Neue Bücher über die Fotografie mit Film sind selten geworden. Der Markt ist seit dem Digitalboom geschrumpft, und es sind nur noch wenige, die einen Film in ihre alte Kamera einlegen. Und doch: Das Interesse an der Analogfotografie, vor allem junger Amateure, ist wieder am Zunehmen – weil sie wissen wollen, wie das damals war, und wie man mit Film kreative Bilder machen kann. Da kommt das Buch «Think analog» gerade recht.
«Film verlangsamt das Fotografieren, lässt es bewusster erleben. Dadurch verändert es die Art und Weise, wie man fotografiert» schreibt Antonino Zambito in seiner Einleitung. Es ist schon so, dass man sich in der Analogfotografie weniger um die Technik Gedanken macht, sondern stattdessen eine stärkere Verbindung zum Motiv aufbaut. Vielleicht ist dies ein Teil der Faszination des Fotografierens mit Film. Jener Mythos, wenn man einen Film auspackt, diesen in die Kamera einlegt, fotografiert, und erst nach dem Entwickeln weiss, ob die Bilder etwas geworden sind. Das hat mit der modernen Digitalfotografie nur gemein, dass letztendlich auch ein Bild entsteht.
Seit dem Aufkommen der Digitalfotografie ist eine Generation herangewachsen, die noch nie einen Film verwendet hat, welche die Analogfotografie nur vom Hörensagen kennt und wissen möchte, was passiert, wenn man einen Film belichtet, wie man diesen entwickelt und was man danach mit dem seitenverkehrten Negativ machen kann. Was für viele von uns von der Erinnerung her selbstverständlich ist, ist für Andere Neuland, als wäre der Film erst gerade erfunden worden – und genau für sie ist dieses Buch gedacht.
Antonino Zambito hat den Wandel von Analog zu Digital hautnah miterlebt, und er konnte sich nie ganz von seinen Analogkameras trennen. Mit seinem breiten Fachwissen und seinem Wissensdurst, um immer neue Techniken – auch mit Film – zu erproben, ist er der Richtige, um ein solches Buch zu schreiben.
Das Buch beginnt mit etwas Geschichte der Fotografie. Auch diese ist nicht mehr unbedingt Allgemeinwissen, denn die damaligen Pionier- und Markennamen sind allmählich am verschwinden – oder sie sind schon im Vergessenheit geraten. Zambito zeigt die wichtigsten Kameras aus den letzten 150 Jahren, weist auf einige Meilensteine und deren Erfinder hin, und landet schliesslich in der Fast-Gegenwart, indem er Ratschläge gibt, welche Analogkameras heute noch interessant und von praktischem Nutzen sind. Dann erklärt Zambito auch den Nutzen und Gebrauch von Reliquien, die heute kaum mehr bekannt sind, wie Belichtungsmesser – eingebaute oder Handmodelle – dann Filter, von UV-, Polarisations-, Konversions- über Graufilter bis hin zu den Farbfiltern, welche die Farbumsetzung in die Grauwerte verändern (z.B. mit einem Gelbfilter den Himmel dunkler machen) bis hin zu Verlaufs-, Nebel-, Stern- und anderen Effektfiltern.
Dann geht es zum Kern der Sache, zu den lichtempfindlichen Materialien. Auch hier geht Antonio Zambito zunächst etwas in die Geschichte zurück und erklärt die Trägermaterialien wie Papier, Metall- und schliesslich Glasplatten, bevor er zu den flexiblen Filmen kommt und beschreibt, was es heute noch an Filmmaterial auf dem Markt gibt. Es ist nicht mehr allzu viel da, denn die wenigen existierenden Filmmarken, wie Ilford, Kodak, Fujifilm bieten mittlerweile ein recht eingeschränktes, aber immer noch brauchbares Angebot. Jedoch sind einige neu hinzugekommen, wie Adox, Lomography oder Revolog.
Der Part, wo’s ums Entwickeln der Filme geht, dürfte vor allem jene Leser interessieren, die sowas noch nie gemacht haben. Zambito erklärt den Prozess Schritt für Schritt und erklärt auch genau was bei den einzelnen Etappen passiert und worauf man in der Praxis achten muss.
Im nächsten Kapitel geht der Autor auf die Sofortbildfotografie ein, erklärt was Trennbild- und was Integralfilm sind und wie man mit Sofortbildfilmen sehr kreativ arbeiten kann – und dabei immer Unikate erstellt. Er beleuchtet auch auf die jüngsten Entwicklungen, erklärt das Geschäftsmodell und die Materialien von «Impossible», die sich ja für’s Experimentieren auf Grund ihrer geringen Stabilität für kreative Effekte besonders gut eignen. Spannend ist der Prozess der Emulsionsübertragung auf ein neues Material, was Zambito Schritt für Schritt an einem Arbeitsbeispiel erklärt. Auch das Sofortbildsystem Fujifilm Instax bekommt seinen Platz im Buch, das sich in den letzten Jahren am Markt unverändert positiv entwickelt – trotz Smartphones und Digitalboom.
Einen relativ grossen Raum gibt Zambito den Revolog-Filmen, das ist Experimeniermaterial, das von Grund auf gewisse Effekte liefert, wie zerkratzte Bilder, solche mit grünen Punkten, mit Texturen oder mit falschen Farben. Dann geht der Autor auf weitere Produkte ein, die in der Analogfotografie in letzter Zeit an Bedeutung gewonnen haben, beispielsweise die Holga und andere Produkte von Lomography oder die Ilford Lochkamera.
Zum Schluss des Buches erklärt Zambito wie man vom analogen Negativ zur digitalen Datei kommt, erklärt alles Wesentliche über Scanner und nimmt den preisgünstigen (und oft unterschätzten) Akvis Retoucher als Bearbeitungssoftware, mit welcher die Rohscans in perfekte Digitaldateien gewandelt werden können. Ein Anwendungskapitel über Bilderpräsentation, Fotobücher, Portfolio, Fine Art Druck und Ratschläge, wie man Bilder in einer Community zeigt, selbst eine Ausstellung gestaltet oder Bilder auf einer eigenen Webseite publiziert, beschliesst das Buch.
Etwas fehlt: Ein Kapitel über die Positivtechnik – darüber, wie man Bilder vergrössert und dabei in einem zweiten Schritt der Kreativität hochwertige Print herstellt. Sicher hat dieser zweite Teil der Analogfotografie heute an Bedeutung verloren, und kaum jemand will heute noch viele Stunden in der Dunkelkammer verbringen, wenn das heute alles am Bildschirm viel schneller und einfacher geht. Trotzdem gehört die Labortechnik zur Analogfotografie und es ist immer wieder erstaunlich, wie begeistert vor allem junge Leute sind, wenn sie zum ersten Mal erleben, wie auf einem weissen Blatt in der Entwicklerschale langsam ein Bild entsteht.
Dieses Manko tut der Qualität des Buches keinen Abbruch. Es ist ein sehr gründlich recherchiertes und sorgfältig geschriebenes Buch, das vor allem für die Einsteiger und die Wiederentdecker der analogen Fotografie ein wertvolles Hilfsmittel ist.
Urs Tillmanns
Buchbeschreibung des Verlages
Schneller, höher, weiter? Weit gefehlt, immer mehr Menschen steigen, zumindest in ihrer kostbaren Freizeit, aus dem digitalen Hamsterrad aus und entdecken die Vorzüge der neuen Langsamkeit – so auch in der Fotografie. Analoge Fotografie ist einzigartig, nicht reproduzierbar und über allem steht das unvergleichliche Spannungsmoment Von der bewussten Bildkomposition; den Druck auf den Auslöser bis hin zum entwickelten Papierabzug- alles muss wohlüberlegt sein, denn ein Kleinbildfilm hat höchstens 36 Bilder.
Analogfotografen sind weder Dinosaurier noch digital überfordert oder etwas Besseres – sie unterscheidet nur eins: Sie lieben die ursprüngliche Art zu fotografieren. Think Analog, schärft Ihren Blick für den einen Moment, für das eine Foto! Das Buch ist weit mehr als eine Hommage an die analoge Fotografie. Es zeigt die einzigartigen Eigenschaften fotografischer Filme – auch im Kontext der Digitalfotografie -, erklärt Schritt für Schritt, wie Sie Filme selbst entwickeln und gibt unter der Schlagzeile Fotografia d’arte eindrucksvolle Beispiele der unbegrenzten Experimentiermöglichkeiten auf dem Feld der analogen Fotografie heute.
Der Inhalt
1. Darum analog
Neue Sehnsucht nach dem Unikat / Entschleunigung, jeder Schuss zählt / Technik ist nicht alles – und dann doch / Weissabgleich – wozu? / Lebendige Fotografien / Grosser Dynamikumfang / Jede Kamera ist anders / Für die Nachwelt konserviert
2. Meilensteine
Väter der Fotografie / Joseph Nicéphore Niépce / Louis Jaques Mandé Daguerre / Erfindung der Daguerreotypie / William Henry Fox Talbot / Erfindung der Kalotypie / Fotografie für alle / George Eastman / Erfindung des Nassplattenverfahrens / Erfindung des Trockenplattenverfahrens / Erfindung des transparenten Rollfilms / Entwicklung der ersten Kodak-Kamera / Kodak und der Film / Ticker: Kodak-Meilensteine / Polarisierung von Licht / Edwin Herbert Land / Erfindung des Sofortbildfilms / Zweiäugige Spiegelreflexkamera / Ticker: die Rolleiflex-Story / Alles aus einer Hand / Ticker: die Agfa-Story / Erste Kleinbildkamera / Oskar Barnack konstruiert die Ur-Leica / Kleinbildfotografie für alle / Austauschbares Filmmagazin / Hasselblad, Ikone im Kamerabau / Innovation aus Fernost
3. Apparate und Tools
Kamerasysteme / Aufnahmeformate / Einäugige Spiegelreflexkamera / Zweiäugige Spiegelreflexkamera / Messsucherkamera / Fachkamera / Boxkamera / Balgenkamera / Panoramakamera / 3-D-Kamera / Schmalfilmkamera / Belichtungsmesser / Intern versus extern 7 Analoge Filter / UV-Sperrfilter absorbieren Streulicht / Polarisationsfilter vermeiden Spiegelungen / Konversionsfilter für Farbanpassungen / Graufilter für Langzeitbelichtungen / Farbfilter für die Schwarzweiss-Fotografie / Verlaufsfilter gleichen Lichtverhältnisse aus / Nebelfilter für künstliche Unschärfen / Sternfilter für besondere Lichteffekte / Infrarotfilter sperren das sichtbare Licht / Punktlinsen und Prismalinsen / Stativ und Stativkopf / Kameragurte und Taschen
4. Wie die Fotopioniere
Direktbelichtung auf Papier / Beschichtete Fotoplatten / Metallplatte (Tintype) / Glasplatte / Schwarzweiss und Farbe
5. Der fotografische Film
Film ist nicht gleich Film / Filme und Formate / Filme und ihr Charakter / Ilford-Schwarzweiss-Filme / Kodak-Schwarzweiss-Filme / Kodak-Farbfilme / Den passenden Film finden / Filme selbst entwickeln / So entwickeln Sie Ihren Film / Filme entwickeln lassen
6. Faszination Sofortbild
Trennbild- und Integralfilm / Trennbildfilme / Integralfilme / Fujifilm-instax-Sofortbildsystem / Neue Filme für alte Polaroidkameras / Bilder künstlerisch verändern / Standardformat oder instax mini / Das Grundkonzept des Sofortbilds / Beliebte Sofortbildkameras / Packfilmkameras / Image Spectra / Fujifilm instax
7. Fotografie d’Arte
Knallige Crossentwicklung / Redscale, einfach andersherum / Methode 1: Filme selber machen / Methode 2: Filme selber machen / Kreative Mehrfachbelichtung / Konzentriertes Schwarzweiss / Farbfilter / Abgelaufener Film macht Spass / Klassisches Edeldruckverfahren / Mögliche Herangehensweisen / Analoge Revolution heute / Impossible, die Bewahrer / Eine Einladung mit Folgen / Ticker: die Impossible-Story / Kreativ mit Impossible / Emulsion˜Lift /Emulsion verschieben / Dias oder Transparente / Kreativ mit instax / Farbfilter / Motivumrandung / Bewegungsfilter / Prismen / Sterneffektfilter / Revolog, die Experimentellen / Revolog Rasp / Revolog Volvox / Revolog Texture / Revolog Lazer / Revolog Streak / Revolog Tesla I und II / Revolog Kolor / Revolog 460nm und 600nm / Lomography, die Leidenschaftlichen / Trendsetter gegen den Trend / Plastique fantastique / Rettung und Wiedergeburt / Diana, die Toy-Systemkamera / Russar, das Weitwinkelobjektiv / Petzval, einfach wunderbar / Analoge Auferstehung / Berühmte Namen, die weiterleben
8. Von digital zu analog
Impossible Instant Lab / Fujifilm Smartphone Printer / Camera obscura selbst bauen / Pinhole-Kameradeckel / Diana, Holga & Co. / Harman – Ilford-4×5-Inch-Lochkamera / Zero Image – mehr als ein Sammlerstück / Lochkamera selbst bauen / Umbau statt Neubau / Fotografie mit der Camera obscura / Das Spiel mit dem gesteuerten Zufall / Lomography / Lomo’Instant / Lomo Instant Back
9. Vom Negativ zur Datei
Digitale Dunkelkammer / Scannen von Negativen / Flachbettscanner / Filmscanner / Vorschau und Scannen / Grösse und Auflösung / Helligkeit einstellen / Retuschieren / Akvis Retoucher
10. Bilder zeigen
Bilder gerahmt oder kaschiert / Passepartout und Rahmung / Bilder richtig rahmen / Hartschaumplatten / Alu-Dibond-Platten / Acrylglasplatte / Bilder in einem Fotobuch zeigen / Drogerie- und Elektronikmärkte / Onlinedienstleister / Fotobuch vom Fachhändler / Buchdruckereien und Selbstverlag / Bilder in einer Community zeigen / Flickr: grösste Fotocommunity weltweit / fotocommunity: grösste Fotoplattform Europas / Bilder auf dem iPad zeigen / Portfoliomappe: der Klassiker / Mit oder ohne Folie? / Fine-Art-Druck: was man wissen muss / Kriterien für den Fine-Art-Druck / Dye- und pigmentbasierte Tinten / Papier ist nicht gleich Papier / Fine-Art-Papier und Zusammensetzung / Unterschiedliche Weissegrade / Fine-Art-Papier richtig lagern / Leitfaden für die eigene Ausstellung / Wichtig ist die Themenbindung / Ideen für einen Ausstellungsort / Präsentation und Ausstellungsort / Werbemittel, die man wirklich braucht
Index
Bildernachweis
Der Autor
Antonino Zambito arbeitete zunächst als Pressefotograf im In- und Ausland, bis er 2005 mit eigenen Ausstellungen und Foto-Workshops begann. Sein Lehrkonzept führte zu zahlreichen Kooperationen, zum Bespiel mit dem Haus der Geschichte Baden-Württemberg und renommierten Kameraherstellern wie Fujifilm und Hasselblad. Im Frühjahr 2015 ist er durch die Übernahme des 1964 gegründeten Traditionshauses Photo Bergmeister in Stuttgart auch in den Fotofachhandel eingestiegen. Ganz nebenbei findet er Zeit, Kunstprojekte zu betreuen und den Welttag der Sofortbildfotografie ins Leben zu rufen.
Bibliografie
Antonino Zambito:
Think analog
286 Seiten, gebunden, Hardcover
2015, Franzis Verlag GmbH, Haar bei München
Preis: CHF 48.50, EUR 39,95
ISBN 978-3-645-60352-2
Das Buch kann hier online bestellt werden