Gastautor/-in, 6. Januar 2018, 09:00 Uhr

Die Leica CL im harten Praxisvergleich mit der SL

Auf den Pressebildern von Leica sieht die CL richtig schnuckelig aus, besonders mit dem neuen Elmarit-TL 1:2,8/18 mm ASPH. Doch was aus dem Hause Leica kommt, ist ja ernst zu nehmendes fotografisches Gerät. Trifft das auch auf die Leica CL zu? Wie schlägt sie sich denn in der Praxis? Ich fotografierte über die Festtage an der Explo17, eine überkonfessionelle christliche Grosskonferenz mit mehr als 6000 Teilnehmern, die in Luzern stattfand. Ich war einer von fünf Fotografen, und wir versuchten, die vielen Facetten des Anlasses in Bildern festzuhalten. Vier Tage und rund 7000 Bilder später kann ich mit voller Überzeugung sagen: Die CL ist wohl von den Ausmassen klein, aber leistungsmässig eine ganz Grosse. Doch alles der Reihe nach:

 

Rund 6000 Leute strömen zur Explo17. Peter Schäublin ist einer von fünf Fotografen, welche diesen Grossanlass fotografieren. Über 7000 Bilder schiesst er mit der Leica SL und der Leica CL. Allerdings sieht das 90–280er Zoom der Leica SL an der kleinen CL recht ulkig aus. (Foto: Ursula Schäublin mit Leica SL)

 

Oskars Erbe

«Als Oskar Barnack zu Beginn des letzten Jahrhunderts begann, die erste Leica zu entwickeln, war sein Ziel eine Kamera, die kompakte Masse, Benutzerfreundlichkeit und höchste Bildqualität kompromisslos vereint. Heute ist es die Leica CL, die diese Werte wie keine zweite verwirklicht. Progressive Technologie mit traditionellem Bedienkomfort.» Mit diesen Sätzen positioniert Leica die CL als ernst zu nehmende Kamera. Denn nicht irgendeiner wird hier für die Werbung herbeigezogen, sondern Oskar Barnack, der Begründer des legendären Leica-Systems. Von der Technik her ist der neueste Spross aus dem Haus Leica praktisch identisch mit der TL2. Doch – viele haben es sich gewünscht – sie hat einen Sucher mit auf den Weg bekommen. Der Sensor hat 24 Megapixel, ist aber in APS-C-Grösse. «Gutes Gerät für Leute, die ein wenig höhere Ansprüche haben, aber als SL-Fotograf für mich nicht interessant», denke ich. Stutzig werde ich allerdings beim Telefongespräch mit einem Fotografenkollegen, der ebenfalls mit der SL arbeitet. Er habe die CL kurz testen und in Lightroom keinen Unterschied zu seinen SL-Files feststellen können. Jetzt ist meine Neugier geweckt, und da ich diesem Kollegen vertraue, steige ich mit – für meine Verhältnisse – minimalem Equipment in die Explo-Konferenz ein: Meine SL mit den beiden SL-Zooms 24-90 und 90-280 plus die CL. Das 18er-Pancake hat Leica ebenfalls mitgesendet, und da es so munzig klein ist, kommt es hie und da ebenfalls mit. Zu Testzwecken habe ich auch noch das Summilux M 1.4/28 mm bekommen, das ich allerdings nur punktuell einsetze. Im Fototeam bin ich mit meinem spiegellosen System ein Exote. Wir sind fast alle mit zwei Bodies und zwei Zooms unterwegs. Die SL-Objektive sind ja bekanntlich keine Leichtgewichte, dennoch bin ich dank der kleinen CL mit weniger Kilos als meine Kollegen unterwegs. Die Stimmung im Team ist super. Mit einigen Fotografen habe ich schon vor zwei Jahren an der Explo15 fotografiert. Man kennt und respektiert sich. Dieser Teamspirit war für mich einer der Gründe, dass ich für den Einsatz an Explo17 wieder zugesagt habe. Denn es ist Knochenarbeit von morgens um 8 Uhr bis um etwa 23 Uhr auf Achse zu sein und danach noch seine Bilder aufzubereiten und abzuliefern. Kurze Nächte. Lange Tage. Doch wir sind alle so begeistert, dass keine Müdigkeit aufkommt.

 

Toller Spirit im Explo-Fototeam. Nach vier Tagen intensivem Einsatz sind wir alle ein wenig durch den Wind. Doch ein Teambild muss noch sein. (Foto: Ursula Schäublin mit Leica SL)

 

Dann mal los …

29. Dezember 2017, 15 Uhr: Das Programm der Explo17 läuft langsam an. Ich mach mich mal mit ganz leichtem Equipment – CL mit 18er Pancake – auf die Socken und drehe eine erste Runde. Auf der kleinen Bühne in Halle 2 konzertiert bereits eine Band. Adam’s Wedding, so der Name der Gruppe, macht richtig guten Sound, und ich tauche in die Atmosphäre der Konferenz ein.

 

Adam’s Wedding in Concert. Leica CL mit Elmarit-TL 1:2.8 18 mm ASPH (KB 27 mm) / 1/100 sec / f 4 / 4000 ISO. Sauber durchgezeichnete Lichtpunkte, knackige Schärfe. Das Pfannkuchenobjektivchen ist Klasse – und man fällt damit nicht auf

 

Die Bedienelemente der CL sind Leica-typisch spartanisch. Die Gehäuseabdeckung weist nebst dem Auslöseknopf zwei kleine Räder mit Drucktasten auf. Die Rückseite glänzt noch mit drei weiteren Tasten und einem Druckknopf mit vier Richtungspfeilen. Das ist eigentlich verflixt wenig. Doch diese Beschränkung fasziniert. Hie und da komme ich mit den Konferenzbesuchern ins Gespräch. Der eine oder andere wirft auch einen Blick auf meine Kameras und ist positiv fasziniert von der Einfachheit der CL. Ich gebe aber ganz ehrlich zu, dass ich hie und da die vier individuell programmierbaren Buttons der SL vermisst habe. Leica hat sich beim Bedienkonzept der CL eher an die M-Kameras angelehnt. Bei der SL arbeite ich praktisch immer mit mittenbetonter Messung und korrigiere dann blitzschnell über eine meiner vier Funktionstasten die Belichtung. Bei der CL habe ich diese Möglichkeit nicht. Nach einigen Versuchen stelle ich die CL um auf Spotmessung, um die oft schwierigen Lichtverhältnisse auf der Bühne in den Griff zu kriegen. Und siehe da – das funktioniert wunderbar. Im Gegensatz zu älteren Kameras, die den für die Belichtungsmessung relevanten Spot immer in der Mitte des Bildes hatten, wandert bei neueren Modellen die Mess-Sensibilität immer dorthin, wo sich der Schärfepunkt befindet. Die CL ist da keine Ausnahme. Mit dem Pfeilbutton auf der Rückseite navigiere ich den Schärfepunkt dorthin, wo ich ihn haben will, und die Belichtung wird dann genau für diesen Punkt optimiert.

 

Aufgeräumtes Kameradesign, ganz nach Leicas Leitmotto «Das Wesentliche». Mit der Bedienung der Kamera kommt man im Nu zurecht. (Pressebild Leica)

 

Die Durchlässigkeit der Systeme

Wie wohl kein anderer Kamerahersteller achtet Leica auf die Kompatibilität von Kameras und Objektiven innerhalb ihres Systems. So kann man problemlos ein fünfzigjähriges M-Objektiv an eine Leica M von heute, oder auch an eine Leica TL, CL oder SL ansetzen und damit fotografieren. Natürlich hat sich die Qualität der Objektive in den letzten fünfzig Jahren weiterentwickelt, doch der Gedanke, dass ein Leica-Objektiv über einen langen Zeitraum eingesetzt werden kann, tut angesichts der hohen Preise der Gläser gut. Und wenn man sich dann mal in den Look eines Objektivs verliebt hat, möchte man möglichst lange damit fotografieren. So ganz «by the way» noch eine kleine Geschichte: Einer der Konferenzbesucher sieht den roten Punkt auf meinem Gehäuse und outet sich als begeisterter Leica-Fotograf, allerdings noch analog mit einer R5 und einigen R-Objektiven unterwegs, die ihm lieb und teuer sind. Ich kläre ihn auf, dass er mit einem Adapter all seine R-Objektive auf einer SL oder einer CL weiterverwenden kann. Der gute Mann geht freudestrahlend von dannen und wird jetzt vielleicht den Sprung ins digitale Fotozeitalter wagen. Für mich hat das TL/CL-, das SL- und das M-System ganz unterschiedliche Stärken. Und dass ich je nach Bedarf Komponenten dieser drei Systeme mischen kann, erachte ich als grossen Vorteil.

 

Systemkonsequenz à la Leica: An der CL können nebst den für sie konstruierten Objektiven auch M- und SL-Objektive angesetzt werden. Umgekehrt kann ein für die CL konstruiertes Objektiv auch an der SL verwendet werden, dann allerdings mit einem Auflösungsverlust, da die CL/TL-Objektive ja lediglich den Bildkreis eines APS-C-Sensors auszeichnen.

 

Unterdessen spielt eine andere Band. Ich sprinte ins Pressezentrum zurück und hole den Rest meiner Ausrüstung – die SL, die beiden SL-Zooms und das Summilux-M 1.4/28mm. Sowohl bei der CL wie auch bei der SL unterstützt Focuspeaking das Scharfstellen mit den nur manuell fokussierbaren M-Objektiven. Bei voll offener Blende ist der grosse elektronische Sucher der SL und Focuspeaking eine willkommene Hilfe beim Fokussieren. Der CL-Sucher ist nicht ganz so bombastisch wie derjenige der SL, aber meinem Empfinden nach deutlich besser als derjenige der Leica Q. Leica hat bei der SL und sicher auch bei der CL den Sensor so konstruieren lassen, dass M-Objektive ihr Potenzial bestmöglich entfalten können. Ich realisiere ein paar Aufnahmen mit dem Summilux-M 1.4/28, muss mir aber eingestehen, dass ich die Arbeit mit den M-Objektiven nicht gewohnt bin und mit Autofokus wesentlich schneller und präziser arbeiten kann. Für einige M-Fotografen könnte die CL als Zweitgehäuse aber dennoch sehr interessant sein, nicht zuletzt wegen dem Cropfaktor des APS-C Sensors:

 

«Glor!ousMess in Concert» – eines der wenigen Bilder, das ich mit dem Summilux-M 1.4/28 realisiert habe. Qualität vom Feinsten, aber ich bin zu langsam mit den manuell fokussierbaren M-Objektiven. Leica CL mit Summilux-M 1.4/28 mm (KB 42 mm) / 1/100 sec / 400 ISO. Der Blendenwert wird leider nicht ins Lightroom übertragen

 

Vollformat- und APS-C-Sensor im Zusammenspiel

Da die Leica CL dasselbe Bajonett wie meine SL hat, kann ich meine SL-Linsen ohne Adapter ans CL-Gehäuse anschliessen. Der Cropfaktor von 1.5 hat nicht nur Nachteile, denn mein SL 90–280mm mutiert dadurch zum 135–420 mm. Schnell ist mir klar, dass die SL mit dem 24-90er und die CL mit dem 90–280er – das dann eben zum 135–420er wird – die ideale Kombination für meine Arbeit ist. Mit zwei Bodies und zwei Objektiven decke ich einen Bereich von 24 bis 420 mm in Top-Qualität ab. Die CL sieht mit dem Riesen-SL-Telezoom zwar amüsant aus, und diese Extremkombination ist vom Handling wegen dem fehlenden Gehäusegriff an der CL nicht mehr allzu optimal. Doch qualitativ überzeugt diese Kombi zu 100%, nicht zuletzt auch, weil die Bildstabilisatoren der SL-Objektive mit der CL ebenfalls funktionieren. Das Bild von der Soulsängerin mit 1/100 sec. aus der Hand bei einer auf KB umgerechneten Brennweite von 217 mm ist knochenscharf und trotz 1250 ISO absolut brillant.

 

Porträt einer Soul-Sängerin – knackscharf mit der Leica CL und dem SL 90-280 Zoom auf 145 mm (KB 217 mm) und ISO 1250 fotografiert. (1/100 sec / f 3.4 /, leichter Ausschnitt)

Ein weiteres Dreamteam ist die CL mit dem Summilux SL 1.4/50 mm, das durch den APS-C-Sensor zu einem 1.4/75 mm mutiert. Bei voll offener Blende ergeben sich so sehr kleine Schärferäume, und natürlich kann man dank der hohen maximalen Blendenöffnung mit einem Minimum an Licht noch grossartige Bilder realisieren. Am 31. Dezember gingen alle Teilnehmer der Explo in einem Fackelzug in die Luzerner Innenstadt – perfekte Bedingungen für das Summilux SL 1.4/50.

 

Anzünden der Fackeln vor der Messe Luzern. Leica CL mit SL 50 mm (KB 75 mm) / 1/160 sec / f 1.4 / 1600 ISO

 

Den Moment erwischen – eine der Stärken der unauffälligen Leica CL, hier mit dem SL 50 mm (KB 75 mm) / 1/160 sec / f 1.4 / 1600 ISO

 

Beim Betrachten der Bilder in Lightroom kann ich – genau wie mein Fotografenkollege – keinen Unterschied zwischen den Vollformat-SL- und den APS-C-Bildern der CL sehen. Möglicherweise würde man im Labor Differenzen feststellen und das Vollformatbild könnte noch ein paar Punkte mehr verbuchen, doch für mich ist die Praxis entscheidend, und da ist die CL auf Augenhöhe mit der SL. Durch den Cropfaktor ergeben sich interessante Möglichkeiten. Wenn ein M-Fotograf beispielsweise mit besagtem Summilux-M 1.4/28 mm loszieht und eine CL als Backup-Body mitnimmt, hat er ohne ein zusätzliches Objektiv auch ein 1.4/42 mm dabei. Oder wenn ich mit der SL und dem 1.4/50 mm auf die Fotopirsch gehe, habe ich mit der CL als zweiten Body ein 1.4/75 mm, ohne dass ich ein weiteres Objektiv mitnehmen muss. Schon noch interessant, oder?

 

Impressionen von der Explo17, alle fotografiert mit der kleinen Leica CL. Kleine Kamera – grosse Bilder

 

Fazit nach vier Tagen Praxis

Von den 7838 Bildern, die ich an der Explo aufgenommen habe, sind 3651 mit der Leica CL entstanden. Alleine schon das spricht Bände. Die CL ist nicht irgendein kleines Ding in der Leica-Familie, sondern ein voll- und hochwertiges Mitglied. Wer in die Fotografie ein- oder auf Leica umsteigen will, findet in der CL eine hervorragende Kamera, die trotz kompakten Massen eine erstaunliche Bildqualität liefert. Das hat sicher auch ganz viel mit den Leica-Objektiven zu tun, die vom Team rund um Peter Karbe mit viel Hingabe entwickelt worden sind und weiterentwickelt werden.

Für Fotografen, die bereits im Leica-M- oder im SL-System zuhause sind, ist die CL eine höchst interessante Kamera, die den Einsatzbereich wesentlich erweitert. Man soll ja nicht Äpfel mit Birnen vergleichen, doch mag sich der eine oder andere fragen, ob denn jetzt die SL oder die CL besser für sie/ihn geeignet sei. Die wesentlichen Unterschiede zwischen SL und CL sind meines Erachtens folgende:

  • Der elektronische Sucher der CL ist nicht ganz so gross und brillant wie derjenige der SL, aber meines Erachtens deutlich besser als derjenige der Q.
  • Die SL lässt sich dank mehr programmierbaren Buttons noch etwas schneller bedienen als die CL.
  • Bei der Autofokusgeschwindigkeit konnte ich keine Unterschiede zwischen SL und CL ausmachen. In Situationen mit extrem wenig Licht funktionierte der Autofokus der SL teilweise zuverlässiger als derjenige der CL.
  • Ich vermute, dass die SL gegen Witterungseinflüsse besser geschützt ist.
  • Die SL und vor allem die SL-Objektive sind wesentlich grösser und schwerer als die CL und ihre Linsen.

So haben beide Systeme ihre absolute Berechtigung. Steigen Sie mit dem System ein, das Ihre Bedürfnisse besser abdeckt. Dank der hohen Kompatibilität innerhalb der Leica-Familie können Sie ein SL-System jederzeit mit einem CL-Body oder umgekehrt ein CL-System mit SL-Komponenten ergänzen. Und falls Sie dann mal noch Lust auf ein M-Objektiv haben, können Sie es problemlos integrieren. Hier gibt es also für einmal den berühmten «Fünfer und’s Weggli» …

Peter Schäublin, Grafiker / Fotograf / Filmer
peterschaeublin.com / 720.ch

Lesen Sie auch:

• Peter Schäublins Bericht von der Explo17 mit weiteren Bildern

Erstvorstellung der Leica CL mit Hands-on (21.11.2017)

2 Kommentare zu “Die Leica CL im harten Praxisvergleich mit der SL”

  1. Informativer Bericht. Als Amateur mit umfangreicher Leica-Ausstattung werden in mir neuerdings aps-c – Gelüste geweckt. Nur hängt der Autor der alten „Weisheit“ an, dass sich die Brennweite eines VF-Objektivs ändert, wenn ich einen kleineren Sensor dahinter schraube; es ändert sich nur der Bildausschnitt.

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