Gastautor/-in, 5. März 2017, 08:34 Uhr

Fotografieren in Japan

Wer einmal in Japan war, kommt nicht mehr los davon. Einerseits ist es die Faszination einer besonderen asiatischen Kultur, die einem nicht mehr loslässt, dann ist es aber auch die Vielfalt der Motive, welche uns Fotografen in den Bann zieht. Wir haben uns mit einem Fotografen und Japankenner unterhalten: Beat Pfändler

 

Fotointern: Herr Pfändler, Sie sind ein renommierter Fotograf und ein grosser Japankenner. Wie hat Ihre Faszination für Japan begonnen?

Beat Pfändler: Ich habe eine Erstausbildung als Hochbauzeichner gemacht, parallel dazu aber gerne Zeit in der Werbeagentur meines Vaters verbracht. Ich bin quasi mit der ganzen Foto- und Filmtechnik gross geworden. Nach der Lehre baute ich mein eigenes Fotoatelier am Zeltweg 11A in Zürich auf, doch packte mich bald die Neugier die grosse weite Welt zu entdecken. Nach Reisen durch Nord- und Zentralamerika bot mir ein Nebenjob als Galley-Steward bei der Swissair die perfekte Gelegenheit das Reisen und die Fotografie zu verbinden. 
So lernte ich viele spannende Menschen kennen und entwickelte ein Feingefühl, Menschen richtig einzuschätzen. Auf einem meiner Flüge begegnete ich einer junge Dame namens Yuko, die ebenfalls als Flight Attendant arbeitete. Von da an wusste ich, dass diese junge Japanerin meine Frau werden würde.

Yuko und Beat Pfändler sind mit dem «Land der aufgehenden Sonne» tief verwurzelt (Foto: Linda Pollari)

 

Liebe auf den ersten Blick?

Wir haben uns über längere Zeit angefreundet und sind dann öfter gemeinsam geflogen, was uns natürlich zusammengeschweisst hat. So wurde Zürich – Tokio eine meiner häufigsten Flugstrecken und ich begann mich auch stark für die Heimat meiner zukünftigen Frau zu interessieren. Ich lernte in Tokio die japanische Sprache in Wort und Schrift. Allerdings werde ich nie so fliessend japanisch sprechen wie ein gebürtiger Japaner, denn was ich kann, sind die japanischen Begriffe mit Zürideutscher Wortwahl und Wortabfolge. Eine Sprache zu beherrschen beinhaltet aber wesentlich mehr und abgesehen davon, umfasst Japanisch eine ganz andere Kommunikationskultur. Die Japaner haben zum Teil auch ganz andere Denkansätze als wir.

Tokio ist eine faszinierende Grossstadt. Ein unendliches Häusermeer mit 14 Millionen Einwohnern. Alles funktioniert, alles ist sauber, und man fühlt sich in Japan sehr sicher

 

Was beeindruckt Sie am meisten an den japanischen Menschen und ihrer Kultur?

Es ist die Freundlichkeit und der herzliche Umgang untereinander. Das soziale Verhalten, die Empathie und Fürsorglichkeit ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Solidarität und eine positive Gruppendynamik wird bei den Japanern sehr gross geschrieben. Auch wie sie mit Konfliktsituationen umgehen und Reibungspunkte lösen. Sie nehmen sich Zeit und bemühen sich, Dinge richtig zu machen. Es geht dabei nicht um Schnelligkeit oder Leistung, sondern viel eher um die bewusste und klare Vorgehensweise und korrekte Ausführung.

Die Japaner sind sehr traditionsbewusst. Zur Hochzeit und anderen Familienfesten werden kostbare Kimonos getragen

Anderseits gibt sich die junge Generation gerne ausgelassen und amüsiert sich mutig auf Englisch – wie hier in einer Freiluftbar im Tokioter Stadteil Ueno

 

Wie hat sich das Land in den letzten Jahrzehnten aus Sicht eines Fotografen verändert?

Der zentrale Wohnraum der Familie war grösser als heute und fast jedes Zimmer des Hauses war mit traditionellem Kunsthandwerk versehen. Durch die Modernisierung und Verwestlichung ist davon kaum etwas übrig geblieben. Die Japaner schlafen heute immer mehr in Betten, selten noch in Futon-Decken, essen am Tisch und sitzen dazu nicht mehr am Boden auf den Tatami-Matten.

 

Die japanische Gastronomie ist reich an Delikatessen, die liebevoll und immer frisch zubereitet werden 

Auch in der Gastronomie hat sich so vieles verändert. Zu den Zeiten, als ich Japan vor ca. 40 Jahren persönlich kennengelernt habe, war es selbstverständlich, dass man auswärts japanisch gespiesen hat: Vor allem Gemüse, Reis, Tofu, Miso- oder Nudelsuppen. In der japanischen Küche wurde wenig Fleisch gegessen. Fisch gehörte zu den Mahlzeiten, aber Sushi galt zu früheren Zeiten als Festmahl und wurde nur zu besonderen Anlässen ins Haus bestellt. Heute merkt man ganz klar den westlichen Einfluss was die Esskultur betrifft. Ein traditionelles japanisches Restaurant muss man beinahe suchen. Westliche Restaurants für Pizza, Pasta und Fastfood haben in vielen Grossstädten hohe Präsenz.

 

Traditionsbewusstsein auch in den gepflegten (und teuren) Restaurants. Hier kniet das Service Personal vor dem Gast nieder. Wenn der Gast spricht schweigen alle. Wenn er sich beschwert, wird entschuldigt – Punkt.

Generell kann man sagen, dass das Strassenbild in Japan einen enormen Wandel durchgemacht hat. Vor 40 Jahren sah man die Frauen im öffentlichen Raum und zu Anlässen sehr oft im traditionellen Kimono gekleidet. Frauen und Kinder waren in Gruppen unterwegs, im Sommer in leichten, farbigen Baumwoll-Kimonos. Ein wirklich sehr lebensfrohes Bild.

Der Nudelshop von Yoyogi: Er steht gerne Pose für den Fotografen – ohne Konsumationszwang, versteht sich

 

Was sollte man beachten, wenn man in Japan Menschen auf der Strasse porträtieren möchte?

Grundsätzlich freuen sich die Japaner im öffentlichen Raum fotografiert zu werden. Bedingt natürlich, dass man sie freundlich und respektvoll fragt, ein Augenkontakt mit hochgehaltener Kamera kann auch schon genügen. Häufig werden sofort Begleitpersonen einbezogen und dann wird für ein Gruppenfoto posiert. Auch hier sieht man wieder, dass die Japaner sich am liebsten als Gruppenmitglied identifizieren und nicht unbedingt als Individuum.

Japan ist das Traumland für Streetphotography. Ein freundlicher Blick genügt und alle stehen für das Bild bereit

Wer gerne die etwas ausgefalleneren Porträts von Japanern und Japanerinnen machen möchte, sollte sich der Avantgarde-Fashion-Kultur annehmen in der Trendgegend Harajuku, in der Nähe des Yoyogi Parks.. Dies ist eine Jugendbewegung, oder man könnte sie schon fast Kunstform nennen, in der Junge Leute sich auf extraordinäre und extravagante Art und Weise kleiden um sich in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Sie tragen ihre ausgefallenen Outfit-Kreationen und Frisuren und beabsichtigen auch, von Fotografen und Fashionscouts entdeckt und angesprochen zu werden. Dabei wird aber in erster Linie die Kreativität des Erscheinungsbildes zur Schau gestellt und keinesfalls die Person, die dahintersteckt. Es ist so ähnlich wie für uns die Fastnacht (lacht…).

Die Japaner lieben «Pachinko», ein populäres Glücksspiel an Automaten. Wahre Gewinner gibt es dabei allerdings kaum, so dass man sich schon mal für ein Foto ablenken lassen darf

 

Welche Regionen würden Sie sonst noch Japan-bereisenden Fotografen empfehlen?

Als Einstieg ist sicher Tokio eine sehr dankbare Stadt, die visuell und auch kulturell viel hergibt. Kyoto als ehemalige Hauptstadt und die Samurai- Stadt Kamakura eignen sich auch sehr gut um hervorragende Fotosujets zu finden. Hiroshima ist natürlich für Leute, die sich gerne mit der Geschichte Japans befassen, auch sehr interessant. Naturliebhabern empfehle ich Hokkaido, die Nordinsel in der gemässigten Zone auf der es im Winter schneit und die im Sommer mit einer Pflanzenvielfalt beeindruckt. Ebenfalls sehenswert ist der Fuji, höchster Berg Japans. Sein Gipfel befindet sich auf der japanischen Hauptinsel Honshū an der Grenze zwischen den Präfekturen Yamanashi und Shizuoka. Seit 2013 ist er Teil des Weltkulturerbes. Wer gerne abseits der Stadt etwas vom ländlicheren Leben in Japan sehen möchte, kann innert weniger Stunden mit öffentlichen Verkehrsmitteln ins Grüne fahren.

Das JR Bahnsystem ist Vorbild für die westlichen Bahngesellschaften. Die Züge fahren so dicht, dass es keine Verspätungen geben darf. Rechts verabschieden drei Mitarbeiter der Japanischen Eisenbahnen einen ranghöheren Besuch und verneigen sich bis der Zug weggefahren ist

Viele Passagiere schlafen in der U-Bahn. Ihre innere Uhr sagt ihnen pünktlich wann sie aussteigen müssen

 

Und mit Englisch kommt man überall durch?

In Tokio und in anderen Grossstädten ist das kein Problem. In ländlicheren Gebieten allerdings reden die Leute kaum Englisch, und auch die Schilder und Wegweiser sind nur japanisch angeschrieben. Ohne Japanisch-Kenntnisse, japanische Begleitung oder Sprachhilfe könnte es schwierig werden.

Die japanische Schrift ist kalligrafische Kunst. Die Schüler beginnen schon in der Primarschule mit dem genauen Imitieren der Zeichen. Das formt den Charakter – und die Schrift

 

Gibt es westliche Verhaltensweisen, mit denen wir als Touristen bei den Japanern in ein Fettnäpfchen treten können?

Die meisten Touristen verhalten sich in der Regel rücksichtsvoll und begegnen den Japanern mit Respekt. Was eher unvorteilhaft bei den Japanern ankommt, ist wenn jemand mit Strassenschuhen einen privaten Wohnraum betritt. Japaner legen hohen Wert auf Sauberkeit und Hygiene. Das gleiche gilt im Hausbad. Man hat sich vorweg gründlich zu waschen, bevor man einen Schritt ins Bad macht, das man mit anderen Menschen teilt. Was ebenfalls ein No-Go ist, sind Grenzüberschreitungen. Japaner halten sich absolut an Regeln und Gebote. Es ist nicht in ihrem Interesse, Regeln zu brechen und Provokation auszuüben. Der Schweizer ist in dieser Hinsicht ganz anders und schafft sich gerne Freiräume über bestimmte Vorgaben hinaus.

Das traditionelle Japan-Zimmer ist in vielen Häusern noch immer eine Oase der Schlichtheit und der Ruhe. «Und wenn dann meine Frau Yuko noch Nori-Maki Sushi macht, lässt sich die Familie gerne einladen»

 

Was meinen Sie damit?

Den Fuss in den Garten eines Privatgeländes setzen, bei Rotlicht die Strasse überqueren oder im Subway Essen obwohl es untersagt ist. Das würde der Japaner auf keinen Fall machen. Genau so wenig wie in einer Kolonne vorzudrängeln um sich eine bessere Position zu ergattern. Der Schweizer nimmt es da mit der Interpretation des Anstandes zu seinen Gunsten recht locker. Der Japaner würde sich sehr unwohl fühlen eine vorgegebene Richtlinie zu verletzen.

Jeder Japaner muss einmal in seinem Leben auf den heiligen «Fuji-san», wie er liebevoll genannt wird. Auch den Touristen ist diese Tour auf den höchsten Berg Japans sehr zu empfehlen

 

Sie planen zusammen mit der Fotoschule Baur eine geführte Fotoreise ins herbstliche Japan. Welches sind dabei Ihre Fokuspunkte?

In der Regel kommt es ganz auf die Bedürfnisse und «Fotoziele» der Reiseteilnehmer an. Dies wird vorgängig bei einem Kennenlerntreffen abgeklärt und besprochen. Meistens ist es aber eine Kombination von traditionellen – und trendigen Orten, die wir besuchen, und immer auch den eher stilleren und exotischeren Ecken Japans, welche man ohne japanvertraute Reisebegleitung kaum erreichen und verstehen kann.

Interview: Linda Pollari
Japan-Bilder: © Beat Pfändler

Weitere Informationen

• Über Japan als Reiseland

• Über dîe Japan-Reise mit der Fotoschule Baur

• Über Beat Pfändler

 

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