fotos ab. 

 

Links ein JPEG-Bild, wie es optimiert aus der Kamera kommt, rechts dasselbe Bild in der Raw-Variante und noch unkorrigiert im Raw-Entwickler, wie es das Objektiv auf den Sensor projizert.

 

Ein Vergleich mit einem unkorrigierten Raw-Foto zeigt, was die elektronische Bildkorrektur jeweils leistet. Insgesamt hält das Objektiv, was sein Name Leica verspricht.

Fazit

Das Leica DG 9mm f/1,7 ist zwar kein universelles Weitwinkelobjektiv wie etwa ein moderateres 12mm, aber ergänzt mit seinem Ultra-Weitwinkel und seiner hohen Lichtstärke die Micro-Four-Thirds-Objektivpalette von Panasonic bestens. Es macht Spass, die gebotenen Möglichkeiten von Schärfentiefe, Lichtstärke und kürzester Entfernung auszureizen. Dabei ist das DG 1,7/9mm nicht nur lichtstärker, sondern auch kompakter und leichter als die Panasonic Lumix-Zooms G Vario 4/7-14mm und 2,8-4/8-18mm ASPH. Die Zoomobjektive bieten zwar mehr Vielseitigkeit, aber die muss im wahrsten Sinne teuer erkauft werden und man hat deutlich schwerer dran zu schleppen. Das gilt auch für das Weitwinkel-Zoom Leica DG Vario-Summilux 1,7/10-25mm ASPH.
Knapp 600 Franken bzw. 500 Euro für das Leica DG 1,7/9mm sind angesichts der Gesamtleistung des Objektivs ein echt fairer Preis.

Mit den drei kleinen MFT-Objektiven Leica DG 1,7/9mm als Weitwinkel (links), dem Leica DG 1,7/15mm (Mitte) als Standard-Optik und dem Olympus 1,8/45mm als 90er Tele (rechts) ergibt sich eine mobile Ausrüstung, mit der man für vielfältige Aufgaben gerüstet ist.

 
Sowohl Panasonic als auch OM Digital Solutions bieten zwar auch andere Micro-FourThirds-Objektive mit 12 mm Brennweite an. Doch das Panasonic mit Lichtstärke von f/1,4 spielt schon preislich mit rund 1150 Euro in einer anderen Liga, und das Olympus Zuiko ED 2,0/12mm bietet weniger Weitwinkel und Schärfentiefe, kostet aber aktuell auch noch knapp 700 Franken. So nimmt das Leica DG 1,7/9mm unter dem Strich im Micro-FourThirds-Objektiv-Kosmos eine Alleinstellung ein, die mit Sicherheit zu seinem Markterfolg beitragen wird.

Horst Gottfried (Text und Bilder)

 

Das 1,7/9mm macht’s möglich: Mit Weitwinkel in geschlossenen Räumen fotografieren ohne die ISO-Werte hochzuschrauben und mit offener Blende und Schärfentiefe den visuellen Schwerpunkt auf das Wichtige setzen. (Blende 1,7, Zeit 1/30s, ISO 200).

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Ein Kommentar zu “Leica 1,7/9mm MFT: Viel Weitwinkel und Lichtstärke für’s Geld”

  1. Bei der Beschreibung für lineare/nichtlineare manuelle Fukussierung haben sie m.E. was verwechselt. Gerade bei Video ist eine lineare Funktionsweise erwünscht; bei der nicht-linearen ist schlecht vohersehbar, wo man nach einem schnellen Dreh des Rings landen wird.

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