Bereits zum 19. Mal wird die «Paris Photo» durchgeführt. Der Grand Palais ist voll bis auf den letzten Platz, wo 167 Galerien und Verlage aus 35 Ländern Fotokunst aller Stilrichtungen anbieten. Sie ist die grösste Fotokunstausstellung der Welt und zeigt ebenso Werke von Klassikern wie von Newcomern. Die Messe ist noch bis Sonntagabend geöffnet und dürfte wiederum mehr als 60’000 Besucher aus allen Ländern anziehen.
Paris Photo ist eine Welt für sich. Hier trifft sich alles, was an Fotokunst interessiert ist, auch wenn für viele die Preise jenseits ihrer Möglichkeiten sind. Aber es gibt kaum einen Ort, an dem man so viel hochwertige Fotografie zu sehen bekommt. Alle namhaften Galerien rund um den Globus sind vertreten, die grossen Namen, die einem vielleicht geläufig sind, und viele, besonders aus dem fernen Osten, die offensichtlich neu im Markt sind und aus ihren Ländern neue Impulse in die europäische Fotografie bringen.
Wiederum findet die Paris Photo im Grand Palais statt, jenem majestätischen Überbleibsel von der Weltausstellung 1900, das stilistisch zum stadtmarkanten Eiffelturm passt und der weltgrössten Fotokunstmesse einen adäquaten Rahmen bietet.
So riesig dieser Ausstellungspavillon ist, so schnell füllt er sich an der Paris Photo mit Besuchern. Offensichtlich ist das Publikum sehr gemischt, von reinen Fotointeressierten – die sich vielleicht etwas über den hohen Eintrittspreis von dreissig Euro aufhalten – bis hin zu vermögenden Kunstliebhabern, die gerne bereit sind mal schnell für einen Man Ray oder einen Eliott Erwitt einen fünfstelligen Betrag hinzublättern.
Das Angebot auf der Paris Photo ist nicht nur gigantisch sondern auch vielfältig. Egal welche Stilrichtung und welche Motive man bevorzugt, auf der Paris Photo und den über 160 internationalen Galerien wird man fündig. Und viele, insbesondere auch junge Leute kommen hierher, weil sie ganz einfach an guter Fotografie und einem breiten Angebot interessiert sind und sich in diesem Bereich der visuellen Kommunikation weiterbilden möchten. «Ich kann mir davon gar nichts leisten, aber ich geniesse es, alle diese Originale zu sehen» gestand mir eine junge Kunststudentin. «Die Paris Photo ist für mich der spannendste Studienplatz, und irgendwann werde ich sicher auch zur Käuferschaft gehören – ob für mich selbst oder für einen Auftraggeber …»
Noch bis Sonntag: das Mekka der Kunstfotografie
In den vier Tagen erwartet die Paris Photo mit Sicherheit wieder über 60’000 Besucher – erste Schätzungen glauben sogar, dass dieses Jahr ein neues Rekord ins Haus steht. Schon an der Vernissage am Donnerstagabend war fast kein Durchkommen mehr, und heute, am Freitag, war die Gänge ebenfalls prallvoll. Kommt hinzu, dass die Besucher nicht nur an den Fotoständen interessiert sind, denn auch die 27 Verleger haben mit ihren zahlreichen Neuerscheinungen einen starken Zuspruch. Dabei sind auffallend viele Bildbände im Angebot, die in teurer Aufmachung und hervorragender Druckqualität Freude bereiten und in der Vorweihnachtszeit gerne im Hinblick auf Geschenke gekauft werden.
Trends sind auf der Paris Photo eigentlich zwei zu erkennen: Zum einen stossen fernöstliche Galerien und Fotografen zunehmend auf grossen Interesse, und zum anderen ist das Angebot an Schwarzweissbildern – insbesondere an Klassikern – auch an Ständen anzutreffen, die früher ausschliesslich zeitgenössische Fotografen gezeigt hatten.
Ein subjektiver Rundgang
Über eine Kunstmesse dieses Umfangs zu berichten ist immer von persönlichen Vorlieben und Neigungen gesteuert, und bei der Menge an Ständen ist es auch schwierig nicht nur den Überblick zu behalten, sondern auch einigermassen allen Stilrichtung gerecht zu bleiben. Einziges Mittel gegen diese subjektive Auswahl: kommen Sie selbst nach Paris – es gibt hier auf der Paris Photo noch viel zu entdecken …
Die Galerien von Edwynn Houk in New York und in Zürich bieten ein sehr breites Angebot und dementsprechend vielfältig ist auch die Bildauswahl auf der Paris Photo. Sie reicht vom 1,8 Meter grossen Print des «Elephant on Bare Earth» von Nick Brandt bis hin zur kleinen aber kostbaren Solarisation «Natascha» von Man Ray.
Die Galerie Arte F aus Zürich ist auch dieses Jahr wieder auf Schweizer Bergfotografie spezialisiert. Hauptthema heuer ist 150 Jahre Matterhornbesteigung mit Bildern von Emanuel Giger und Arnold Klopfenstein.
Die Galerie Lelong Paris zeigt in einer Soloausstellung das Schaffen von Jean-Baptiste Huynh, der sich neben Akt- und Porträtbildern auch französischen und vietnamesischen Pflanzen als Motive widmet.
Am Stand der Berliner Galerie Camera Works ist neben den Bildern von Harry Callahan und seiner Frau Eleanor eine Sammlung bestechender Klassiker zu finden mit Einzelwerken von Martin Munkascsi, Jousuf Karsh, Peter Beard, Ilse Bing, Manuel Alvarez Bravo, Alexander Rodtschenko, Ansel Adams, Frantisek Drtikol, Alexander Feininger und dreimal Steve Schapiro.
Die Industrieaufnahmen von Berns + Hilla Becher sind gleich auf mehreren Ständen zu entdecken, doch hat die Galerie Sprueth Magers Berlin den Künstler gleich eine Soloausstellung gewidmet.
Die Galerie Bernheimer mit Verkaufspunkten in München und Luzern zeigt eine Retrospektive auf Lucien Clergue, sowie Bildserien von Annie Leibovitz, Julien Schnabel, Toni Schneiders und Jeanloup Sieff
Die Galerie Thomas Zander, Köln, zeigt diese gigantischen Landschaftsbilder (175 x 138 cm) von Mitch Epstein mit dem Titel «Rocks and Clouds» Die Serie wird dieses Jahr erstmals gezeigt.
Ebenfalls am Stand von Thomas Zander, Köln, ist diese Reportage von Dieter Meier zu sehen, der in den Strassen New Yorks Fussgänger fotografiert und diesen nachträglich einen fiktiven Namen gegeben hat. Deshalb heisst die Serie aus dem Jahre 1970 auch «Given Names».
Von Sarah Moon sind dieses Jahr nur wenige Bilder auf der Paris Photo zu sehen, doch haben wir diese drei Bilder bei der Galerie Camera Obscura, Paris, entdeckt. Demnächst soll übrigens ein umfassende Ausstellung dieser berühmten französischen Fotografin in den Hamburger Teichtorhallen zu sehen sein.
Die Tokioter Galerie Taka Ishii zeigt unter anderem diese Serie unter dem Titel «A Private Landscape» von Eikoh Hosoe, dessen Arbeiten sehr stark vom Surrealismus geprägt sind.
Die Galerie MEM aus Tokio präsentiert mehrere japanische Fotografen. Faszinierend ist die Bildreihe im Vordergrund. Die Arbeit von Tomoko Sawada umfasst über 300 Selbstporträts, die unter dem Titel «Facial Signature» den Einfluss der westlichen und asiatischen Gesellschaft darstellen sollen. Im Hintergrund sind zwei Werke von Natsumi Hayashi zu sehen.
Die Galerie Peter Lav aus Kopenhagen präsentiert das Projekt «Eurasia» der beiden Schweizer Künstler Taiyo Onorato und Nico Krebs, das sich thematisch an die grossen fotografischen Expeditionen des 19. Jahrhunderts anlehnt.
Der in Shanghai geborene und in Frankreich lebende Künstler Du Zhenju zeigt am Stand der Pariser Galerie RX den 180 x 240 cm grossen Print «Turm zu Babel», welcher aus 15 Einzelaufnahmen in dreimonatiger Arbeit entstanden ist.
Die Zürcher Galerie Christophe Guye präsentiert auf der Paris Photo eine Einzelshow des britischen Künstlers Nick Knight, dessen Bilder sehr kontroverse Themen zum Inhalt haben, wie Rassismus, Behinderung, Alterdiskriminierung oder Fettsucht.
Die Bilder von Josef Hoflehner, welche von der Galerie Ruzicska aus Salzburg gezeigt werden, lässt die 1970er Jahre und die damals blühende Automobilindustrie Amerikas wieder aufleben.
Fast würde man die beiden Spitzenbilder «The Art of Travel, Nairobi, British Vogue, 1951» und «Cardin Hat over Paris, Queen Magazine, 1950» von Norman Parkinson am Stand von Eric Franck, London, übersehen.
Weiter zeigt die Galerie Eric Franck, London, eine Wand mit seltenen Kompositionen von Heinz Hajek-Halke aus dem 1950er Jahren.
Am Stand von Esther Woerdehoff getroffen: René Groebli, der sein Buch «Early Work» signiert. Die Neuerscheinung (Fotointern.ch berichtete) zeigt erstmals eine geschlossene Sammlung von Groeblis frühesten Arbeiten, die prägend für sein späteres künstlerisches und kommerzielles Schaffen waren.
Die Galerie M97 aus Shanghai präsentiert die chinesischen Fotografen Adou, Wensheng Dong, Lei Han, Lei Hong, Wang Ningde, Feiming Shan und Shao Wenhuan. Von Letzterem ist die abstrakte Serie «Indefinite» auf 7 Panels 115 x 60 cm zu sehen, die mit flüssiger Emulsion auf Canvas entstanden sind.
Die Zürcher Galerie Scheublein & Back zeigt neun Lichtspuraufnahmen von Herbert W. Francke, während im Vordergrund eine abstrakte Studie von Michael Reisch zu sehen ist
Die Pariser Galerie Les Douches widmet ihre Standfläche grösstenteil der Schweiz-französischen Fotografin Sabine Weiss, deren Schaffen am letztjährigen Salon de la Photo breit präsentiert wurde (Fotointern.ch berichtete).
Die Galerie Camera Obscura zeigt unter anderem die beiden Ikonen von Arno Minkkinen «Maija-Kaarina» (links) und «White Sands Moonrise, New Mexico 2000».
Die Galerie Thomas Zander ist nicht nur auf ihrem Stand vertreten, sondern auch in der Sonderschau «Prismes». Hier zeigt die Kölner Galerie 60 Klassiker von Gary Winogrand, Manuel Alvarez Bravo, Walker Evans und Lee Friedlander, welche in den 1970er Jahren von der Double Elephant Press in New York publiziert wurden.
Ebenfalls Teil von «Prismes» sind die beiden Wände mit insgesamt 2016 erotischen Polaroid-Bildern von Nobuyoshi Araki, welche in den Jahren 1998 bis 2005 entstanden sind. Araki soll die Bilder selbst für die Paris Photo selektiert haben, aus einem Bestand der mindestens zehnmal so gross sein soll. (Galerie Taka Ishii, Tokyo)
Hans Peter Feldmann zeigt 101 Porträtaufnahmen von Menschen vom Kinds- bis Greisenalter und macht damit den Lebenszyklus von «100 Jahren» zum Thema.
Die Sponsoren Pernod Ricard präsentieren den chinesischen Fotografen Li Wie, der sich in seinen Bildern auf fliegende Menschen spezialisiert hat. Die Statisten werden mit Seilen an Kränen fixiert und in der perspektivisch passenden Position fotografiert.
Neben den 142 Galerien sind auch 27 Buchverlage präsent und zeigen ihre Neuerscheinungen. Zwei Verlage mehr als letztes Jahr und fünf erstmals ausstellende, die zusammen die Anzahl der neuen Titel das Vorjahr übertreffen sollen.
Ein Buch ist uns besonders aufgefallen: Die Retrospektive auf 35 Jahre Fotografie von Bettina Reims im Taschen-Verlag. Es gibt nur 1000 Exemplare davon, alle sind von der Künstlerin signiert. Geliefert wird das 454-seitige Luxuswerk in einer Kofferschatulle.
Die Paris Photo ist noch bis Sonntag 15. November 2015 in Grand Palais zu sehen. Jeweils im Frühjahr, 2016 vom 29. April bis 1. Mai, findet die «Paris Photo» unter gleichem Namen in Los Angeles statt.
Weitere Informationen unter www.parisphoto.com
Text und Fotos: Urs Tillmanns
Nachtrag 18.11.2015:
Nachdem die Paris Photo 2015 ab dem 14.November 2015 aufgrund der Terroranschläge in Paris geschlossen werden musste, gibt es nun die Möglichkeit, die Paris Photo virtuell zu besuchen.
Aufgrund der Attentate wurde die Paris Photo gestern 14.11 abgebrochen und für Beendet erklärt.